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"Wir sind nicht gierig geworden"

Von Stefan Janny

Reflexionen
Scharinger: "Ich will als Aktionär nicht, dass ein Unternehmen in seiner Bilanz jedes noch so kleine Fettranderl maximal aufwertet." Foto: Wakolbinger

RLB OÖ wird Bankenhilfspaket nicht in Anspruch nehmen. | Kommunalkredit-Übernahme wird "Bombengeschäft" für die Republik. | "Wiener Zeitung": Traditionellerweise haben Politiker und Journalisten besonders schlechte Imagewerte. Was glauben Sie, wo Banker derzeit in den Beliebtheitsskalen rangieren? | Ludwig Scharinger: Das wird wohl von der konkreten Person abhängen. Zwischen Banker und Banker besteht nämlich ein gewaltiger Unterschied. Manche haben sich sehr ordentlich benommen. Manche haben aber Geschäfte getätigt, die sie nicht machen hätten sollen. Ein Banker darf einige Eigenschaften nicht haben.


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Und welche wären das?

Er darf nicht gierig sein, er darf nicht eitel sein, er darf nicht maßlos sein. Wer dazu neigt, befindet sich zurzeit vermutlich in einer nicht einfachen Situation.

Weil er aufgrund dieser Charakterschwächen in den vergangenen Jahren Fehler gemacht und verlustreiche Investments getätigt hat?

Weil er sich zu Fehlern verleiten ließ. Zu denen gehöre ich aber nicht. Wenn ich gefragt werde, wie viel Macht ich habe, gibt es eine ganz klare Antwort: Ich habe nicht Macht, sondern Gestaltungskraft. Es ist wichtig, das zu unterscheiden. Denn Gestaltungskraft bedeutet nicht Macht. Gestaltungskraft bedeutet, es nicht nur zu wissen, sondern es auch zu tun. Manche andere kommen über ihre Visionen nicht hinaus. Visionen ohne Taten bleiben jedoch immer Träume.

Im Finanzgewerbe scheint das Problem eher umgekehrt gewesen zu sein: Es gab viele Taten ohne entsprechende Visionen. Anders formuliert: ohne plausible, langfristige Geschäftsstrategie.

Wenn jemand Taten setzt, ohne eine nachhaltige, auf seriösen Grundsätzen fußende Strategie zu verfolgen, gerät er schnell in Schwierigkeiten. Und viele haben anscheinend zu kurzfristig gedacht. Wenn Immobiliengesellschaften oder Banken, die stark im Immobilienbereich engagiert sind, Immobilien kurzfristig über den Geldmarkt finanziert haben, dann war das grundsatzlos. Immobilien sind langfristige Investitionen und mit abgesicherten Konditionen und Zinsen fristenkonform zu finanzieren.

Nicht nur Immobiliengesellschaften, sondern auch Banken haben derzeit das Problem, dass Finanzierungen über den Geldmarkt nicht nur deutlich teurer geworden, sondern auch erheblich schwieriger zu erhalten sind.

Am Geldmarkt werden zurzeit wahnsinnig hohe Konditionen verlangt, was manche in arge Schwierigkeiten gebracht hat. Wir gehören nicht dazu. Wir haben immer auf Fristigkeit geachtet und derivative Instrumente wie Zins-Swaps immer nur eingesetzt, um Risiko zu minimieren, nicht zu generieren.

Manche Institute, wie die Kommunalkredit, haben ihr gutes Credit-Rating dazu benutzt, um am Geldmarkt Finanzierungen aufzunehmen und das Geld dann in komplizierten, strukturierten und vermeintlich lukrativen Investments zu veranlagen. Die RLB OÖ hat ebenfalls ein sehr gutes Credit-Rating. Warum haben Sie nicht Ähnliches gemacht?

Ich möchte nicht im Detail auf das Thema Kommunalkredit eingehen. Aber die RLB OÖ ist eben nicht gierig geworden. Wir haben eine konservative und nachhaltige Strategie verfolgt und gewusst, dass wir - in guten, wie in schlechten Zeiten - mit einer niedrigen Zinsspanne durchkommen müssen. Wir waren nicht gewillt, bei diesen verbrieften Finanzierungen, die über den Atlantik nach Europa gekommen sind, mitzumachen. Wir haben uns nicht verführen lassen und nicht geglaubt: Da lassen sich schnell tolle Erträge machen. Wir sind ganz einfach bei unseren Kunden in der Realwirtschaft geblieben. Deshalb haben wir in unserem Einzugsgebiet so hohe Marktanteile.

