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"Wir haben sehr ehrgeizige Ziele"

Von Siobhán Geets

Politik
Will die Kraft der Ozeane mehr nutzen: EU-Umweltkommissar Karmenu Vella setzt sich für erneuerbare Energien ein.
© Stanislav Jenis

Umwelt-Kommissar Karmenu Vella, über Glyphosat und erneuerbare Energien.


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"Wiener Zeitung": Die EU-Kommission will die Zulassung für Glyphosat um zwölf bis 18 Monate verlängern. In der Zwischenzeit soll die EU-Chemikalienagentur Echa feststellen, ob das Herbizid krebserregend ist oder nicht. Werden die Ergebnisse der Studie öffentlich gemacht werden?

Karmenu Vella: Wenn die Entscheidung feststeht, dann bin ich sicher, dass die Ergebnisse auch veröffentlicht werden. Im Moment aber ist das noch in Diskussion. Wir warten noch auf eine Entscheidung.

Wann rechnen Sie damit?

Das unterliegt zwar nicht meiner Aufsicht, denn das ist Sache eines anderen Kommissars (Vytenis Andriukaitis, Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Anm.) aber ich denke, dass die Entscheidung so bald wie möglich feststehen wird.

Laut einer Studie der Welt Gesundheitsorganisation WHO ist Glyphosat krebserregend, doch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit Efsa widersprach und schrieb das Gegenteil. Die Efsa begründet ihre Entscheidung auf einer Studie, die nicht veröffentlicht wird. Kritiker sagen, die Efsa fälle ihre Entscheidungen nicht unabhängig von Industrieinteressen. Kann es da überraschen, dass diese Studie Glyphosat als harmlos einstuft?

Das ist es ja genau, was nun untersucht, analysiert und diskutiert wird: Die unterschiedlichen Ergebnisse von WHO und Efsa. Wenn man das einmal herausgefunden hat, muss eine Entscheidung getroffen werden.

Die Kommission will Atomenergie wieder stärker fördern. Für Deutschlands Umweltministerin Barbara Hendricks ist das eine "verrückte und unverantwortliche Idee". Wieso hat die EU die Nuklearenergie wiederentdeckt?

Nein, wir ermuntern die Mitgliedstaaten nicht zur Nutzung von Atomenergie. Genauso wenig, wie wir ihnen zu schwerölbetriebenen Kraftwerken raten. Es ist Sache der Mitgliedstaaten zu entscheiden, welche Art der Energieproduktion sie anstreben. Wir haben ein Set an Kriterien, das die Energiegewinnung beurteilt. Entscheidet sich ein Staat etwa für Bohrungen oder Fracking, dann ist das seine Sache - vorausgesetzt das Vorhaben ist umweltverträglich und mit den Leitlinien der EU-Kommission vereinbar.

Wie sieht es mit der EU-Strategie für erneuerbare Energien aus?

Wir unterstützen erneuerbare Energien. Eine meiner Prioritäten ist es, die Kraft der Ozeane mehr zu nutzen. An Land haben wir nur Wind und Sonne als erneuerbare Energiequellen. Das Meer bietet hingegen viel mehr: Wellen, die Gezeiten, Strömungen und Temperaturschwankungen etwa. Einige EU-Mitgliedstaaten haben bereits in solche Projekte investiert, darunter Frankreich, Irland und Schottland. Es gibt auch Projekte außerhalb der EU und viel Unterstützung für solche Projekte.

Stichwort Erneuerbare Energien: Mehr als 2700 Wasserkraftwerke sind am Balkan geplant - ein Horrorszenario für Umweltschützer und Biologen. Wie ist Ihr Standpunkt betreffend Wasserkraft versus Umweltschutz?

Was die EU-Staaten betrifft, so müssen sich alle Projekte zu Erneuerbarer Energie einer Bewertung und einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterziehen. Sie werden nur zugelassen, wenn sie unseren Kriterien entsprechen.

Die EU-Staats- und Regierungschefs werden noch im Juni über Kreislaufwirtschaft debattieren. Manche Experten sagen, dass sie zu hundert Prozent umgesetzt werden kann. Dann würden alle Abfälle zur Energiegewinnung verwertet. Die EU-Kommission schlägt einen Anstieg auf 65 beziehungsweise 75 Prozent vor. Wieso ist es so schwer, die Mitgliedstaaten dazu zu bewegen, hier mehr zu tun?

Recycling zu hundert Prozent ist denke ich nicht möglich, es gibt ja auch Material, das nicht wiederverwertet werden kann. Für non-recyclables, also nicht wiederverwertbare Stoffe, haben wir andere Werkzeuge, etwa Abfallmanagement. Wir versuchen dennoch, Recycling zu fördern, und wir sind hier sehr ehrgeizig. Vergessen wir nicht, dass wir heute vermehrt versuchen, Abfall in den Produktionsabläufen zu vermeiden, während es früher vor allem um Abfallmanagement ging. Zuerst heißt es also Vermeiden und Reduzieren. Wir haben sehr ehrgeizige Ziele, was Produktion und unterschiedliche Sektoren betrifft. Bisher haben wir vor allem Plastik, Glas und Metall wiederverwertet. Heute sehen wir uns Wasser, Nahrung und die Bauwirtschaft an.

Kreislaufwirtschaft ist nicht nur gut für die Umwelt, sie schafft auch Arbeitsplätze und spart Geld, da man nicht mehr so viele Rohstoffe importieren muss. Ist das ein Argument, das Sie gegenüber weniger ambitionierten Mitgliedstaaten ins Rennen führen?

Ja. Die Kreislaufwirtschaft und das, was wir "Green Growt", also grünes Wachstum nennen, betrifft nicht nur die Umwelt, sondern die gesamte Wirtschaft. Als Konzept wurde es vor mehr als 50 Jahren in den USA für die Wirtschaft entwickelt. Die Kreislaufwirtschaft hat das Ziel, die Ressourcen effektiver zu nutzen. Für die Privatwirtschaft ergibt das wirtschaftlich Sinn: Kostenreduzierung beim Material wirkt sich positiv auf den Umsatz aus. Die Möglichkeiten der grünen Wirtschaft sind vielfältig. Wie Sie schon sagen, wächst der Arbeitsmarkt in diesem Sektor. Er ist der einzige, der weiter wächst, nämlich von drei Millionen auf 4,2 Millionen allein während der Wirtschaftskrise. Die Auflassung von Deponien und das Recycling schaffen Arbeitsplätze.

Wie gehen Sie mit weniger ambitionierten Mitgliedstaaten um?

Wir hatten zwei Optionen im Umgang mit jenen Mitgliedstaaten, die unseren Forderungen nachhinken: Entweder reduzieren wir unsere Ziele oder wir bleiben ehrgeizig und sprechen mit den weniger ambitionierten Mitgliedstaaten, um mit ihnen gemeinsam einen Aktionsplan zu entwickeln. Wir haben uns für Zweiteres entschieden - und dafür, die Mitgliedstaaten zu unterstützen. Einige davon bringen immer noch mehr als 70 Prozent ihres Abfalls auf die Deponie. Stellen Sie sich vor, was hier noch alles getan werden kann!

Karmenu Vella ist seit 2014 EU-Kommissar für Umwelt, Maritime Angelegenheiten und Fischerei. Der maltesische Sozialdemokrat studierte Agraringenieurwissenschaften und Bauingenieurwesen und arbeitete unter anderem als Architekt. Seine politische Laufbahn bei der Malta Labour Party (MLP) begann mit seiner Wahl zum Abgeordneten 1976. Zuletzt war er Tourismusminister unter Joseph Muscat.