Spezialisierung als Zukunftsmodell für kleinere Spitäler. | Zu viele Akutbetten, zu wenige Betten für Rehabilitation und Geriatrie. | "Wiener Zeitung": Wie stark wird sich die Wirtschaftskrise auf das Geschäft der Vamed auswirken? | Ernst Wastler: Zum einen wird Ihnen niemand verlässlich sagen können, wie lange die Wirtschaftskrise dauern wird. Faktum ist, sie ist da, allerdings regional sehr unterschiedlich ausgeprägt.
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Diesbezüglich befinden wir uns in einer relativ komfortablen Situation, da wir mit unserer Wertschöpfungskette auf 50 internationalen Märkten tätig sind, was einen gewissen Ausgleich bietet.
Das Gesundheitswesen ist als Wirtschaftssegment vergleichsweise stabil, weil man eine Behandlung oder Operation ja nicht davon abhängig machen kann, ob gerade Hochkonjunktur herrscht oder Rezession.
Aber Investitionen in den Ausbau eines Gesundheitssystems sind doch maßgeblich von den budgetären Möglichkeiten der jeweiligen Staaten oder Gebietskörperschaften abhängig. Und diese öffentlichen Budgets werden aufgrund der Wirtschaftskrise und des steigenden Schuldendienstes in den kommenden Jahren vermutlich deutlich geringer sein, was sich wohl auch auf Ihr Neugeschäft auswirken wird?
Wir profitieren diesbezüglich von unserem Geschäftsmodell, das ja die gesamte Wertschöpfungskette beinhaltet. Im Dienstleistungsgeschäft, dem Betrieb bestehender Gesundheitseinrichtungen, wird es kaum nachteilige Auswirkungen geben. Im Projektgeschäft, also der Planung und dem Bau neuer Einrichtungen, bedarf es natürlich jeweils eines Investitionsschubs der Auftraggeber.
Allerdings gibt es in vielen Staaten riesige Investitionsstaus. Und Neubauten machen es oft möglich, erhebliche wirtschaftliche Potenziale und Synergien zu realisieren, was dann wieder dabei hilft, die Kosten eines Gesundheitssystems zu dämpfen.
Aus Managementsicht herrscht im Gesundheitssystem ein merkwürdiger Widerspruch: Einerseits werden modernste Technologie, Geräte sowie Diagnosemethoden eingesetzt, auf der anderen Seite wird oftmals mit veralteten Prozessen und Abläufen agiert, die in keinem modernen Unternehmen denkbar wären.
Das ist so. Wir haben heute in jeder Universitätsklinik und selbst in den meisten Schwerpunktkrankenhäusern absolute Spitzenmedizin, was eine Leistung der Lehre und der Forschung ist. Und im Zimmer daneben schreibt einer mit dem abgebrochenen Bleistift etwas auf Zettel, wie vor 30 Jahren. Allerdings verbessert sich die Situation doch sehr deutlich, weil die Medizin, glaube ich, erkannt hat, dass ihre Kernkompetenz nicht im gesamthaften Management einer Gesundheitseinrichtung besteht. Es gibt einen immer stärkeren Druck auf Verbesserung der Managementprozesse. Sich mit der Küche, Wäscherei und Reinigung zu beschäftigen, kann nicht die Kernkompetenz eines Krankenhauses sein. Dafür braucht man Logistikprofis.
Trotzdem hinken Spitäler diesbezüglich deutlich hinter jenen Standards hinterher, die in der Wirtschaft üblich sind, was naturgemäß höhere Kosten verursacht.
Zum einen sind Spitäler keine "normalen" Unternehmen, das muss man ganz klar sagen. Zum anderen befindet sich diesbezüglich, auch wegen des Kostendrucks, vieles im Umbruch. Es zeigt sich, dass es durch modernes Ressourcenmanagement und durch gewisse Strukturänderungen möglich ist, ohne Qualitätsverluste wirtschaftlicher zu arbeiten. Das bringt unmittelbare Budgetentlastung.
Dennoch steigen die Kosten des Gesundheitssystems ständig.
Wir müssen uns Gesundheit leisten wollen, aber man kann die vorhandenen Ressourcen jeweils den Gegebenheiten und dem neuesten Entwicklungsstand anpassen und diesbezüglich optimal einsetzen. Wir haben beispielsweise vor drei Jahren vom Berliner Universitätsklinikum Charité den größten Dienstleistungsauftrag erhalten, der je in einem EU-weiten Vergabeverfahren vergeben wurde. Wir sparen hier bei mindestens gleicher Qualität Jahr für Jahr erhebliche Millionen-Euro-Beträge ein.
In der Verwaltung, der Administration und beim Einkauf?
Nicht nur. Das umfasst patientennahe Prozesse wie die gesamte Sterilgut-Aufbereitung und Patiententransporte, aber beispielsweise auch die Beschaffung, Optimierung, Lagerhaltung und Zustellung der Medikamente. Wir sind nicht nur Spezialisten dafür, neue Spitäler zu errichten, sondern auch dafür, in bestehenden Gesundheitseinrichtungen die Abläufe zu verbessern, zu optimieren oder zu erneuern.
Teilen Sie die Ansicht, dass es in Österreich zu viele Krankenhäuser gibt?
Wir haben viele Krankenhäuser, was historische und topografische Ursachen hat. Und wir haben derzeit vermutlich zu viele Akutbetten. Gleichzeitig brauchen wir aber zunehmend mehr Kapazitäten - zum Beispiel für Anschlussheilbehandlungen. Und wenn man die demografische Entwicklung betrachtet, werden wir sehr viel mehr Betten für geriatrische Betreuung brauchen.
