Geld fließt derzeit fast ausschließlich in Leistungen für Krankheit. Das ist der falsche Ansatz.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 2 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Vorarlberg wagt einen Vorstoß zum Thema Pflegelehre. Eines vorweg: Es gibt keinen Mangel an niederschwelligen Einstiegen in einen Sozial- oder Pflegeberuf. Ob freilich 15-jährige mit Krankheitskrisen und Tod nicht doch zum größten Teil überfordert sind, sei dahingestellt. Vorsicht ist auf alle Fälle geboten, damit junge Menschen und ihre Träume nicht frühzeitig "verbrannt" werden.
Ein Thema bei der Pflege ist auch immer das Geld. Viele guten Reformbestrebungen landen wieder in der Schublade - doch jeden Tag, an dem die Pflegereform nicht umgesetzt wird, zahlt der Steuerzahler die Auswirkungen von Einsamkeit und Krankheit. So kostet zum Beispiel ein Tag im Spitalsbett weit mehr als 1.000 Euro. Würde nur die Hälfte davon in Gesundheitsförderung oder Gesundheitskompetenz der Bevölkerung investiert, könnte viel mehr Selbstbestimmung gelebt werden. Es wäre genug Geld da, um Gesundheit zu fördern, statt bloß Krankenpflege zu betreiben. Einem Diabetiker etwa hilft es mehr, wenn er an der Hand genommen wird und mit der Pflegeexpertin einen Gesundheitsplan erstellt. Gesundheitspflege kann auch Bewegung in Walking-Gruppen bedeuten oder Kurse für "genussvolles Kochen mit Diabetes".
Gesundheit muss erlebbar und spürbar werden in Form von gutem Wohl- und Lebensgefühl. Dazu braucht es aber eine völlig andere Herangehensweise, vor allem in der Leistungsabrechnung. Derzeit wird Krankheit belohnt. Spitzenmedizin ist wichtig, zumal bei lebensbedrohlichen Erkrankungen. Solange jedoch Geld fast ausschließlich in Leistungen für Krankheit fließt, wird sich parallel keine Gesundheitskultur entwickeln. Nicht nur Operationen, Ersatzgelenke oder chronische Erkrankungen brauchen Geld, sondern auch Beratung, Case-Management und Autonomie. In unserem System wurden Menschen zu "Abhängigen" erzogen. Wir sind gewohnt, dass man erst bei hohen Pflegestufen Förderungen oder ein Pflegebett bekommt. Dabei brächten kompetente Schulung, Beratung, Begleitung oder Entlastung für pflegende Angehörigen mehr Lebensqualität für den Einzelnen.
Pflegekräfte wiederum müssen die Autonomie des Einzelnen fördern können - wir dürfen nicht Menschen in ein System pressen. Das System muss sich rund um den Menschen aufbauen, mit individuellen Unterschieden zwischen Großstädten und ländlichen Dörfern. Der Sozialraum muss dort entwickelt werden, wo Menschen leben, arbeiten, zur Schule gehen. Doch das wird derzeit kaum gefördert und honoriert. Anstelle der Krankheitsleistung müsste wieder der Mensch ins Zentrum rücken. Der Ergebnisbericht der Taskforce Pflege beinhaltet dazu alle wichtigen Ansätze.
Auf die Politik kommen massive Herausforderungen zu, nachhaltige Lösungen für das Gemeinwohl sind gefragt. Von der Vereinheitlichung des Pflegefinanzierungssystems in allen Bundesländern über die Umsetzung des Prinzips "ambulant vor stationär" bis zur Sozialraumorientierung. Der Wille des einzelnen Menschen muss Ausgangspunkt jedweder Aktivität sein. Pflege muss den Menschen dabei unterstützen, seine eigenen Ziele zu erreichen. Damit wäre allen geholfen.