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Rosinenpicken ist das Privileg von Kindern und all jenen, denen man aus anderen Gründen irgendwie freimütig zugesteht, sich ein bisschen mehr vom allgemeinen Kuchen einzuverleiben.
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Auch Staaten versuchen mitunter, sich als ewige Rosinenpicker durchs Leben zu schleichen. Deren politische Eliten schreien als Erste "Wir, Wir, Wir", wenn es etwas zu verteilen gibt. Geht es darum zu geben, wird mit allen gebotenen Tricks und Schlichen Schadensbegrenzung betrieben.
Okay, so ist eben alle Welt und jeder seines Glückes Schmied. Nur: Rosinenpicken ist eine Strategie der Unmündigen und kleinen Schwindler. Im Privaten wie im Politischen. Mündige verhalten sich anders. Ihr Grundverhältnis ist auf Augenhöhe, von gleich zu gleich. Und Staaten, die bereit sind, den eigenen Vorteil auch auf Kosten des Gegenübers zu verfolgen, haben ein Imageproblem - zumal innerhalb einer Gemeinschaft, die Solidarität und Gemeinschaftssinn bis zum Exzess predigt.
Österreich sieht sich im Herzen dieses Kontinents. Ein Großteil unserer wirtschaftlichen Dynamik verdankt sich dem Engagement in Ost- und Südost-Europa. Aus dieser Region soll schließlich auch die Zuwanderung kommen, ohne die die Aufrechterhaltung unseres Wohlfahrtsstaates in den nächsten Jahrzehnten nicht möglich sein wird.
Aber trotz all dem und obwohl die Öffnung des Eisernen Vorhangs mittlerweile 22 Jahre zurückliegt, ist das Verhältnis zu unseren östlichen Nachbarn noch immer von emotionalen Vorbehalten belastet. Die Schranken im Kopf sind nach wie vor wirkmächtig. Und die Politik in Österreich tut ihr Möglichstes, dass das auch weiterhin so bleibt.
Die Öffnung des Arbeitsmarktes wurde so lange wie nur irgendmöglich hinausgeschoben. Dass sie jetzt vollzogen wird, geschieht nicht, weil man davon der Richtigkeit überzeugt ist, sondern weil es keine rechtliche Handhabe für eine weitere Abschottung mehr gibt. Wollen würden wir wohl schon, wenn wir bloß könnten. Nichts beweist das besser als das längst peinliche Festhalten der Politik am sinnbefreiten Assistenzeinsatz des Bundesheeres an der Grenze.
Dabei wird dieses Bewusstsein von der Realität auf den Kopf gestellt: Tatsächlich nämlich profitieren längst die armen Regionen Ostösterreichs von den Boom-Zentren jenseits der Grenzen - von Brünn, Bratislava oder Maribor und Laibach.