Faktum ist aber, dass in Österreich Akutkrankenhäuser betrieben werden, die manchmal nur wenige Minuten entfernt sind. Ein viel zitiertes Beispiel sind die durch eine Landesgrenze getrennten Krankenhäuser in Hartberg und Oberwart.
Es liegt auf der Hand zu sagen, dass Länder oder Gemeindegrenzen keinen Einfluss haben sollten...
...wenn man kein Politiker ist.
Das bin ich nicht. Aber ein Politiker braucht das Vertrauen und den Rückhalt der Bevölkerung, und er braucht Wählerstimmen. Die Frage ist daher: Wie schafft man es, anstatt ein Spital einfach zu sperren und niederzureißen, eine moderne, zeitgemäße und kosteneffiziente Lösung zu finden. Wir haben in enger Abstimmung mit dem Strukturplan Gesundheit des Landes Salzburg in der Gemeinde Oberndorf bei einem 110-Betten-Spital eine Lösung umgesetzt, wo nach der Schließung und Verlegung der Geburtshilfe nun ein Kompetenzzentrum für Orthopädie und Rehabilitation aufgebaut wird.
In der Diskussion um die Zahl der Spitäler werden gelegentlich Studien zitiert, aus denen hervorgeht, dass in kleinen Spitälern häufig Qualitätsmängel zu konstatieren sind, weil es an der Routine im Umgang mit komplizierten Erkrankungen oder Verletzungen mangelt.
Natürlich spielt die Routine eine wichtige Rolle. Aber auch hier ist das Spital Oberndorf mit seinem Orthopädie-Kompetenzzentrum ein gutes Beispiel. Ein kleines Krankenhaus kann nicht alles machen und überall gleich gut sein. Man muss sich auf bestimmte Gebiete spezialisieren. Ein weiterer Lösungsansatz wird sein, mehrere Krankenhausstandorte unter einer einheitlichen Führungsstruktur zu organisieren.
Und die Aufgaben werden dann auf die einzelnen Standorte verteilt?
Genau. In jedem der Häuser werden Kompetenzschwerpunkte etabliert. Das bringt höchste Qualität statt unnötiger und kostspieliger Doppelgleisigkeiten. Solche Lösungen werden letztendlich bei allen Beteiligten und Betroffenen auf Akzeptanz stoßen. Damit kann man die gewachsenen Strukturen der Gesundheitseinrichtungen für die heutige Zeit adaptieren.
Ein andere, häufig geäußerte Kritik am österreichischen Gesundheitswesen ist der Umstand, dass es keine standardisierte und flächendeckende Qualitätskontrolle gibt.
Es gibt natürlich Qualitätskontrollen. Aber es gibt kein einheitliches, transparentes und flächendeckendes System. In Deutschland beginnen sich sogenannte Qualitätsgemeinschaften durchzusetzen, in denen kommunale, private und kirchliche Spitäler trägerübergreifend und über alle Fachgebiete Ergebnisqualitäten und zum Beispiel ihre Komplikationsraten vergleichen.
In den USA kann jeder Patient die Komplikationsraten eines Spitals für jeden Operationstypus im Internet abrufen. Ähnliches gilt für die einzelnen Ärzte.
Davon sind wir in Österreich noch weit entfernt. Allerdings wird nun zumindest intensiver über Transparenz von Qualitätsstandards diskutiert und die grundsätzliche Akzeptanz ist schon recht weitgehend.
Außer bei der Ärztekammer.
Sprechen Sie mit einem Krankenhaushygieniker, sprechen Sie mit einem Anästhesisten, da gibt es große Akzeptanz.
Aber ist es nicht ein unhaltbarer Zustand, dass ich über jedes Urlaubshotel im Internet Informationen über Qualität und Leistungen erfahren kann, über das Spital, dem ich meine Gesundheit anvertraue, aber nicht?
Das Gesundheitswesen ist in den meisten Ländern der Welt eben kein freier Markt. Wenn Ihnen ein Hotel gefällt und der Preis passt, dann können Sie es buchen und fahren hin. In einem Krankenhaus zählen aber andere Faktoren als die Unterbringung oder die Dienstleistungsqualität, und diese sind wesentlich komplexer zu kommunizieren und wesentlich komplexer zu bewerten. Mit unserer aktuellen Qualitätsdiskussion geht der Trend aber in die richtige Richtung.
Zur Person
Ernst Wastler wurde am 18. 7. 1958 geboren und studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität Linz und der Wirtschaftsuniversität Wien und promovierte 1983.
Seine berufliche Karriere begann er im internationalen Consulting, Engineering und Projektmanagement bei der Austroplan GmbH. Danach wechselte er zur in der Planung, Errichtung und dem Management von Gesundheitseinrichtungen tätigen Vamed-Gruppe, wo er 1998 zum Vorstandsmitglied mit Zuständigkeit für Projekte und Dienstleistungen in Zentraleuropa bestellt wurde.
Seit 2001 fungiert Wastler als Vorstandsvorsitzender der Vamed AG, die im vergangenen Jahr mit rund 2000 Mitarbeitern einen Umsatz von 524 Millionen Euro erwirtschaftet hat und unter anderem für die technische Betriebsführung des Wiener Allgemeinen Krankenhauses verantwortlich ist.
Seit 2008 gehört Wastler auch dem Vorstand des börsenotierten deutschen Vamed-Eigentümers Fresenius an.