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Statistik-Austria-Chef hat Erfahrung im In- und Ausland. | "Außensicht hat viele Vorteile." | Brückenschlag zwischen Statistik und Politik. | Wien. Vor einem Jahr wechselte Konrad Pesendorfer aus dem Bundeskanzleramt in die Generaldirektion der Statistik Austria. Manager ohne Stallgeruch wie er erkennen eher Änderungsbedarf, meint der 41-Jährige.
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"Wiener Zeitung": Herr Pesendorfer, Sie sind seit einem Jahr Generaldirektor der Statistik Austria. Ist das Ihr Traumjob? Konrad Pesendorfer: Mein Job ist sehr faszinierend. Die Statistik Austria ist die wichtigste Institution des Landes in punkto Datensammlung. Wir bereiten Daten auf und stellen sie Entscheidungsträgern zur Verfügung, damit diese daraus entsprechende Schlüsse ziehen können. Die Statistik hat auch ihre Grenzen, denn nicht alle Phänomene in unserer Gesellschaft sind bereits ausreichend durch Daten erfasst - hier gibt es teilweise noch Informationsdefizite, die wir zu schließen versuchen.
Ihre Behörde hat eine verbeamtete Struktur und mehr als 800 Mitarbeiter. Waren Sie im vergangenen Jahr auch entsetzt über den Betrieb, den Sie führen?
Ganz im Gegenteil - positiv überrascht war ich von der hohen Motivation und Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserem Haus. Wenn man von außen in eine Institution kommt, ohne Stallgeruch, wie ich in die Statistik Austria, dann hat das Vor- und Nachteile. Die Innensicht und Erfahrung langjähriger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist wichtig. Von ihnen konnte ich viel lernen in diesem ersten Jahr. Aber die Außensicht hat auch viele Vorteile. Da erkennt man vielleicht manche Bereiche eher, in denen Veränderungen notwendig sind - und kann Lösungen vorschlagen, die andernorts bereits erfolgreich umgesetzt wurden.
Ganz ohne Stallgeruch sind Sie ja nicht, Sie haben davor im Kabinett von Bundeskanzler Werner Faymann gearbeitet.
Ich habe in meinem bisherigen Berufsleben in verschiedensten Institutionen im In- und Ausland als Ökonom gearbeitet, und zuletzt im politischen Beratungsbereich - da sind mir Statistiken aus der Nutzersicht natürlich nicht fremd. In meiner jetzigen Funktion kommt mir diese Erfahrung zugute, denn da geht es darum, einen Brückenschlag zwischen der Statistik, der Politik und anderen wesentlichen Nutzern unserer Daten zu machen.
Aber an Ihrer Bestellung zum statistischen Generaldirektor gab es auch Kritik.
Was für mich zählt, ist, ob ich für eine Position die erforderliche Qualifikation mitbringe: Ich bewerbe mich nicht für Stellen, wo dies nicht der Fall ist. Es ist mir wichtig, an meinen Leistungen gemessen zu werden - und ich denke, wir haben in diesem ersten Jahr schon viel erreicht. Die Kontakte aus meinen früheren Tätigkeiten kommen der Institution sehr zugute. Die Statistik Austria ist unabhängig, muss aber bei folgenreichen Entscheidungen - wie zum Beispiel bei der Frage, was wir in die öffentlichen Finanzen hineinrechnen und was nicht - mit den verantwortlichen Stellen eine enge Konsultation führen. Wir müssen die Wahrheit auf den Tisch legen. Die Unabhängigkeit unserer Institution wird auch durch die gesetzlich festgelegte Veröffentlichungspflicht unterstrichen - da kann nichts unter den Tisch gekehrt werden.
Mit Verlaub - dass Sie vollkommen unabhängig sind von den regierenden Entscheidungsträgern, glaube ich Ihnen nicht ganz. Versucht man nie, Sie zu beeinflussen, dass Sie die eine Zahl hineinrechnen oder doch wegzulassen?
Wir sind nicht manipulierbar. Die Gespräche sind manchmal nicht einfach, aber es wird immer akzeptiert, dass Methodenentscheidungen ausschließlich von uns in der Statistik Austria getroffen werden. Manipulative Eingriffe sind damit ausgeschlossen.
In Griechenland hat die alte Regierung das Budgetdefizit durch Tricks gegenüber Eurostat als viel zu gering (zwei anstelle von 15 Prozent, Anm.) angegeben. Wird es in der Euro-Zone weitere ähnliche Fälle geben, etwa in Portugal, Spanien oder Italien?
Das sehen wir aus heutiger Sicht nicht.
Die Statistik Austria ist ein alteingesessener Betrieb mit einer Doppelführung für die statistischen und die kaufmännischen Belange. Wie kommen Sie mit dieser Struktur zurecht?
Das erfordert eine enge Abstimmung und Kooperation. Mein Aufgabengebiet sind die statistische Arbeit und die Präsentation nach außen. Gabriela Petrovic ist für den kaufmännischen Bereich zuständig. Natürlich haben wir auch manchmal Diskussionen, wo wir nicht einer Meinung sind. Aber wir haben beide das Wohl der Institution im Auge und finden daher immer zu einer gemeinsamen Lösung.
Sollten wir uns in einem Jahr wieder zum Interview treffen - was möchten Sie bis dahin als statistischer Generaldirektor erreicht haben?
Wir haben im letzten Jahr an einem Strategiepapier gearbeitet für die nächsten fünf Jahre. Wir müssen zum Beispiel in unserem Arbeitsprogramm überprüfen, ob wir die zentralen Informationsbedürfnisse gut abdecken, die Qualität überall passt und unsere Ressourcen gut eingesetzt sind. Wir müssen Maßnahmen treffen, die uns fit machen für die nächsten Jahre.
Aalglatt oder menschlich - wie sehen Sie sich selbst?
Ich sehe die Stärke eines Managers in der Stärke seines Teams. Mitarbeiter müssen ermutigt werden, kreativ zu sein und sich in die gemeinsame Arbeit mit ganzem Elan einzubringen. Wir müssen aber auch wichtige Entscheidungen für die Zukunft treffen. Das erfordert Mut, gepaart mit der Bereitschaft zu lernen. Natürlich können dabei Fehler passieren, aber die muss man bereit sein zu erkennen und sie zu korrigieren. Wenn man diese Einsicht verliert, hat man auch als Mensch verloren.
Konrad Pesendorfer ist Doktor der Wirtschaftswissenschaften. Er arbeitete u.a. bei der Nationalbank und bei der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt. Zwischen Dezember 2008 und Dezember 2009 war Pesendorfer wirtschaftspolitischer Berater von Bundeskanzler Werner Faymann.