)
Bei nächsten Atomgesprächen soll Atom-Abkommen ausformuliert werden.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Die dritte Runde der Wiener Atomgespräche mit dem Iran ist am Mittwoch zu Ende gegangen. Bei dem nächsten Treffen am 13. Mai soll mit der Paraphierung des endgültigen Abkommens begonnen werden. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und der iranische Außenminister Mohammad Javad Zarif wollen den seit zehn Jahren andauernden Streit bis zum Sommer endgültig beilegen. Als "gutes Omen" wurde von Experten die Tatsache gewertet, dass die Internationale Atomenergie-Behörde Teheran eine gute Zusammenarbeit attestiert. Irans Oberster Geistlicher Führer, Ayatollah Ali Khamenei, bekräftigte Zarif gestern erneut seine "volle Unterstützung" bei der Suche nach einer Beendigung des Dauerstreits. Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung"äußerte sich Minister Zarif optimistisch,dass ein Durchbruch erreicht wird.
"Wiener Zeitung": Wie ist der derzeitige Stand der Verhandlungen im Atomstreit?Mohammad Javad Zarif: Wir wollen keine Atomwaffen und wir wollen auch nicht in diese Richtung gehen. Eine Übereinkunft ist möglich, wenn die Rechte des Irans bewahrt werden und gleichzeitig niemand Bedenken haben muss, dass der Iran nach Atomwaffen strebt. Hierfür sind politischer Wille und eine positive Einstellung nötig. Illusionen führen bei Verhandlungen nie zum Ziel.
Was meinen Sie konkret?
In den letzten Jahren hat es im Westen leider einige Illusionen gegeben. Illusionen, dass es eine Option gäbe, dass der Iran die Urananreicherung einstellt. Illusionen, dass die Sanktionen und der Druck den Iran in die Knie zwingen und einen Deal aufzwingen würden. Mittlerweile hat jeder realisiert, dass dieser Zugang zu keinem positiven Ergebnis führen wird. Diese Einsicht hat die Kluft zwischen beiden Seiten reduziert. Ich glaube, dass das Zwischen-Abkommen von Genf uns den Rahmen dafür lieferte, dass ein Abkommen erzielt werden kann, wenn wir hart daran arbeiten und Willen zeigen.
Können Sie uns etwas über die Fortschritte hinsichtlich eines Entwurfes für ein endgültiges Abkommen sagen?
Was ich schon letztes Mal in Wien gesagt habe, ist, dass wir im Mai beginnen werden, an einem Entwurf zu arbeiten. Was wir in den letzten Monaten gemacht haben, war sehr produktiv. Wir haben ein Brainstorming gemacht und die Grundlagen vorbereitet. Der Entwurf wird eine gemeinsame Übung. Wir werden das nächste Mal nach Wien kommen und das gemeinsam angehen. Keine Seite wird jetzt schon einen Entwurf mitnehmen.
Ist man einer finalen Lösung im Atomkonflikt schon näher?
Wir werden die Details im Verhandlungszimmer besprechen. Wenn man mit dem Entwurf beginnt, wird es schwierig, denn man muss den richtigen Wortlaut finden, einen, der für alle akzeptabel ist. Der Teufel steckt im Detail. Doch mein Eindruck ist, dass es aufgrund der bisherigen Diskussionen möglich ist, auf dem Genfer Zwischenabkommen aufbauend einen Konsens zu finden.
Und wie sieht dieser aus?
Die Zielsetzung ist sehr klar: Es geht darum, dass der Iran sein Nuklearprogramm weiterhin haben wird und dass dieses Programm nur friedlich sein wird. Wir haben uns über vieles unterhalten, und nun geht es darum, es niederzuschreiben.
Reden wir über Vorbedingungen und Hindernisse für ein endgültiges Abkommen: Die Hardliner im Iran und in den USA stellen ja Bedingungen auf. Irans Parlament hat sogar mit einem Abbruch der Gespräche gedroht, weil das Europaparlament die Menschenrechtslage im Iran kritisiert hat.
Weder der Iran noch die USA sind monolithische Gesellschaften. Wir haben verschiedene Ansichten und Gruppen und deswegen haben wir eine Meinungsvielfalt in beiden Ländern. Das ist die Realität. Doch was zählt, ist ein Deal zwischen der iranischen Regierung und den Regierungen der USA und der anderen Mitglieder der 5+1 Gruppe (Vetomächte und Deutschland, Anm.).
Es gibt allerdings zum Teil innenpolitischen Widerstand . . .
