Hat Überwachung auch Vorteile für die Bürger? Definitiv, sagt Andrey Belozerov, Berater der Moskauer Stadtregierung.
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Barcelona. Umweltprobleme, starkes Bevölkerungswachstum, teure Wohnungen. Die Städte platzen weltweit aus ihren Nähten. Um die Probleme zu lösen, setzen sie auf das Konzept Smart City. Egal ob in Buenos Aires, Wien oder Shanghai. Smart City ist überall. Ressourcen sollen dabei mit dem Einsatz digitaler Möglichkeiten effektiv genutzt werden. Während in Wien die Umsetzung nur schleppend vorangeht, ist man in Moskau einen Schritt weiter. Was man in der russischen Hauptstadt unter Smart City versteht, erklärt der Strategie- und Innovationsberater der Moskauer Stadtregierung, Andrey Belozerov der "Wiener Zeitung" am Rande des Smart-City-Weltkongresses in Barcelona.
"Wiener Zeitung": Herr Belozerov, Smart City ist mittlerweile ein weiter Begriff. Wie ist er für Moskau definiert?
Andrey Belozerov: Für uns geht es darum, die Bürger in den Mittelpunkt zu stellen. Wir haben vor sieben Jahren ein Smart-City-Programm implementiert. Das Leben der Moskauer soll billiger, schneller und gesünder werden.
Was beinhaltet dieses Programm?
Es beinhaltet drei Teile. Erstens will sich die Stadt in den Dienst ihrer Bürger stellen. Die Bürger sollen mitbestimmen, wie ihre Stadt aussehen soll. Zweitens soll die städtische Verwaltung effizient sein. Die Bürger sollen mit der Stadt digital in Kontakt treten können. Derzeit sind bereits 200 Services in elektronischer Form verfügbar. Der dritte Teil dreht sich um die Infrastruktur. Mehr öffentlicher Verkehr, WLAN im öffentlichen Raum, Videoüberwachung, der Aufbau eines Datencenters.
Moskau ist eine autogerechte Stadt mit wenig öffentlichen Flächen. Soll das geändert werden?
Das stimmt. Moskau hat 12 Millionen Einwohner und bis zu drei Millionen Menschen, die täglich rein- und rauspendeln. Viele mit dem Auto. Das ist ein Problem. Wir arbeiten daran, die Anzahl der Autos in der Stadt zu reduzieren.
Mit welchen Maßnahmen?
Wir haben das Projekt Mystreet ins Leben gerufen. Geplant ist eine echte Renovierung des Zentrums. Wir haben hohe Parkgebühren eingeführt, reduzieren Fahrbahnen und bauen darauf Busspuren und Fahrradwege. Auch die Gehsteige haben wir massiv verbreitert. Wir investieren auch eine Menge Geld in den U-Bahnausbau. Jedes Jahr bauen wir das Netz um fünf, sechs Stationen aus. Vor fünf Jahren hatten wir echte Probleme mit Abgasen. Das hat sich mittlerweile verbessert.
Der Gorki Park im Zentrum wurde vor ein paar Jahren mit Blumenbeeten, Wasserspielplätzen und Wiesen neu gestaltet. Bleibt es ein einmaliges Projekt?
Nein. Wir haben vor kurzem mit dem Zaryadye Park sogar einen neuen Park errichtet, den ersten seit mehr als 50 Jahren. Er befindet sich gleich neben dem Kreml. Er wurde vor zwei Monaten eröffnet.
Ein Schwerpunkt im Smart City Programm ist der Bereich Mitbestimmung. Was kann man sich darunter vorstellen?
Wir haben ein elektronisches Abstimmungssystem eingeführt. Es gibt mehr als 500 jährliche Bürgerbefragungen. An die Ergebnisse halten wir uns natürlich. Wenn man die Bürger befragt, muss man genau das umsetzen, was sie wollen.
Worüber dürfen die Moskauer abstimmen beziehungsweise nicht abstimmen?
Es gibt natürlich Fragen, die der Bevölkerung nicht gestellt werden. Neben Budgetfragen sind das politische Fragen. Die Bevölkerung hat die Regierung schließlich gewählt. Diese Verantwortung wollen wir wahrnehmen. Es sind spezielle Fragen, die gestellt werden. Welchen Namen soll eine neue U-Bahn-Station haben, welche Art von Bäumen sollen gepflanzt werden, welche Farbe soll ein Gebäude haben.
Im Rahmen des Programms wurden 160.000 Kameras im öffentlichen Raum installiert. Sie sollen für mehr Sicherheit sorgen, argumentiert die Stadtverwaltung. Die Überwachung der Bürger erreicht dadurch aber neue Dimensionen.
Das ist die große Frage für alle Städte: Dient es der Sicherheit oder wird der Staat zum Big Brother? Nur, wir leben bereits in einer Big-Brother-Welt. Die meisten Menschen haben ein Smartphone, nutzen Facebook und Google. Hier werden eine Menge Informationen gesammelt, manchmal fragen die Unternehmen nicht einmal nach, ob sie diese haben dürfen. Von den Daten profitieren ein paar US-amerikanische und europäische Unternehmen. Warum sollen nicht auch die Städte davon profitieren?
Was haben die Bürger davon?
Wir nutzen das System nicht nur aus Sicherheitsgründen. Es hilft uns im täglichen Management. Wenn es schneit, wissen wir, welche Straßen geräumt werden müssen, wo Mistkübel voll sind oder welche Fassaden von Gebäuden renoviert gehören. Außerdem haben wir das System für die Bürger geöffnet. Wenn man zum Beispiel einen Kratzer auf seinem Auto hat, kann man einen Antrag stellen, um das Video zu bekommen. Auf dem Video sieht der Autobesitzer dann, wer es war. Die Kameras sind nicht nur für Big Brother, sondern auch für die Bürger.