Die Mehrheit der Bioethikkommission spricht sich für eine Liberalisierung bei Beihilfe zum Suizid aus.
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Wien. Die Bioethikkommission des Kanzleramtes hat sich gleichzeitig mit der von der Regierung initiierten und seit Jänner abgeschlossenen Enquete mit dem Thema Sterbehilfe befasst. In den wesentlichen Fragen kam man zu gleichen Antworten, wie am Donnerstag aus den Empfehlungen der Kommission hervorging.
Nämlich, dass der Hospiz- und Palliativbereich flächendeckend ausgebaut werden muss. "Hier sehen wir einen dringenden Bedarf", sagte die Kommissions-Vorsitzende Christiane Druml. Derzeit würden 321 Betten, 237 mobile Teams und sechs Tageshospize bis zum Jahr 2020 fehlen, hat der Dachverband Hospiz errechnet. Bis Ende 2015 sollten laut Dachverband Weichen gestellt und die Qualität in allen Einrichtungen und Teams, die nicht voll ausgestattet sind, auf ein einheitliches Niveau gebracht werden. Priorität hat außerdem die Versorgung von Kindern. Am Geld dürfe es dabei nicht scheitern. Weder beim Ausbau noch für die Versorgung aus Sicht des Betroffenen. Das war der allgemeine Tenor während der Enquete, der freilich Mitglieder der Bioethikkommission als Zuhörer beigewohnt haben.
Mehr Rechtssicherheit
Hinzu kommt die Forderung nach einer verstärkten Ausbildung im Bereich Palliativmedizin, der Schmerzlinderung, um die Versorgung zu intensivieren. Auch sollen die finanziellen und formalen Hürden für die Errichtung einer Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht niedriger werden. Schließlich können damit lebensverlängernde Maßnahmen abgelehnt werden. Diese Instrumente nutzen nur sechs Prozent der Österreicher. Mit dem Vorsorgedialog des Dachverbands Hospiz soll sich das ab Mitte des Jahres zumindest in Pflege- und Altenheimen bundesweit ändern. Generell plädiert die Kommission dafür, dass medizinische Interventionen am Lebensende vermieden werden, die ein sich abzeichnendes Sterben unnötig und zum Leid des Patienten in die Länge ziehen.
Bezüglich Rechtssicherheit: Die fehlt der Bioethikkommission bei den gegenwärtigen Sterbehilfe-Begriffspaaren aktiv-passiv und direkt-indirekt seit Langem. Um Klarheit zu schaffen, möchte sie den Begriff "Sterbehilfe" vermeiden und wie folgt unterscheiden: Aktive, passive und indirekte Sterbehilfe sollen durch die Termini "Sterbebegleitung", "Therapie am Lebensende" und "sterben lassen" ersetzt werden. Hinzu kommt die Mitwirkung am Selbstmord sowie die Tötung auf Verlangen. Beides ist in Österreich verboten und wird mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren versehen.
Mit diesen Verboten hat sich die Kommission im Gegensatz zur Enquete deutlich stärker befasst. Vor allem mit einer möglichen Straffreiheit bei Beihilfe zum Suizid, den der Patient, was oft übersehen wird, selbst durchführt. Alles andere soll verboten bleiben. Etwa Überredungen zum Suizid.
Derlei Überlegungen gab es in der Enquete der Regierung nicht. Zu "heiß" war der SPÖ dieses Thema, sagte deren Justizsprecher Hannes Jarolim zur "Wiener Zeitung". Und angesichts dessen, dass sich die ÖVP für ein Sterbehilfeverbot in der Verfassung starkmachte, konnte die SPÖ in dieser Frage nicht mit dem Koalitionspartner rechnen. Die Volkspartei hätte das laut Jarolim niemals zugelassen. Neos und Grüne prangerten das in der letzten Sitzung an und sprachen sich für eine Diskussion über eine Liberalisierung des Passus aus. Nach der Enquete sprang schließlich auch die SPÖ auf den Liberalisierungs-Zug auf.
Die Kommissions-Vorsitzende Druml befindet jedenfalls, dass der Paragraf 78, Beihilfe zum Suizid, "überdacht werden" sollte. Neben ihr unterstützen 15 der 25 Mitglieder das. Laut Bericht sei es "angebracht, für Angehörige und persönlich nahestehende Personen eine Straflosigkeit vorzusehen". Und zwar wenn diese an einer unheilbaren, zum Tode führenden Erkrankung leidet und ein Sterben absehbar ist. "Dadurch soll vermieden werden, dass Angehörige, nahestehende Personen und Ärzte kriminalisiert werden, die aus Loyalität oder Mitleid gegenüber der Person Unterstützung leisten." Kommerzielle Tendenzen lehnt die Kommission ab.
Acht Mitglieder sehen eine mögliche Regelung in Ausnahmefällen wiederum als problematisch an und empfehlen keine Änderung im Strafrecht. "Die Frage ist, wie man angemessen damit umgeht", sagte Kommissions-Mitglied Walter Schaupp. Assistierter Suizid sollte nicht zum Normalfall werden, erklärte der Theologe. "Fakt ist: Wir müssen diese Diskussion führen", sagte Druml. "Auch wenn Themen schmerzhaft sind, darf man sie nicht einfach ausblenden."
Keine Verfassungsverankerung
Eine Mehrheit gibt es aus heutiger Sicht für eine Änderung aber nicht. Neben der SPÖ sind nur Neos und Grüne dafür. Die ÖVP, FPÖ und das Team Stronach lehnen die Beihilfe zum Suizid ab. Auch die Ärztekammer sprach sich wieder einmal dagegen aus. Was sagt Druml dazu? "Das beschäftigt uns nicht. Wir sind zu einem Ergebnis gekommen. Ob es umgesetzt wird, liegt nicht in unserer Hand." Beibehalten werden soll das Verbot bei Tötung auf Verlangen.
Wer für eine Liberalisierung plädiert, ist logischerweise gegen eine verfassungsrechtliche Verankerung eines Sterbehilfeverbots, wie sie die ÖVP fordert. Druml lehnte das ab. Die gesetzlichen Abstufungen wären dann schwer möglich. Die Zweidrittelmehrheit für die Verfassungsänderung wird der Volkspartei dafür wie es scheint fehlen. SPÖ, Grüne und Neos lehnten eine Verfassungsänderung bisher restriktiv ab.