Natürlich müssen wir den Deal alle zuhause verkaufen. Es muss von allen Seiten Flexibilität geben, damit ein "Ja" möglich ist zu einem Deal. Wir haben die Unterstützung der iranischen Bevölkerung. Präsident Hassan Rohani wurde mit breiter Zustimmung gewählt. Die Perser vertrauen ihrer Regierung. Aber sie misstrauen den USA. Die US-Regierung muss dieses Misstrauen durch Taten ausräumen. Dasselbe gilt auch für die EU. Die iranische Bevölkerung fordert gegenseitigen Respekt und eine Behandlung auf Augenhöhe. Geräusche im Hintergrund vergiften die Atmosphäre, doch ich glaube, sie werden die Verhandlungen nicht tangieren. Wir genießen das Vertrauen des Obersten Geistlichen Führers Ali Khamenei.
Präsident Rohani hat versprochen, dass die Sanktionen des Westens bis zum Frühjahr 2015 aufgehoben sind. Wie wollen Sie dieses ambitionierte Ziel erreichen? Glauben Sie daran?
Es gibt zwei Punkte zu beachten: Wenn wir einen endgültigen Deal auf Basis des Genfer Abkommens erreichen, dann müssen alle Sanktionen aufgehoben werden. Zweitens gibt es in Europa und den USA Leute, die von den Sanktionen profitiert haben (...). Wenn wir einen Deal haben, dann gibt es keine Entschuldigung mehr für Sanktionen. Die andere Seite muss ihre Verpflichtungen erfüllen.
Besonders im Fokus sind die Sanktionen auch wegen Irans angeschlagener Wirtschaftslage...
Was Präsident Rohani und die iranische Führung gesagt haben ist, dass wir Disziplin in unsere Wirtschaft bringen müssen. Daher arbeitet die Regierung an einem Wirtschaftspaket, um die Lage zu verbessern.
Wie sehen Sie die regionalen Skeptiker hinsichtlich der Atomgesprächewie etwa Saudi-Arabien?
Ich glaube, der Iran ist offen für eine Kooperation mit seinen Nachbarn. Das hat oberste Priorität. Das Fördern von Extremismus in der Region hilft niemandem. Diejenigen, die das in der Vergangenheit getan haben, wurden Opfer der Extremisten, die sie selbst produziert haben. Jeder in der Region, und ich möchte hier keine Namen nennen, ist gut beraten, dem Extremismus Einhalt zu gebieten, und der Iran wird an seiner Seite stehen. Das ist eine gemeinsame Herausforderung und wir werden sie gemeinsam bewältigen. Während die Region in Richtung Extremismus geht, hat der Iran einen moderaten Zugang gewählt. Ich rate den Staaten in der Region, die Gunst der Stunde zu nutzen und die ausstreckte Hand Teherans für eine Kooperation anzunehmen.
Die Atomfrage ist auch eng mit der Menschenrechtslage im Iran verbunden. Wird Präsident Rohani imstande sein, sein Versprechen zu halten, mehr Bürgerrechte und Freiheiten zu gewähren?
Wissen Sie, die Dynamik der iranischen Gesellschaft ist sehr spezifisch. Ein Thema ist nicht abhängig von einem anderen. Wir müssen auf allen Ebenen Fortschritte machen. Und Fortschritte macht man nach und nach. Die Fortschritte müssen den inneren Gegebenheiten angepasst sein. Ich glaube, dass Präsident Rohani ein Mann ist, der sein Wort hält. Und er hat mehrmals gesagt, dass er zu seinen Versprechen während seiner Wahlkampfkampagne steht. Allerdings geschieht dies innerhalb der Parameter der iranischen Gesellschaft. Es gibt hinsichtlich der sozialen Themen wesentlich mehr unterschiedliche Meinungen als beim Nuklear-Dossier. Der Iran hat eine sehr religiöse Gesellschaft, und es muss ein Zugang gefunden werden, um einen Konsens zu erzielen.
Wie stehen Sie zu den westlichen Bedenken hinsichtlich der Menschenrechtssituation im Iran?
Was für uns am wichtigsten ist, sind die Bedenken unserer eigenen Bevölkerung. Sehen Sie, das sollten die Europäer beachten. 73 Prozent der iranischen Bevölkerung haben ihre eigene Zukunft an der Wahlurne entschieden und einen moderaten Weg eingeschlagen.
Anmerkung: Das Interview wurde gemeinsam mit APA und "Der Standard" geführt.
Mohammad Javad Zarif leitet seit August des Vorjahres das iranische Außenministerium. Von 2002 bis 2007 vertrat der Chefdiplomat sein Land bei den Vereinten Nationen in New York, danach unterrichtete er unter anderem an der Teheraner Islamischen Azar Universität. Seine eigene Ausbildung absolvierte Zarif teilweise in den USA, wo er Internationales Recht und Politikwissenschaft studierte. Der heute 54-Jährige entstammt einer streng religiösen Familie aus Teheran. Er ist verheiratet und hat einen Sohn und eine Tochter. Er spricht fließend Englisch und Arabisch.