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Grüne-Spitzenkandidatin Maria Vassilakou gibt sich siegessicher und unterstreicht ihre Forderung nach dem Bildungsressort.
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Wien. Diese Woche hat sich die Spitzenkandidatin der Wiener Grünen, Maria Vassilakou, in unser TV-Radl gesetzt - das erste mit Muskelkraft betriebene mobile TV-Studio der Welt. Eine gekürzte Video-Version des Interviews ist auch auf der Homepage der "Wiener Zeitung" zu sehen.
"Wiener Zeitung":Ampelmännchen, ausgemalte Radwege, eine Terrasse über den Wienfluss, ein jahrelanger Streit um ein paar hundert Meter Fußgängerzone... viele Menschen verbinden diese Themen mit den Grünen und fragen sich, ob es denn in der Stadt keine anderen Probleme gibt?Maria Vassilakou: Ach Unsinn! Als Verkehrsstadträtin habe ich eben in den vergangenen fünf Jahren meine Arbeit gemacht. Und wie man sieht, auch so, dass man all das was Sie gerade gesagt haben auflisten kann und vieles weitere mehr. Jetzt geht es darum, den nächsten Schritt zu setzen - es ist ja kein Zufall, dass ich mir die Uni als Interview-Ort ausgesucht habe: Er steht für Bildung. Und wenn ich sehe, dass ein Viertel aller 15-Jährigen in einer der reichsten Städte Mitteleuropas nicht Sinn erfassend lesen kann, dann läuft etwas sehr falsch. Ich will daher 1000 zusätzliche Lehrer für Wiens Klassenzimmer, ich will Freiheit in der Auswahl der Unterrichtsmethoden und ich will auch eine Kindergartenplatzgarantie für jedes Kind ab zwei Jahren, damit auch alle ausgezeichnet auf die Schule vorbereitet sind und gut Deutsch sprechen können.
Aber sind das nicht auch Forderungen der SPÖ?
Nein, die SPÖ will dezidiert keine Kindergartenplatzgarantie. Im Übrigen werden Sie alles Mögliche im SPÖ-Programm finden. Das Problem der SPÖ ist, dass Papier geduldig ist. Die SPÖ lässt sich ewig Zeit und ist nicht mutig bei Reformen.
Sie meinen also, dass Sie es besser könnten als die SPÖ?
Ja. Ich möchte das Thema Kindergarten und Schule in grüner Hand sehen. Denn, die Garantie kann ich abgeben, wir würden mit derselben Energie und Umsetzungskraft Schule und Kindergarten auf Vordermann bringen, mit der wir das im Bereich der Verkehrspolitik gemacht haben.
Wie sieht es beim Thema Arbeitsmarkt aus? Welche wirtschaftlichen Impulse können die Grünen setzen - außer mit der Errichtung von Fahrradwerkstätten?
Alleine mit dem Investitionsprogramm aus meinem Ressort haben wir 25.000 Arbeitsplätze pro Jahr geschaffen. Es wurde seit 2010 Wohn- und Arbeitsraum für 80.000 Menschen gewidmet. Für die nächsten Jahre bedeutet das sogar 36.000 Arbeitsplätze pro Jahr. Dazu kommen die Investitionen in verkehrsrelevante Maßnahmen, die wieder tausende Arbeitsplätze bringen. So hat allein mein Ressort für Investitionen in die Wiener Wirtschaft von insgesamt 10 Milliarden Euro gesorgt. Und diesen Weg müssen wir weiter gehen - mit Fokus auf Zukunftsbranchen.
Beim Flüchtlingsthema ist in Wien Bürgermeister Michael Häupl derzeit zumindest medial sehr präsent - wo sind die Grünen?
Sie sind beim Engagement für Flüchtlinge immer da. Sehr oft als Einzige. Deshalb fällt es bei der SPÖ umso mehr auf. Im Übrigen geben wir Grüne Michael Häupl die nötige Rückendeckung, die Freiheit und die Selbstverständlichkeit, als Landeshauptmann sagen zu können: Ja, wir helfen, wo wir können. Ja, wir holen die Kinder aus Traiskirchen. Weil er weiß, dass er mit den Grünen als Partner null Diskussionsbedarf in dieser Frage hat. Mit der ÖVP hätte er jetzt Innenministerin Mikl-Leitner an seiner Seite. Da schaue ich mir an, wie das geht.
Diese Einigkeit scheint aber die Ausnahme zu sein. Wie ist Ihr derzeitiges Verhältnis zur SPÖ nach dem Debakel rund um das Wahlrecht? Welche Konsequenzen werden Sie im Falle einer gemeinsamen Zukunft daraus ziehen?
