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"Wir können nie genug sein!"

Von Elisabeth Minkow

Politik

Ehrenamtliche Mitarbeiter in Hilfsvereinen sind meist Studenten.


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Wien. Der Verein Kama basiert zu 100 Prozent auf ehrenamtlicher Arbeit. Asylbewerber haben hier die Möglichkeit, Kurse ihren Fähigkeiten entsprechend abzuhalten - Koch-, Tanz- oder Sportkurse etwa. Bezahlung gibt es keine, dafür eine freiwillige Spende der Seminarteilnehmer. Das klappt nur durch viel organisatorische Arbeit: Bei Kama sind freiwillige Helfer für Einzelveranstaltungen ebenso willkommen wie Langzeitpraktikanten. An Interessenten mangelt es nicht: "Die Nachfrage ist tatsächlich enorm. Fast jede Woche organisieren wir Infoabende für neue ehrenamtliche Mitarbeiter", erzählt Kama-Gründerin Sonja Pargfrieder. Bei der Organisation der Kurse undder Schulworkshops, PR, Buchhaltung und Sponsoring, Events, Sekretariat und Garten kann man sich einbringen.

Die Aufgaben sind nichts für Anfänger. Viele Bereiche erfordern fundierte Fachkenntnisse, weshalb es nicht verwundert, dass gerade Studenten besonders gebraucht werden. Tatsächlich sind fast alle, die sich für diese freiwillige Arbeit interessieren, Studierende. Besonders beliebt ist die Organisation bei jenen, die sich ihr Engagement als Praktika in ihren Studienfächern anrechnen lassen können, wie etwa beim Fach "Internationale Entwicklung".

Eine von ihnen ist Catherina. Während eines Kama-Projekts hat sie Michael Genner, Obmann von Asyl in Not, kennengelernt und erfahren, dass auch dort die Möglichkeit eines Praktikums besteht. Ein Jahr später war sie mit dabei. Dass ihre Arbeit wieder einmal unbezahlt ist, macht ihr nichts aus. "Die haben selber nicht viel Geld, und es ist klar, dass es für eine gute Sache ist." Ihre Motivation sei der Kampf gegen den Rassismus. "Außerdem überlege ich mir, ob ich nach meinem Bachelor einen Master in internationalem Recht mache. Da ist es gut, wenn ich jetzt schon etwas über die Strukturen des Fremdenrechts und der Asyl- und Fremdenpolitik erfahren kann." Bei Asyl in Not geht es allerdings um einiges strenger zu als bei Kama, denn es handelt sich um eine Rechtsberatung, in der gerichtliche Urteile angefochten werden. Professionalität ist oberstes Gebot.

Die Chefin der Rechtsabteilung Judith Ruderstaller sieht die Praktikanten als große Entlastung: "Sie sind eine wichtige Stütze. Ich bin sehr froh, wenn mir der Telefondienst abgenommen wird. Ohne die Praktikanten hätten wir weniger Zeit, müssten Klienten ablehnen." Die Arbeit bei Asyl in Not erfordert starke Nerven, was einige nach kurzer Zeit dazu bewegt, wieder aufzuhören. Niemand wird gezwungen, eine bestimmte Anzahl an Stunden "abzuarbeiten". Die Organisationen haben Verständnis dafür, dass ihre Freiwilligen und besonders Studenten oft Nebenjobs zur Finanzierung ihres Studiums und ihrer Praktika haben. Ärgerlich ist es allerdings, wenn sie sich nicht abmelden und für längere Zeit einfach verschwinden.

Ruderstaller und Pargfrieder sind sich einig, dass Antriebslosigkeit oder mangelnde Motivation die Arbeit eher behindern als Nutzen bringen. Wie bei Kama deckt die Anfrage nach Praktikumsplätzen auch bei Asyl in Not den Bedarf an Praktikanten ab, ohne dass dafür geworben werden müsste. Allerdings kommt es während der Semesterferien und in Prüfungsphasen hin und wieder zu Engpässen. Ein vorhersehbarer Nachteil bei der Beschäftigung von Studenten.

Auch Kritik an Praktika

Eine kritischere Haltung nimmt Herbert Langthaler ein, Rassismus-Experte der Asylkoordination Österreich und Chefredakteur von "Asyl Aktuell". "Wir sind eigentlich keine Freunde von diesem Praktikumszeug. Das ist irgendwie Teil dieser ganzen prekären Arbeitsverhältnisse, die heutzutage überhand nehmen und wo wir eigentlich aus politischer Überzeugung dagegen sind. Andererseits sehen wir das als ehrenamtliche Mitarbeit, so wie wir das zum Teil auch im Vorstand ehrenamtlich machen."

Um unbezahlten Praktikanten etwas über die üblichen Büroarbeiten hinaus bieten zu können, werden Seminare organisiert, in denen fachspezifisches Wissen für den Asylbereich vermittelt wird. Ein weiteres Problem sieht Langthaler auch darin, dass gerade der Asylbereich rechtliche Expertise erfordert oder "soziales Kapital", worüber junge Leute oftmals noch nicht verfügen. Ihnen fehlten die Netzwerke, um die erforderlichen Leistungen selbstständig erbringen zu können.

Trotz der knappen Mittel kann ein Praktikum laut Langthaler zu einem Angestelltenverhältnis führen. Dafür muss der Praktikant allerdings in der Lage sein, sich seinen Job selbst zu schaffen. "Das wäre auch bei uns möglich. Nur wenn die Leute die Arbeitsbedingungen sehen, haben sie wenig Lust und gehen tendenziell doch eher zu Betrieben, die bessere Bedingungen bieten können."

Judith Ruderstaller fing 2007 als Praktikantin bei Asyl in Not an. "Rascher Aufstieg, kann man sagen. In der zweiten Woche hab ich meine erste Berufung geschrieben." Nach ihrem Jus-Abschluss wurde sie angestellt. Ihr Gehalt bewegt sich jedoch im unteren Bereich. "Reich werden wir davon nicht, aber wir können davon leben." Die Motivation sei, etwas Schönes und Sinnvolles zu machen. Die meisten, die sich im Asylbereich engagieren, seien von der Politik frustriert. Viele wollen auch eine sinnvolle Praxiserfahrung machen. Jene Organisationen, die ohne staatliche Hilfen auskommen und somit unabhängig sind, werden mit Hilfe zahlreicher freiwilliger Studenten auch weiterhin "gegen den politischen Wahnsinn das Asylwesen betreffend protestieren. Wir sind das Dorf, das hinter dir steht, wenn du in Schwierigkeiten bist", sagt Sonja Pargfrieder.