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"Wir sehen und spüren derzeit noch keine Kreditklemme"

Von Karl Leban

Wirtschaft

Vorerst keine Anzeichen, dass heimische Banken ihr Kreditgeschäft einschränken.


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Wien. Die schärferen EU-Kapitalanforderungen an Europas größte Finanzinstitute haben die Gefahr einer Kreditklemme zuletzt deutlich erhöht. Zumindest in Österreich gibt es momentan aber noch keine Anzeichen für Engpässe bei der Versorgung der Wirtschaft mit Krediten.

"Im Augenblick sehen und spüren unsere Mitglieder keine Kreditklemme", sagt der Sprecher der Wirtschaftskammer (WKO), Rupert Haberson, zur "Wiener Zeitung". Seitens der Banken gebe es auch "keine Ankündigung, Kredite zu verknappen". Haberson: "Die Banken sagen uns, dass sie selbstverständlich jene Kredite zur Verfügung stellen, die die Wirtschaft braucht." Die WKO ist die Interessenvertretung für rund 400.000 österreichische Firmen.

Auch bei Krediten an private Haushalte scheint derzeit nichts im Busch zu sein. Die Arbeiterkammer (AK) sieht jedenfalls keinen Grund zur Besorgnis. "Die großen Banken sagen, dass sie den Kapitalbedarf aus eigener Kraft stemmen, ohne die Bilanzsumme schmälern zu müssen", sagt Werner Muhm, Chef der AK-Wien, zur "Wiener Zeitung". "Also vertrauen wir darauf, dass es keine Kreditklemme geben wird."

Kredite werden 2012 teurer

Womit Firmen- und Privatkunden künftig allerdings sehr wohl rechnen müssen, sind teurere Kredite. Das hat etwa die Erste Bank erst kürzlich für das kommende Jahr angekündigt. Zur Begründung hieß es, dass durch "Basel III" und die neuen Eigenkapitalbestimmungen der Aufsichtsbehörden die Liquiditätskosten für Banken europaweit steigen würden. "Das ist wie beim Benzin. Wenn der Preis für das Rohöl steigt, dann steigt auch der Benzinpreis", erklärt Thomas Uher, Vorstandssprecher der Erste Bank Österreich. Auch bei den anderen heimischen Bankinstituten dürften Kredite über kurz oder lang teurer werden.

Im Gegensatz zu Österreich gibt es im benachbarten Deutschland unterdessen erste Hinweise auf versiegende Kreditflüsse. Erst vor wenigen Tagen hat die Commerzbank Teile ihres Kreditgeschäfts eingestellt. Nun warnt auch die genossenschaftliche DZ-Bank. Deren Chef Wolfgang Kirsch sieht viele Banken ihre Risiko-Positionen zurückfahren, was der Freisetzung von Kapital dient. Das, so Kirsch, könnte dazu führen, dass Kredite für die Realwirtschaft da und dort nicht mehr zur Verfügung stünden.

Das sehr schwierige Marktumfeld trägt ebenfalls zu einem höheren Kreditverknappungsrisiko bei. Banken refinanzieren sich in der Regel über den Kapitalmarkt (mittels Anleihe-Emissionen) und über den Geldmarkt (durch unbesicherte Kreditaufnahme bei anderen Banken). Beide Refinanzierungsquellen sind derzeit massiv gestört. Die Europäische Zentralbank stellt den Banken zwar unbegrenzt viel Geld zum Leitzins zur Verfügung, doch sie refinanziert maximal 12 Monate lang.

Das Schreckensszenario einer Kreditklemme existiert schon seit Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise. Volkswirte befürchten einen Dominoeffekt, der aus dem Finanzsektor direkt auf die Realwirtschaft übergreift. Wenn Banken ihre Kreditengagements verknappen, gehen Investitionen und Konsum rasch und deutlich zurück. Der darauf folgende Abschwung führt im schlimmsten Fall zu einer erhöhten Kreditausfallrate - und zu einer weiteren Verknappung von Krediten.