Die primärversorgenden Hausärzte waren und sind auch in der Corona-Krise für ihre Patienten im Einsatz.
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An der Türe zu unserer Ordination prangt, so wie an den meisten (oder gar allen?) Ordinationstüren, eine unübersehbare Mahnung: "Nicht ohne Aufforderung eintreten!" Ein Graus für jeden Hausarzt. Aber gleich darunter steht: "Wir sind weiterhin für Sie da: Rufen Sie bitte an!"
Das ist wichtig: Wir waren als primärversorgende Hausärzte für unsere Patienten und Patientinnen beinahe vollzählig für die gesamte Dauer der Krise erreichbar. Der Zugang zu Ambulanzen und in den spezialisierten Bereich war eingeschränkt möglich, wir haben das Mögliche getan, um dennoch sichere Versorgung zu bieten, und waren dabei kreativ und flexibel.
Seit die Ärztekammer ihre Warnung aufgehoben hat, wird nun an den meisten Orten wieder hochgefahren - dennoch gelten vielerorts noch Einschränkungen. Der Rückgang der Kontaktzahlen war während der vergangenen Wochen in etlichen Bereich alarmierend und wird, so ist zu befürchten, auf Dauer nicht ohne Folgen bleiben. Natürlich sind nicht alle Konsultationen aus rein medizinischer Sicht sofort notwendig. Aber zum einen gibt es noch andere Sichtweisen als rein medizinische, und zum anderen sind viele Kontakte unterblieben oder aufgeschoben worden, die höchst nötig gewesen wären.
Angst vor Kontakt mit dem Gesundheitssystem
Patienten hatten Angst vor Kontakt mit dem Gesundheitssystem, das macht Gänsehaut: Wer hätte sich das im sicherheitsverwöhnten Mitteleuropa vorstellen können? Das darf nicht sein, und es muss nicht sein. Wer immer ein Gesundheitsproblem hat, möge den Kontakt mit dem medizinischen System suchen: Es darf nur einen einzigen Unterschied zu früher geben: Man geht nicht zur Ärztin, man ruft zuerst an.
Klugerweise erfolgt, jetzt mehr denn je, der Erstkontakt dort, wo viele Probleme schnell gelöst, weitere Wege geplant und auf das Sinnvolle konzentriert werden können: in der hausärztlichen Primärversorgung. Im ersten Telefonat kann geklärt werden, ob überhaupt ein persönlicher Kontakt nötig ist oder das Problem telefonisch lösbar ist. Ist es nötig, dass die Patientin in die Praxis kommt, wird darauf geachtet, dass kein Kontakt zwischen Patienten mit und ohne Infektionszeichen entstehen kann. Ist die Meinung eines Spezialisten erforderlich, gibt es ebenfalls die Möglichkeit der telefonischen Klärung. Dies kann auch durch die Hausärztin erfolgen. Ist eine Aufnahme ins Krankenhaus nötig, wird sie, unter den nötigen Vorsichtsmaßnahmen, organisiert.
Ganz wesentlich, mehr als eigentlich ohnehin schon immer, ist gute Kommunikation zwischen den einzelnen Beteiligten innerhalb des Gesundheitssystems. Vollständige, zeitnahe Befundübermittlung in alle Richtungen und eine gute Lenkung und Leitung im System: also eine geeignete behandlungsführende Ärztin, die den Patienten gut kennt und auch die Breite der medizinischen Fragestellung.
Wer krank ist,braucht einen Arzt
All das gilt keineswegs nur für akute gesundheitliche Anliegen. Ganz besonders wichtig, gerade jetzt, ist, dass chronisch kranke Menschen konsequente Betreuung und Behandlung bekommen. Diese sind besonders gefährdet, schwer zu erkranken, wenn sie sich infizieren. Unzureichend kontrollierte chronische Krankheiten, von Herzschwäche über Diabetes und Bluthochdruck bis hin zu COPD erzeugen mehr Krankheit und Mehrbedarf an Krankenhaus- beziehungsweise Intensivbetten, vom Leid der Betroffenen und Angehörigen ganz abgesehen.
Wer krank ist, braucht einen Arzt. Ob Covid oder nicht, ob akut oder chronisch, psychisch oder physisch. Auch jetzt, gerade jetzt. Wir können das. Patienten müssen sich vor Ärztinnen und Spitälern nicht fürchten. Was nötig ist, muss und kann stattfinden. Ein Abweisen von Patienten mit relevanter Erkrankung ist in der derzeitigen Situation nicht begründbar. Ob (und wie und ab wann) bei einer eventuellen zweiten Welle ein veränderter Umgang mit akuten und chronischen Krankheiten unter Pandemiebedingung möglich und nötig sein wird, darüber wird sorgfältig, tabufrei und ohne Schuldzuschreibungen nachzudenken sein.