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Vor einem Jahr wurden die sogenannten Panama Papers aufgedeckt. Ein Journalistenkonsortium veröffentlichte ein gigantisches Datenpaket der panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca, die maßgeschneiderte anonyme Briefkastenfirmen an Kunden in aller Welt verkauft hatte. Die Enthüllungen lenkten das Interesse auf das Geschäft mit der Geldwäsche. In Island musste der Regierungschef zurücktreten, in vielen anderen Ländern brachte die Causa Licht in ein Geschäft, das sonst im Verborgenen abläuft.
Im EU-Parlament haben wir 2016 den Panama-Untersuchungsausschuss eingerichtet, um die Vorgänge zu untersuchen. Inzwischen haben wir den Ausschuss für ein halbes Jahr verlängert, um ausreichend Zeit zu haben, uns durch die Dokumente zu arbeiten. Es gibt einen Leseraum, in dem wir Abgeordneten die vertraulichen Dokumente sichten können. Um zu verhindern, dass sie an die Öffentlichkeit gelangen, dürfen wir diesen nur ohne Handy und Fotoapparat betreten. Es sind nur - ausnahmsweise - handschriftliche Notizen erlaubt, was unsere Arbeit deutlich erschwert.
Geschwärzte Passagen
Das ist aber nicht die einzige Hürde für unsere Aufklärungsarbeit. Denn die Dokumente sind vielfach geschwärzt. Wenn wir beispielsweise die Protokolle der Gruppe "Verhaltenskodex" - sie beurteilt die Maßnahmen im Unternehmenssteuerbereich für den Europäischen Rat - einsehen, sind die Unterlagen geschwärzt, sobald es interessant wird.
Gerade arbeitet die Gruppe an der Schwarzen Liste von Steuersümpfen. Gebiete, die sich nicht an die Grundregeln für ein faires Steuersystem halten, sollen in einer eigenen Liste aufscheinen und als Strafe Geschäftsbeziehungen mit ihnen erschwert werden. Informationen also, die für unsere Arbeit als Gesetzgeber relevant sind. Details zu den Entscheidungsprozessen erfahren wir dennoch nicht. Nicht nur die Öffentlichkeit hat keinen Zugriff auf die Protokolle, sondern auch wir EU-Abgeordnete bekommen kaum Einblick. Während also wir im EU-Parlament unsere Arbeit vollkommen transparent machen, üben sich die EU-Mitgliedstaaten in Geheimniskrämerei. Auch das österreichische Finanzministerium ging bisher eher mit schlechtem Vorbild voran. Aufgrund unseres Drucks wurde im Oktober 2016 endlich das Bankgeheimnis abgeschafft, und mit Jahresbeginn startete der automatische Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden.
Ein weiteres Beispiel: Viele Staaten bieten Großunternehmen maßgeschneiderte Pakete, um ihren Steuerbeitrag zu reduzieren. Beliebt sind etwa Patentboxen, in denen Unternehmen Lizenzen bündeln und für deren Verwendung sie sich von ihren Tochterfirmen Lizenzgebühren bezahlen lassen. Die Einnahmen daraus sind in manchen Staaten nahezu steuerfrei. Viele Konzerne nutzen das, um Steuern zu vermeiden. Wenn wir wissen wollen, welche Maßnahmen die EU-Staaten dagegen planen, dann sind die Unterlagen geschwärzt, sobald es ins Detail geht. Das muss sich ändern, denn unsere Untersuchungsarbeit kann nur erfolgreich sein, wenn wir Zugang zu allen Dokumenten haben.
Schlupflöcher stopfen
Ändern müssen wir auch den Umgang mit Zeugen, denn diese entziehen sich häufig unserer Befragung. Einer der Schwerpunkte des Panama-U-Ausschusses ist die Rolle der Mittelmänner, also der Banken, Wirtschaftsprüfer und Berater, die die dubiosen Geschäfte vermitteln. Trotz Verstrickungen im Panama-Skandal sehen es etwa die Schweizer Banken UBS und Credit Suisse nicht als notwendig an, vor dem Ausschuss zu erscheinen.
Trotz dieser Hürden ist uns einiges gelungen. Wir haben gesehen, dass bisherige Maßnahmen wie die Geldwäscherichtlinie wichtige Schritte sind, aber es noch weitere Lücken gibt. Wir haben gelernt, dass die Finanzintermediäre eine viel wichtigere Rolle spielen, als wir bisher angenommen haben. Ohne sie wäre Steuerpiraterie nicht möglich. In den nächsten Monaten wollen wir weitere Schlupflöcher ausfindig machen und Maßnahmen für strengere gesetzliche Regulierungen vorschlagen.
Steuerdeals machen alle ärmer
Vor allem haben wir aber eine Öffentlichkeit für das gesellschaftliche Übel der Steuervermeidung geschaffen. Es ist ungerecht, dass kleine Unternehmen die volle Steuerlast tragen, während sich große maßgeschneiderte Minimalsteuersätze zimmern und Staaten gegeneinander ausspielen. Die EU-Länder sehen zwar, dass ihnen immer mehr Einnahmen fehlen, versuchen aber oft, auf Kosten ihrer Nachbarstaaten zu profitieren. Am Ende machen uns die schmutzigen Steuerdeals aber alle ärmer. Eine Billion Euro pro Jahr entgeht den EU-Staaten an Steuereinnahmen. Geld, mit dem wir den Europäischen Sozialfonds um das 125-Fache aufstocken könnten, um Armut und Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Würden wir das Geld der Steuertrickser eintreiben, könnten wir locker in Wachstum, Beschäftigung, Forschung und bessere Ausbildungsmaßnahmen investieren. Zugverbindungen könnten ausgebaut und Schulen mit Laptops ausgestattet werden, Sozialleistungen wie die Mindestsicherung müssten nicht gekürzt werden.
Deshalb ist es so wichtig, dass wir diese Machenschaften aufdecken. Unsere Aufgabe besteht daher auch darin, die Arbeit von Whistelblowern und Journalisten zu stärken und sie vor strafrechtlicher Verfolgung zu schützen. Dass die bedeutungsvolle Arbeit der Investigativjournalisten in der Aufklärung der Panama Papers diese Woche mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurden, ist ein richtiges Zeichen der Wertschätzung.
Die Arbeit im Panama-Papers-U-Ausschuss zeigt, dass es enorme Widerstände dagegen gibt, den Multikonzernen, reichen Privatpersonen und ihren Mittelsmännern bei der Steuerpiraterie das Handwerk zu legen. Aber Politik ist das Bohren dicker Bretter, und ich bin mir sicher, dass es uns hier gelingen wird, politisch voranzukommen. Schon bei den Luxleaks-Sonderausschüssen ist es uns gelungen, politische Verbesserungen zu erzielen. Auch bei den Panama Papers wird es Fortschritte geben - so lange, bis wir die windigen Geschäfte der Steuerpiraten abgedreht haben.
Zum Autor
Evelyn
Regner
ist SPÖ-Delegationsleiterin im EU-Parlament und Mitglied im dortigen U-Ausschuss zu den Panama Papers.