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Ökonom Zuleeg: "Hilfe für Rückkehr auf Märkte fehlt." | "Problemländern fehlt Geld für wichtige Investitionen." | Brüssel. Das Euro-Paket steht: Auf dem EU-Gipfel, der heute, Donnerstag, startet, werden die Staats- und Regierungschefs ihre Einigung über die Stabilisierung der Eurozone verkünden. Ist damit endgültig der Ausweg aus der Schuldenkrise gefunden?
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Der letzte Schritt ist damit kaum getan: "Wir sind immer noch beim Krisenmanagement und überlegen zu wenig langfristige Lösungen", warnt Fabian Zuleeg, Chefökonom der Brüsseler Denkfabrik "European Policy Centre" (EPC) im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Vorerst würden die Beschlüsse ein positives Signal an die Märkte senden. "Die Frage ist, wie lange das genügt", meint er.
Papiere nicht attraktiv
Die Euro-Rettungsschirme helfen den klammen Ländern vorläufig bei der Abwendung der finanziellen Krise. Ihrer Bewertung auf den Märkten helfen sie aber nicht, so Zuleeg: "Irgendwann muss es eine Rückkehr auf die Märkte geben." Das werde nicht gelingen, ohne dass vorher in Zukunftssektoren für mehr Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit investiert würde. Dass die Anleihen des dauerhaften Rettungsschirms "European Stability Mechanism" (ESM) bei der Schuldentilgung vorrangig gegenüber anderen Investoren behandelt werden, hebt laut Analysten die Attraktivität der Staatspapiere von Problemfällen wie Griechenland oder Irland nicht gerade. Seit Bekanntgabe der ESM-Einigung zu Wochenbeginn sind die Risikoaufschläge für portugiesische, irische und griechische Anleihen deutlich gestiegen.
So "können wir uns nur Zeit kaufen", meint Zuleeg. "Früher oder später müssen sehr viel tiefer gehende Probleme gelöst werden." Vor allem die Wettbewerbsfähigkeit mancher Euroländer müsse verbessert werden. Beschlüsse wie die Verschärfung des Euro-Stabilitätspakts und der "Euro- Plus-Pakts" gingen zum Teil in die richtige Richtung.
Doch Reformen in den schwächeren Euroländern alleine seien nicht genug. "Sie brauchen mehr Geld, um Investitionen zu tätigen." Das könne nur von den reicheren Staaten kommen und müsse über die europäische Ebene kanalisiert werden. Bei den Zuwendungen durch die Euro-Rettungsschirme sei der Spielraum zu eng.
Schuldenerlass ist nötig
Mittelfristig werde es nicht ohne Umstrukturierung mancher Staatsschulden gehen, prognostiziert Zuleeg - samt Teilerlass der Schulden. Griechenland könne mit seinem steigenden Schuldenstand und sehr hohen Refinanzierungsbedarf seine Außenstände auf lange Zeit kaum zurückzahlen können. Man müsste sich mit den Gläubigern inklusive Banken zusammensetzen und die Möglichkeiten diskutieren, empfiehlt der EPC-Chefökonom. Das Ergebnis müsse den Märkten als Gesamtpaket präsentiert, öffentlicher Streit tunlichst vermieden werden.
Damit sei aber nicht vor 2013 zu rechnen; der politische Wille, die Griechen über die Rettungsfonds weiterhin zu finanzieren, sei derzeit größer. Schwer zu beurteilen sei die Auswirkung der Umschuldung auf die Finanzinstitute. "Es ist sehr schwierig herauszufinden, wie viele der Staatsanleihen wirklich im Besitz der verschiedenen Banken sind", so Zuleeg. "Generell hat sich der Finanzmarkt aber weitgehend wieder erholt und könnte einen geordneten Prozess ertragen. Es geht ja nicht darum, diese Staatsanleihen gesamt abzuschreiben, sondern einen noch überschaubaren Verlust hinzunehmen."