Unternehmer klagen über die derzeit mangelnde Finanzierungsbereitschaft von Banken. Ihr Institut verzeichnete vergangenes Jahr weit überproportionales Kreditwachstum. Werden Sie auch dieses Jahr so großzügig bei der Kreditvergabe sein?

2007 betrug unser Zuwachs bei den Kundenfinanzierungen 24 Prozent, 2008 waren es 32,5 Prozent. Ich gehe davon aus, dass wir auch heuer einen ordentlichen Zuwachs ausweisen werden, der aber nicht mehr ganz so hoch sein wird wie im Vorjahr.

Weil Sie vorsichtiger sein müssen, weil die Wirtschaftskrise auch auf Ihre Kunden durchschlägt? Weil auch für Sie die Refinanzierung nicht mehr ganz so leicht ist? Oder, weil ihre großen Kunden wegen der Krise ohnedies keine finanzierungsintensiven Projekte starten?

Wir haben beachtliche Liquiditätsreserven. Wir sind mit 2,6 Milliarden Euro Liquiditätsspielraum ins Jahr 2009 gegangen. Das ist also sicher kein Problem. Was sich aber zeigt, ist, dass gute Unternehmen zurückhaltender sind und manche Investitionen, die geplant waren, zeitlich verschoben oder in reduzierter Form in Angriff nehmen.

Wie etwa die Voest, die den geplanten Bau eines Stahlwerks am Schwarzen Meer verschoben hat.

Das ist ein Beispiel, und es gibt noch andere. Jene Unternehmen, die gut dastehen, können es sich leisten, bei Investitionen leiser zu treten. Die Schwachen können sich Zusatzfinanzierungen nicht mehr leisten, weil sie ansonsten in Schwierigkeiten kommen.

Oder, weil die Banken etwas angeschlagenen Unternehmen aus Risikoüberlegungen gerade jetzt keine zusätzlichen Kredite geben wollen?

Es trennt sich zurzeit in jeder Branche Spreu vom Weizen - und zwar schneller als normalerweise. Die guten Unternehmen werden gestärkt aus dieser Vertrauenskrise hervorgehen, die Schwachen werden, wenn sie es überhaupt durchstehen, geschwächt. Ich sehe gerade bei uns in Oberösterreich viele sehr gute Unternehmen, die am Beginn der Krise durchaus mit kalkuliertem Optimismus agieren. Wir starten jetzt ein Sonderkonjunkturprogramm, wo wir unseren Kunden, vor allem Kleinbetrieben und Professionisten, eine halbe Milliarde Euro an zusätzlichen Krediten für Energiesparinvestitionen und thermische Sanierungen zur Verfügung stellen. Das sichert 6250 Jobs. Da spielt die Musik.

Allerdings sind in manchen Branchen, wie etwa in der in Oberösterreich stark vertretenen Automobilzulieferindustrie, auch viele gut dastehende Unternehmen von der Rezession überdurchschnittlich heftig betroffen.

Erstens sind die meisten dieser Unternehmen nicht nur als Automobilzulieferer tätig, sondern auch in anderen Bereichen. Zweitens haben die guten meist schon reagiert, sich auf Umsatzrückgänge eingestellt, Kapazitäten reduziert, Urlaube vorgezogen und Ähnliches. Doch es gibt auch welche, die schimpfen, zu wenig tun und sich von der Politik und vom Steuerzahler Wunder erwarten. Ein guter Unternehmer muss wie ein guter Autofahrer agieren.

Er muss zügig, aber nicht zu schnell fahren. Er muss den Verkehr vor sich im Auge haben und Hindernisse erkennen; und er sollte sowohl Vollbremsungen als auch Vollgas vermeiden, weil das das Auto ruiniert. Wir sollten in Mitteleuropa noch auf etwas aufpassen: Wir sollten nicht alle vom Shareholder-Value getriebenen Extreme mitmachen.