Die Stimmung ist einmal besser, einmal schlechter. Wesentlich für eine Regierungszusammenarbeit ist nicht die Stimmung, sondern die gemeinsame Basis. Gibt es in zentralen Bereichen und Haltungen Übereinstimmungen, gibt es auch eine gemeinsame Richtung, die man gehen kann. Und das trifft bei der Flüchtlingspolitik, dem sozialen Wohnbau, bei der Armutsbekämpfung zu.
Hat diese Zusammenarbeit auch eine Zukunft mit einem mehrheitsfördernden Wahlrecht?
Ich wünsche mir weiterhin für Wien ein modernes, faires Verhältniswahlrecht.
Könnte das Koalitionsbedingung werden?
Ja, das könnte es. Ich habe allerdings nicht vor, zu Beginn des Wahlkampfes täglich neue Bedingungen zu formulieren.
Würden Sie die rechnerische Mehrheit als Drohmittel ausnützen?
Ich denke, die SPÖ weiß, dass sie keinen Partner finden würde, der bei der Verteidigung ihrer alten Privilegien mitspielt. Wobei ich mir bei der ÖVP da gar nicht so sicher bin. Aber ich sehe auch in Zukunft keinen Bedarf für Drohgebärden.
Wie groß glauben Sie ist die Wahrscheinlichkeit einer rot-schwarzen oder rot-blauen Koalition?
Punkt ist: Wenn sich Rot-Schwarz ausgeht, wird SPÖ Rot-Schwarz machen. Und dass Rot-Blau für Häupl keine Option ist, heißt nicht, dass es für die ganze SPÖ gilt. Wer sichergehen will, dass Rot-Grün eine Fortsetzung findet, wählt diesmal Grün.
Alle Parteien wollen beim Verwaltungsapparat sparen. Wollen das die Grünen auch?
Dort wo wir Parallelstrukturen und unnötige Bürokratie haben, wollen wir Einsparungen. Ich warne aber davor, mit der Axt durchzugehen, so wie das Neos und ÖVP wollen - denn das würde bedeuten, dass in Wien die Arbeitslosigkeit noch weiter steigt.
Finden Sie es eigentlich gerecht, dass Spitzenverdiener im Gemeindebau wohnen?
Das Geheimnis des Gemeindebaus in Wien war immer, dass er eine gute soziale Durchmischung hatte und dass jemand, der dort wohnt, auch im Berufsleben erfolgreich sein kann - ohne deshalb eine Wohnung aufgeben zu müssen oder delogiert zu werden. Außerdem würden unterschiedliche Mietpreise zu einer Neid- und Bespitzelungskultur führen. Und das will ich sicher nicht. Trotzdem sollte jeder einen Einkommensnachweis erbringen müssen, sobald er eine Gemeindebauwohnung übernehmen will. Es sei denn, er ist dort aufgewachsen.
Sie meinen die sogenannten vererbten Wohnungen. Ich dachte aber, die Grünen wollen keine vererbte Bildung, kein vererbtes Vermögen, aber gegen vererbte Gemeindewohnungen haben sie plötzlich nichts?
Wenn jemand vorher dort nachweislich gewohnt hat, habe ich nichts dagegen. Da wiegt die soziale Durchmischung mehr.
Sie haben einmal gesagt, Sie werden zurücktreten, wenn es bei der Wahl ein Minus gibt - sprich wenn Sie unter 12 Prozent fallen. Was haben Sie für einen Plan B für so einen Fall - oder war das nicht ernst gemeint?
Politiker beginnen herumzuschwurbeln, wenn diese Frage gestellt wird. Und man übersieht, dass es eine Selbstverständlichkeit ist, dass, wer Wahlen gewinnt, regiert und wer sie verliert nicht. Aber: Ich werde die Wahlen gewinnen. Wir sind weit und breit davon entfernt, über eine Niederlage nur spekulieren zu müssen. Daher finde ich es müßig, mich auf Spekulationen einzulassen, ich würde zurücktreten.
Damit das jetzt kein Herumgeschwurbel wird: Warum haben Sie dann gesagt, Sie würden bei einer Niederlage den Platz für die Jungen freimachen?
Ich war genervt von der ewig gleichen Frage und sagte das, was in meinem Herzen lag. Ich bin seit 20 Jahren in der Kommunalpolitik und ich habe diese 20 Jahre sehr gerne für Wien gearbeitet und will das auch in den nächsten Jahren gerne tun. Es ist mein dritter Wahlkampf und wir werden gewinnen - so einfach ist das.