Russisch-libanesischer Experte über die Gründe für den Konflikt der Kulturen.
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Wien. Wenn es einen Staat gibt, in dem sich die unterschiedlichen Religionen und Kulturen mischen, dann ist das der Libanon. 18 anerkannte Religionsgemeinschaften leben in dem levantinischen Land, unterschiedliche christliche Gruppierungen ebenso wie sunnitische und schiitische Muslime. "Der Libanon ist ein Kreuzungspunkt der Kulturen, ein Laboratorium für Dialog und Antidialog, für Krieg und Frieden", sagt Suheil Farah, Professor an der Staatlichen Universität des Libanon. Farah, Präsident einer neuartigen Internet-Universität für den Dialog der Zivilisationen in Moskau, hat im Vorfeld der Konferenz der UN-Initiative "Allianz der Zivilisationen" in Wien einen Vortrag gehalten. Er weist darauf hin, dass in der Levante Elemente des Rationalismus neben einem stark ausgeprägten Missionarismus existieren. "All das überlappt sich in der Persönlichkeit der Libanesen", sagte Farah am Rande der vom Institut für Rechtsphilosophie, Religions- und Kulturrecht der Universität Wien und dem Russischen Kulturinstitut organisierten Veranstaltung der "Wiener Zeitung".
Die Trennlinien beträfen viele Bereiche. Während beispielsweise die Christen des Libanon an der westlichen Moderne ausgerichtet sind, lehnen viele - aber keineswegs alle - Muslime diese ab. "Das auch deshalb, weil die vom Westen initiierte Moderne auf kolonisatorischem Weg in viele Teile der Erde exportiert wurde", sagt Farah.
Der Kulturwissenschafter sprach in seinem Vortrag von der Gefahr, dass im Nebeneinander der verschiedenen Zivilisationen "Kampf und Konflikt dominieren, dass das Kämpferische ins Innere der eigenen Zivilisation dringt". Zwar sei der Kampf ein "Charakteristikum des Daseins" - nur "stille Träumer", so Farah, könnten dies leugnen -, doch sehe er die Gefahr, dass durch die Lust an der Abgrenzung das Kämpferische ein Übergewicht bekomme.
"Kritischer Blick nötig"
"Gruppen, aber auch Einzelmenschen neigen stark dazu, den Umstand, dass auch bei sich, in der eigenen Seele Böses zu finden ist, wegzuschieben und zu leugnen", deutete Farah ein Hauptproblem im Nebeneinander unterschiedlicher Kulturen an. "Jeder muss jedoch einen kritischen Blick auf sich selbst werfen."
Das sei besonders im Nahen Osten schwierig: Über Generationen hinweg hätten sich im Libanon die fest zementierten historischen Erinnerungen an Krieg und Feindschaft gehalten und tradiert und so immer wieder neue Nahrung gefunden. Diese Konflikte würden daher auch noch längere Zeit bestehen.