Bundespräsidentenwahl revisited.
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Bei den vergangenen Bundespräsidentenwahlen - und wir haben da ja einige im Angebot - lautete die Anordnung so: Alexander Van der Bellen stehe für Österreichs guten Ruf im Ausland. Er stehe für Austausch mit der Welt. Für Anerkennung durch die Welt. Für all jene Seriosität also, die ihn und durch ihn das Land in den Kreis der Staatengemeinschaft einordne.
Norbert Hofer hingegen sei das alles nicht. Hofer gefährde Österreichs Ruf im Ausland. Er stehe für Abschottung und Isolation. Statt Anerkennung würde Österreich Ablehnung erfahren und sich, repräsentiert durch einen radikalen Nationalisten und Vertreter einer rechtspopulistischen Partei, ins Aus manövrieren. Das war die Anordnung.
In der Zwischenzeit, in der langen Zwischenzeit dieser endlosen Wahlen aber hat sich die Welt, haben sich Teile dieser Welt massiv verändert. Zuerst ist die Türkei, die schon vorher keine Bilderbuch-Demokratie war, in den Sog des Autoritarismus geraten. Ein Sog, in dem sie immer tiefer versinkt. Und dann kam noch der 8. November - jener Tag, der die älteste Demokratie der Welt in ihren Grundfesten erschüttert hat.
Kurzum - während der Wahlkampf hierzulande andauerte, hat sich die Welt um uns herum völlig verändert. Und damit haben sich auch die Perspektiven verschoben, damit haben sich die Positionen der Kandidaten verändert - auch wenn diese selbst gleich geblieben sind.
Jetzt warnt FPÖ-Mastermind Herbert Kickl vor einer "diplomatischen Eiszeit mit den USA", sollte Van der Bellen zum Bundespräsidenten gewählt werden. Jetzt scheint es Hofer zu sein, der doch bisher nie sonderlich durch Auslandsbezüge aufgefallen ist, der eine Besuchsdiplomatie "befördern" könnte, möchte. Eine Besuchsdiplomatie der eigenen Art - von Ungarn über Polen bis hin zu Putin und Trump. Eine FP-Delegation war ja angeblich schon bei Trumps Wahlparty dabei.
Die Welt hat die Positionen der beiden Kandidaten nicht nur verändert. Sie hat sie geradezu verkehrt. Deshalb muss sich nun auch die Argumentation verkehren. Ab jetzt gilt es festzuhalten: Gerade jetzt ist Van der Bellen als Präsident nötiger denn je. War er schon vorher nötig, so ist er jetzt nicht nur dringlicher, sondern auch aus anderen, ja aus gegenteiligen Gründen. Mittlerweile ist er nicht mehr als Garant der Kontinuität, sondern als Vorkämpfer gegen die neue "Internationale der Nationalisten" nötig. Gerade jetzt braucht es Van der Bellen - weil dessen Seriosität aus einem "state of the art" zu einer neuen Avantgarde geworden ist. Rationale Politik ist unversehens aus einer Norm zu einer Gegennorm, aus einer Bekräftigung zu einem Einspruch geworden.
Jetzt muss es heißen: Einmal hat Österreich die Chance, Vorhut, Vorreiter, Vorkämpfer zu sein! Einmal kann Österreich sich gegen eine falsche Entwicklung stemmen. Wie schnell ist aus dem Bestehenden ein Wiederzugewinnendes geworden? Jetzt haben wir die Wahl, ob wir die "Erschütterung der politischen Stabilität der westlichen Länder", wie Habermas es genannt hat, vorantreiben oder dieser etwas entgegensetzen. Jetzt hat Österreich die Möglichkeit, diesen Trend nicht fortzusetzen. Diesen Trend zu stoppen. Oder ihm zumindest entgegenzutreten.
Wir können Avantgarde sein!