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Ökonom Max Otte: Staatsfonds sollte in Aktien investieren. | Größtes Risiko sind USA und Japan - noch vor Europa.
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"Wiener Zeitung": Wie berechtigt sind Ängste vor einem Rückfall in die Rezession?
Max Otte: Die Sorgen sind völlig berechtigt. Wir haben versucht, die letzte Krise 2008 durch mehr und noch mehr Schulden und Liquidität zu vermeiden. Jetzt haben wir diese gigantische Schuldenlast und spüren die Nebenwirkungen. Überraschend ist, dass die Panik gerade bei Aktien ausbricht.
Eigentlich verdienen die großen Unternehmen, sogar die Finanzbranche, sehr gut.
Natürlich, der europäische Markt ist unterbewertet. Ich bin in Aktien ziemlich stark engagiert - Aktien sind Sachvermögen und inflationsgeschützt. Viele Unternehmen werden auch durch die nächste Rezession kommen und der Preis ist schon sehr niedrig.
Wie hätte man die große Krise denn bekämpfen sollen, wenn nicht mit Geld für Rettungsmaßnahmen?
Man hätte das Geld sinnvoller einsetzen können - und gleich einen Haircut (Schuldenschnitt, der die Anleger trifft, Anm.) für Staaten machen sollen. Das wäre schmerzhaft gewesen und es wären sicher einige Banken in Bedrängnis geraten. Diese hätte man rekapitalisieren sollen - anstatt Banken pauschal freizustellen. Damit wäre zumindest ein Signal ausgesendet worden, dass man sich bemüht, Marktwirtschaft wiederherzustellen. Im Moment leben wir doch im Sozialismus für Finanzdienstleister.
Immerhin trägt der Finanzsektor zur Griechenland-Hilfe bei. Was halten Sie davon?
Das ist die übliche Feigenblatt-Nummer - wie die Bankenabgabe in Deutschland. Ein symbolischer Beitrag, damit man nicht wirklich was tun muss. Es ist doch ein Witz, dass man diejenigen, welche die Krise zumindest zu 50 Prozent mitverursacht haben, nun freundlich bittet, einen freiwilligen Obolus zu zahlen.
Könnte denn ein größerer Rettungsschirm die Euro-Krise noch eindämmen?
Nein. Wir brauchen schon Stützungsmaßnahmen, aber es muss die Möglichkeit geben, Länder wie Griechenland, die definitiv pleite sind, einer Staatsinsolvenz zu unterziehen. Sonst spart sich die Eurozone kaputt - und das geht auch nicht.
Am Aktienmarkt muss man den Dingen wohl ihren Lauf lassen. Ich bin ein großer Verfechter eines Staatsfonds für Deutschland, Österreich oder die Schweiz - so wie in Singapur oder China. Wir sind strukturelle Überschussnationen. Warum soll denn unser Auslandsvermögen in amerikanische Staatsanleihen fließen? Mit einem Staatsfonds würden wir kräftig österreichische und deutsche Aktien kaufen und damit unsere Pensionen absichern. Der Staat würde damit noch ein Geschäft machen.
Das widerspricht nicht den Gesetzen des Marktes und des Kapitalismus?
Ein Staatsfonds wird von Marktgläubigen sofort als Interventionismus ausgelegt - dass wir Banken retten hingegen nicht. Da ist die Welt etwas komisch.
Und warum soll der Manager eines Staatsfonds nicht genauso intelligent sein können wie jener eines Aktienfonds?
Wo sehen Sie global die größten Risiken?
Ganz vorne sind die USA: Sie sind marode, überschuldet, am Ende, haben nur noch 10 Prozent Industrieproduktion in der Wirtschaft. Da kommt noch eine große Bereinigung. Wobei die USA es immer schaffen, den großen Löschknopf zu drücken.
Was meinen Sie damit?
Geldentwertung. Die US-Politik läuft klar auf eine Inflation des Dollars hinaus. Damit sind sie zumindest ihre ausländischen Schulden los. Der zweite große Krisenherd ist Japan mit Staatsschulden von 250 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Wenn weltweit die Zinsen anziehen, steht auch Japan vor der Staatsinsolvenz. Da steht Europa deutlich besser da, trotz aller Turbulenzen.
Die Hoffnung war, dass boomende Schwellenländer wie China oder Indien den Konjunkturkarren aus dem Dreck ziehen können.
Eine Resthoffnung bleibt, dass die Inlandsnachfrage dort steigt und ein Gegengewicht bildet. Aber wenn die Panik um sich greift und alle Dämme brechen, wird uns auch das nicht retten.
Wie könnte die Wirtschaftspolitik dann reagieren? Noch einmal Schulden machen ist wohl kaum möglich.
Nein. Dann sind wir wieder bei Wirtschaftspolitik à la Roosevelt in den USA und Deutschland 1933: Staatsinterventionismus, Arbeitsbeschaffungs- und Infrastrukturprogramme.
Würde sich der Staat damit nicht auch neu verschulden?
Das kommt drauf an. Wir müssten das an eine intelligente Steuerpolitik knüpfen -derzeit belohnen wir die Reichen und die leistungsfreien Kapitaleinkommen. Das gehört zurückgedreht - genauso wie der spekulative Finanzsektor reguliert gehört.
Die bisherigen Anstrengungen sind Ihrer Meinung nach nicht genug?
Das war Symbolpolitik von vorne bis hinten. Es gibt eine Finanzoligarchie, welche die Politik dominiert und sich selbst die Regeln schreibt. Der Begriff ist nicht von mir: Er wurde schon 1913 in den USA geprägt.
Bestsellerautor Max Otte ("Der Crash kommt") ist deutscher und amerikanischer Staatsbürger, unabhängiger Fondsmanager und seit 2011 Professor an der Karl-Franzens-Universität in Graz.