Es ist bemerkenswert, das aus Ihrem Munde zu hören, denn Ihr Institut ist ja bei vielen anderen Unternehmen großer Shareholder.

Aber ich will als Aktionär nicht, dass ein Unternehmen in seiner Bilanz jedes noch so kleine Fettranderl maximal aufwertet. Ich lege wert darauf, dass die Unternehmen Reserven bilden können. Ich bin kein Freund der US-Bilanzierungsmethoden. Vor zwanzig Jahren wurde in Osteuropa die totale Planwirtschaft zu Grabe getragen. Jetzt wird die totale Marktwirtschaft amerikanischer Prägung zu Grabe getragen. Jetzt muss man einen vernünftigen Mittelweg finden.

Stichwort Staatskapitalismus: Gerade in Oberösterreich zeigte sich, dass die Unternehmen der ehemaligen verstaatlichten Industrie erst zu florieren begannen, als sie schrittweise privatisiert wurden. Andererseits wurden jüngst Banken ganz oder teilweise verstaatlicht. In anderen Branchen steht möglicherweise Ähnliches bevor. Wie wird sich dieser Einfluss des Staates auf die Wirtschaft, diese wieder größere Rolle des Staates als Aktionär auswirken?

Das wird darauf ankommen, wie die jeweiligen Regierungen damit umgehen. Ich habe Verständnis, dass man eine Bank wie die Kommunalkredit nicht einfach fallen lässt, worunter alle Kreditnehmer dieses Instituts enorm gelitten hätten. Die Volksbanken AG war als Eigentümer offensichtlich nicht in der Lage, das Fortbestehen zu gewährleisten. Man darf eines nicht übersehen: Die Republik hat die Kommunalkredit um einen Euro bekommen, was die Volksbanken AG wahnsinnig viel Geld gekostet hat. Es werden Zeiten kommen, in denen die Kommunalkredit nach ihrer Sanierung einen beachtlichen Wert darstellt. Wenn die Republik die Bank wieder privatisiert, wird sie dafür viel Geld bekommen. Das wird ein Bombengeschäft für die Republik.

Die Raiffeisenlandesbank OÖ wird das Bankenhilfspaket der Regierung.. .

... nicht in Anspruch nehmen, weil wir es nicht brauchen. Es wäre ja auch sehr teuer.

Acht oder neun Prozent Verzinsung sind Ihnen zu kostspielig?

So lange man es nicht braucht, wird man so etwas nicht nehmen. Wir sehen keinen Grund dafür.

Wie geht es Ihnen, wenn Sie derzeit den Aktienkurs von Raiffeisen International, der Osteuropa-Bank des Raiffeisensektors, betrachten?

Da geht es mir genauso wie mit der Voest-Aktie und vielen anderen Aktien. Vom generellen Trend an den Börsen kann sich niemand ausschließen. Wesentlich ist, ruhig und konsequent zu bleiben und Kunden weiterhin gut zu betreuen, wie das die RI macht.

Der Verdacht, dass RI in den vergangenen Jahren am Höhepunkt einer Euphorie allzu forsch in Osteuropa expandiert und für manche Akquisitionen zu hohe Preise bezahlt hat, kommt bei Ihnen nicht gelegentlich auf?

Österreich insgesamt und RI im Besonderen haben die Öffnung vorbildlich genutzt. Das hat ungeheuer positive Effekte. Ich prognostiziere, die Situation in Russland und im restlichen Osteuropa wird sich schneller beruhigen als viele glauben.

Zur PersonLudwig Scharinger wurde am 19. 10. 1942 als ältestes von sieben Kindern einer Bauernfamilie im oberösterreichischen Amreit geboren, absolvierte die Höhere Bundeslehr- und Forschungsanstalt Francisco Josephinum in Wieselburg und studierte Betriebs- und Sozialwirtschaft in Linz. 1972 trat er in die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich ein, wo er 1978 in die Geschäftsleitung berufen und 1985 zum Generaldirektor bestellt wurde. Neben seiner Funktion als Chef der RLB OÖ bekleidet Scharinger zahlreiche Aufsichtsratsfunktionen, unter anderem bei Voestalpine, Salinen und FACC, wo die RLB OÖ maßgebliche Beteiligungen hält.