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"Wir haben noch gratis gearbeitet"

Von Petra Tempfer

Politik

Ärztekammer-Präsident Szekeres fordert 1300 neue Kassenstellen. Der Hauptverband kann das nicht nachvollziehen, weil gleichzeitig über unbesetzte Kassenstellen geklagt wird.


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Wien. Der Anteil der über 55-jährigen Ärzte ist auf 29,7 Prozent gestiegen, so die Österreichische Ärztekammer am Dienstag. Das bedeute, dass mehr als 14.500 Ärzte in den nächsten zehn Jahren in Pension gehen werden - sollten sie bis 65 arbeiten. Arbeiten sie kürzer, seien es 17.000. Angesichts der demografischen Entwicklung und des steigenden Anteils älterer Menschen, die vermehrt medizinische Versorgung benötigen, sei die Warnung vor einem drohenden Ärztemangel akuter denn je, sagte Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres. Er fordert daher 1300 zusätzliche Kassenstellen in Österreich. Im Moment gibt es rund 8000.

Mit Ende Dezember 2018 waren 46.337 Ärzte registriert, davon 23.246 Fachärzte, 14.805 Allgemeinmediziner und der Rest Turnusärzte. Seit rund zehn Jahren gibt es mehr Wahl- als Kassenärzte. Die Probleme dabei laut Szekeres: Längere Wartezeiten bei den Kassenärzten für die, die sich keine Wahlärzte leisten können. Immer mehr Ärzte arbeiten zudem Teilzeit - in Wien ein Drittel. Das sei unter anderem darauf zurückzuführen, dass schon nahezu die Hälfte der Ärzteschaft weiblich sei. "Dieser Trend ist natürlich zu begrüßen, aber man muss die Kopfzahl richtig interpretieren", so Szekeres. Außerdem fangen nur sechs von zehn Medizinabsolventen in Österreich zu arbeiten an. Der Rest gehe ins Ausland - und nur ein Teil komme wieder zurück.

"Die Antwort ist: mehr Primärversorgungseinheiten"

"Als ich mit dem Studium fertig geworden bin, hatten wir noch einen Überschuss an Ärzten", sagte Szekeres. "Wir haben noch gratis gearbeitet." Die Situation sei jedoch gekippt - und das habe man übersehen. Es brauche bessere Rahmenbedingungen für Ärzte.

Alexander Biach, Vorstandsvorsitzender des Hauptverbandes der Sozialversicherungen, kann die Forderung nach zusätzlichen Kassenstellen dennoch nicht nachvollziehen. Zum einen sind aktuell 129 Kassenstellen in Österreich - vor allem in Randgebieten - unbesetzt. Wien soll mit dem zwischen Stadt und Gebietskrankenkasse vereinbarten "regionalen Strukturplan" bis 2025 insgesamt 393 neue Ärzte zusätzlich bekommen. Zum anderen gebe es ohnehin schon eine Antwort "auf die ewig strapazierte Forderung", so Biach zur "Wiener Zeitung": die Primärversorgungseinheiten.

"Ich plädiere dafür, dass man die Zahlenspiele beiseite lässt und schaut, dass die Menschen versorgt sind", sagt Biach. Primärversorgungseinheiten, die längere Öffnungszeiten, mehrere Ärzte und weitere Gesundheitsberufe zentriert bieten, seien der richtige Weg dorthin. Im Moment laufen zwölf Pilotprojekte in Österreich, man arbeite aber an der raschen, vollständigen Umsetzung. Zuletzt habe man zum Beispiel die konkreten Behandlungsanforderungen der Zentren festgelegt.

Zu der steigenden Anzahl der Wahlärzte sagt Biach: "Sie decken noch immer nur fünf Prozent der Versorgung ab, weil sie so kurze Ordinationszeiten haben."

Österreich hat diezweithöchste Ärztedichte

Österreich hat laut OECD-Statistik mit 5,25 Ärzten pro 1000 Einwohnern nach Griechenland die zweithöchste Ärztedichte. Lukas Stärker, Kammeramtsdirektor der Ärztekammer, sagt, dass es jedoch aufgrund der Unattraktivität so mancher Landarztstelle ein Verteilungsproblem gebe, außerdem würden bei der Statistik "Äpfel mit Birnen verglichen". Denn einige Länder zählen die Turnusärzte dazu, andere nicht. Würde man in Österreich die Turnusärzte herausrechnen, würde die Dichte nur noch bei 4,34 liegen.

Dass Landarztstellen unattraktiv sind, will der Hauptverband so aber auch nicht stehen lassen. Das durchschnittliche Einkommen einer Landarztstelle betrage in Vorarlberg 180.557 Euro pro Jahr, in Wien nur 162.362 Euro. "Wenn es ums Geld geht", heißt es, "ist eine Landarztstelle attraktiver."