Zum Hauptinhalt springen

Wir müssen es besser machen!

Von Sarah Easter

Gastkommentare
Sarah Easter ist Emergency Communications Officer bei Care Österreich.
© Care

Im größten Flüchtlingscamp Afrikas leben manche bereits seit Jahrzehnten. Nicht nur hier sind die Zustände schrecklich.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 1 Jahr in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

"Ich will nur einmal die moderne Welt sehen", erzählt mir die 36-jährige Saruro aus Somalia. Seit mehr als dreißig Jahren ist das Flüchtlingscamp Dadaab in Kenia ihr Zuhause. Insgesamt leben 330.000 Menschen hier, es ist das größte Flüchtlingscamp in Afrika. In jüngster Zeit sind so viele Menschen hier eingetroffen, dass die wenigen Ressourcen nicht mehr ausreichen.

Ich beobachte, wie Frauen einander gegenseitig schubsen, um an den Wasserhahn zu gelangen, der nur eine begrenzte Menge Trinkwasser ausgibt. Eine Mutter gibt ihrem kleinen Buben eine Schale mit Schlammwasser aus den Pfützen, da sie kein sauberes Trinkwasser für ihn hat. Kinder schlafen draußen unter freiem Himmel, weil in der Unterkunft, die ihre Eltern für die Familie aus alter Kleidung und Ästen gebaut haben, nicht genug Platz ist. Das Camp ist überfüllt und beherbergt das Dreifache der Menschen, für die es gedacht war.

Es gibt zu wenig zu essen für die Menschen in Dadaab. Jede Person erhält nur noch 80 Prozent ihrer Lebensmittelrationen. Voriges Jahr waren es zeitweise nur 50 Prozent. Diese Zahl ist unvorstellbar für mich. 50 Prozent der Nahrungsmittel für Menschen, die hungern. Kinder, die unterernährt sind. Familien, die wochenlang durch die Wüste gelaufen sind, in der verzweifelten Hoffnung, irgendwie zu überleben. Selbst mit 100 Prozent der Lebensmittelrationen reicht es kaum für eine Mahlzeit am Tag. Wie sollen sie mit der Hälfte davon überleben?

Es gibt nicht genug finanzielle Mittel für Dadaab oder die hier arbeitenden Organisationen. Die internationale finanzielle Unterstützung ist im Laufe der Jahre immer geringer geworden. Die Aufmerksamkeit der Medien nimmt ab, die Spenden versiegen. Und die Familien in Dadaab gehen jeden Abend hungrig schlafen.

Meine erste Reaktion ist Wut. Warum interessiert es niemanden, was hier passiert? Ich bin 32 Jahre alt, fast genauso alt wie das Camp selbst. In den vergangenen drei Jahrzehnten stand Saruro jeden Monat in der Schlange für die monatliche Essensration, weil es für sie keine andere Möglichkeit gibt. Sie kann wegen des anhaltenden Konflikts, des Mangels an Lebensmitteln und Einkommen nicht nach Somalia zurückkehren. Und sie kann das Camp nicht verlassen.

Ohne finanzielle Hilfe gehen die Nahrungsmittel aus

Als ich als Kind zur Schule ging, wartete Saruro jeden Monat auf Essen. Während ich zur Universität ging, hoffte sie, genug zu bekommen, um sich und ihre Familie zu ernähren. Während ich meinen ersten Job antrat, öffnete sie ihren Sack, und ein Mitarbeiter einer humanitären Organisation schöpfte Weizen hinein. Voriges Jahr erhielt sie 50 Prozent ihrer Lebensmittelration und ging hungrig zu Bett. Und Anfang nächsten Monats wird sie wieder hier stehen und auf ihre 80-prozentige Essensration warten, in der Hoffnung, dass sie im nächsten und übernächsten Monat immer noch genug zu essen bekommt, um zu überleben.

Care verteilt zusammen mit dem Welternährungsprogramm weiterhin Nahrungsmittelhilfe an alle Flüchtlinge. Wenn es aber keine neue finanzielle Unterstützung gibt, um den gestiegenen Bedarf zu decken, werden die Nahrungsmittel viel früher ausgehen. Bisher sind nur 2,2 Prozent der benötigten Mittel für Geflüchtete in Kenia finanziert, das ist eine Summe von nicht einmal eine Million US-Dollar. Weitere 42 Millionen Dollar werden benötigt, damit die Familien genügend Nahrung, Wasser, Unterkünfte, Gesundheitsversorgung und Latrinen haben.

Meine zweite Reaktion ist die Entschlossenheit, dass wir es besser machen müssen. Wir müssen uns informieren, den Frauen und Männern zuhören, die unsere Aufmerksamkeit brauchen. Wir dürfen nicht wegschauen, sondern wir müssen helfen: Damit Menschen wie Saruro sich keine Sorgen machen müssen, woher ihre nächste Mahlzeit kommen wird. Sondern vielleicht sogar eine langfristige Perspektive für sich selbst, ihre Familien und Nachbarn entwickeln können.