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"Wir klauben die Grenzgänger auf wie im Supermarkt"

Von Michael Schmölzer aus der Slowakei

Europaarchiv

EU-Außengrenze: Slowakei setzt auf | totale Überwachung. | Mit High-Tech | gegen Schmuggler und Schlepper. | Pressburg. Ab dem 21. Dezember ist die Slowakei ein Schengen-Frontstaat, und Innenminister Robert Kalinak kann nicht behaupten, er wüsste nicht, was an der neuen EU-Außengrenze vor sich geht. Denn sein Ministerbüro ist mit einem riesigen Flachbildschirm ausgestattet; Kameras, die alle 186 Meter an der slowakisch-ukrainische Grenze postiert sind, liefern die Bilder direkt in das ministerliche Gemach.


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Und der 36 Jahre alte Sozialdemokrat kann mit der Überwachungs-EDV sichtlich gekonnt umgehen. Auf Knopfdruck lässt Kalinak auf dem Bildschirm leere Feldwege erscheinen, daneben Gewässer und Bäume, die sich im Wind biegen.

Dass es an der schwer bewachten UE-Außengrenze dennoch zu Aktivitäten kommt, kann der Minister ein paar Mausklicks später demonstrieren. Auf einer Archivaufnahme sieht man Zigarettenschmuggler herumlungern, auf einer anderen diejenigen im Gänsemarsch gehen, wegen derer das milliardenschwere System installiert wurde: illegale Migranten. "Die werden von unseren Beamten auf dem Monitor beobachtet, dann erfolgt der Zugriff. Wir klauben die illegalen Grenzgänger auf wie im Supermarkt", zieht Minister Kalinak einen Vergleich.

Man kann in der Tat nicht behaupten, dass die Slowakei im Verein mit den anderen EU-Staaten im Bereich des Grenzschutzes irgend etwas dem Zufall überlassen würde. Der exakt 97 Kilometer lange Abschnitt zwischen Slowakei und Ukraine wird von 868 Grenzern bewacht - früher waren es nur 240. Alle zehn Kilometer steht eine Polizeistation, täglich erfolgen entlang des sensiblen Stückchens Erde 30 bis 40 Patrouillengänge.

Wer per Bahn illegal in die Slowakei einreisen will, hat ebenfalls schlechte Karten. Denn an den beiden Schienen-Grenzübergängen ist je eine Radaranlage installiert. "Ein slowakisches Fabrikat", wie der Innenminister stolz vermerkt. Wer sich im Zug versteckt, um so ungesehen ins geheiligte EU-Land zu kommen, den spüren die Radarwellen zielsicher auf.

Hohe Gehälter gegen korrupte Grenzbeamte

Um das System der totalen Abschottung wasserdicht zu machen, hat man in der Slowakei keine Kosten und Mühen gescheut. Für ostslowakische Verhältnisse bekommen die dort eingesetzten Grenzpolizisten fast den doppelten Lohn, um sie gegen Korruption zu wappnen. Schleppern drohen in der Slowakei 10 bis 25 Jahre hinter schwedischen Gardinen, im Wiederholungsfall sogar lebenslange Haft.

"Die Migranten behaupten fast alle, sie kämen aus Polen und seien erst 14 Jahre alt, auch wenn sie schon graue Haare haben", erzählt Kalinak, der offensichtlich über alle Schliche wohl informiert ist. Polen wird deshalb als Herkunftsland genannt, damit die Einwanderer nicht in die Ukraine abgeschoben werden; und als 14-Jährige geben sie sich aus, damit sie als angebliche Minderjährige leichter Zugang zu einem Flüchtlingslager bekommen.

Dass man just 18 Jahre nach dem Falle des Eisernen Vorhangs einen solchen weiter östlich wieder aufbaut, will Kalinak nicht gelten lassen: "Wir haben keinen Stacheldraht hier - und wir schießen nicht."