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Außenamt drängt auf Information, syrische Behörden antworten nicht.
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Damaskus. Das Schicksal des am Sonntag in Syrien verschwundenen Österreichers Jamal Orabi ist weiter völlig ungewiss. Das Außenministerium hat das syrische Außenamt am Montag dringend um Aufklärung gebeten, Kontakt wurde auch mit der syrischen Botschaft in Wien aufgenommen. Auf eine Antwort warte man bisher aber vergebens, so Außenamtssprecher Martin Weiss gegenüber der "Wiener Zeitung": "Wir wollten wissen, was der Hintergrund der Inhaftierung Orabis ist, wo er sich aufhält und wie es ihm geht. Antwort haben wir keine bekommen", so Weiss. Selbst die Festnahme des Österreichers sei von den syrischen Stellen nicht bestätigt worden. "Wir drängen auf eine Antwort."
Die Kontaktaufnahme mit den syrischen Stellen erfolgt über die libanesische Hauptstadt Beirut, wo sich österreichische Diplomaten befinden. "Wir wissen, dass Orabi festgenommen wurde, von wem, können wir nicht mit Sicherheit sagen", so Weiss. Es liege aber nahe, dass der 47-jährige gebürtige Syrer, der Familie in Österreich hat, von Angehörigen des Militärgeheimdienstes in der Wohnung seiner Schwester in Aleppo festgenommen worden sei. Diese Information stammt von "Humanic Relief", einer Hilfsorganisation mit Sitz in Wien, für die Orabi Medikamente nach Syrien transportiert hat. Die NGO betreibt Projekte in Syrien, Ägypten, Somalia und im Irak.
"Humanic-Relief"-Sprecher Ahmed Elmatbouly hat wie das Außenamt keine gute Nachrichten für die Angehörigen des Verschleppten. "Wir sind auf der Suche nach ihm, aber er ist spurlos verschwunden", so Elmatbouly. "Wir hoffen, dass es spätestens am Mittwoch Neuigkeiten gibt."
"Kannte die Gefahr"
Orabi war kurz vor seinem Verschwinden allein mit einem Krankenwagen an die syrisch-türkische Grenze gefahren, um dort medizinische Geräte, Medikamente und den Krankenwagen abzuliefern. Dann sei er zurück nach Aleppo gefahren, um seine Familie zu besuchen, so "Humanic-Relief". Die Ungewissheit wird jetzt vor allem für die Angehörigen immer unerträglicher - Orabi hat seine Ehefrau und sechs Kinder in Österreich. Aktiv könne man nichts unternehmen, meint Elmatbouly, "wir können nur beten". Die Verwandten in Aleppo hätten Kontakt mit den syrischen Behörden aufgenommen, offenbar stoßen auch sie auf eine Mauer des Schweigens.
Dem Verschollenen sei klar gewesen, heißt es, in welche Gefahr er sich begibt. "Er wusste Bescheid, er ist Syrer", so Elmatbouly gegenüber der "Wiener Zeitung". Orabi habe seine Angehörigen in Aleppo schon zwei, drei Jahre nicht gesehen, man habe ihn vom Besuch nicht abhalten können. In der Stadt stehen sich seit Monaten Armee und Rebellen in heftigen Kämpfen gegenüber, Granaten schlagen regelmäßig in Wohnviertel ein, Assads Sicherheitsleute nehmen jeden mit, der irgendwie verdächtigt wird, die Opposition zu unterstützen. Der Umstand, dass Orabi Hilfsgüter in den Norden des Landes geführt hat, dürfte ihn in den Augen der Assad-Treuen zum Staatsfeind gemacht haben.
Letzte Meldungen aus Syrien machen den Angehörigen und Freunden Orabis ein wenig Hoffnung: Fünf ausländische Journalisten, die von Assad-Leuten verschleppt worden waren, konnten jetzt von Rebellen unverletzt befreit werden. Unter den Entführten befinden sich der US-amerikanische Reporter Richard Engel und der Kameramann John Kooistra. Die Journalisten wurden vor etwa einer Woche von bewaffneten Assad-Anhängern angehalten und mitgenommen. Der Befreiung ging ein Gefecht zwischen Entführern und Rebellen voraus, zwei Kidnapper starben.
Die Lage in Syrien wird mit jedem Tag chaotischer, nun machen auch Banden Jagd auf Ausländer. Zuletzt wurden zwei Russen und ein Italiener verschleppt, die Entführer fordern Lösegeld. Die Täter hätten sich telefonisch bei der Stahlfirma in einem Industriegebiet nahe der Stadt Homs gemeldet, für die die Männer arbeiten, so das russische Außenministerium. Die drei sind auf der Straße zwischen Tartus und Homs entführt worden. Moskau hat bereits Kriegsschiffe entsandt, um die tausenden in Syrien befindlichen Russen im Notfall evakuieren zu können.