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"Wir sind für diesen Zustrom nicht ausgestattet"

Von Heiner Boberski

Politik
Schmidinger: Qualitätsverlust ist absehbar. Foto: Boberski

Uni-Salzburg-Rektor Heinrich Schmidinger im Interview. | "Ich sehe ohne Studiengebühren und Beschränkungen des Zugangs keinen Weg." | "Wiener Zeitung": Hat die Uni Salzburg ihre Schmerzgrenze erreicht? | Heinrich Schmidinger: In einigen Fächern ganz sicher. Publizistik, Psychologie, obwohl es dort nach wie vor die Zugangsbeschränkung gibt. In beiden Fällen stimmen die Betreuungsrelationen nicht.


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Ein zusätzliches Problem bilden die biologischen Fächer, für die es in Bayern einen Numerus clausus gibt. Für sie braucht es Laborplätze. Für den derzeitigen Zustrom sind wir diesbezüglich nicht ausgestattet. Zu stark belastet ist ebenso die Erziehungswissenschaft. Wir könnten den Zustrom verkraften, wenn er sich gleichmäßig auf alle Fächer verteilen würde. Was wir nicht verkraften können, ist der Ansturm auf einige.

Geht der Zuwachs von 20 Prozent nur auf deutsche Studenten zurück oder auch auf Österreicher?

Sowohl als auch. Studierende aus Österreich kommen vermehrt, weil es keine Studiengebühren mehr gibt. Zugleich inskribieren vor allem Deutsche. Bayern wird Haupteinzugsbereich unserer Universität, bisher waren es Oberösterreich und Salzburg. In der Psychologie liegt der Anteil deutscher Studierender bereits bei 75 Prozent.

Wie sähe Ihre Wunschlösung für die Bewältigung dieser Situation aus? Studiengebühren? Numerus clausus? Mehr Geld?

Man muss unterscheiden, was man gleich und was man nur à la longue machen kann. Als Sofortmaßnahmen sollte man Studiengebühren wieder einführen und Zugangsbeschränkungen in überlasteten Fächern verfügen. Ich sehe keinen anderen Weg. Will man - zu den langfristigen Maßnahmen - zusätzliche Gebäude errichten, zusätzliche Lehrkräfte gewinnen, braucht man viel Zeit.

Mehr Geld für die Universitäten wünsche ich mir natürlich, wenn man davon aber Effekte erwartet, muss einem klar sein: Das dauert.

Sehen Sie in der jetzigen Situation Chancen zur Wiedereinführung der Studiengebühren?

Im Moment sehe ich das nicht. Ich glaube jedoch, dass die Umstände so erdrückend werden, dass früher oder später gar nichts anderes übrig bleiben wird. Schon vor dem Nationalratsbeschluss vom 24. September 2008 haben alle gewusst, dass man sich die gleichzeitige Aufhebung von Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen nicht wird leisten können. Jetzt rächen sich nicht nur die Beschlüsse von damals, sondern zusätzlich die Versäumnisse der Jahre zuvor.

Nun geht Minister Hahn als EU-Kommissar nach Brüssel, wird das die Lage erleichtern oder die Krise verlängern?

Das weiß ich nicht. Ich habe aber den Eindruck, dass Minister Hahn noch alle gesetzlichen und finanziellen Möglichkeiten ausschöpft.

Jetzt steigen die Studierenden auf die Barrikaden. Wie sehen Sie diesen Protest?

Ich habe viel Verständnis für den Unmut der Studierenden. Ich habe aber bereits vor dem 24. September 2008 darauf hingewiesen, dass die Abschaffung der Studiengebühren und aller Zugangsbeschränkungen die derzeit eingetretenen Folgen haben werden. Man regt sich jetzt über etwas auf, in das man sehenden Auges hineingegangen ist.

Deshalb verstehe ich zugleich die demonstrierenden Studierenden nicht. Ihre Kollegen im Ausland akzeptieren bei dortigen, in den Rankings weit vorn rangierenden Universitäten alles, was man hier kategorisch ablehnt. Das passt für mich nicht zusammen.

Wenn es 20 Prozent mehr Studierende gibt und die finanzielle Ausstattung nicht im selben Ausmaß erfolgt, verlieren dann die Unis nicht automatisch an Qualität?

Das ist die Sorge, die ich habe. Wir kommen in den Ruf, bloße Massenuniversitäten zu sein. Dabei verlieren wir ständig an Reputation. Und dann wundern wir uns, wenn wir in den internationalen Rankings zurückfallen. Das war und ist doch absehbar.