Die "Big 4" sind die beliebtesten Bilanzprüfer. | KPMG vor Deloitte, E & Y und PwC. | Spitzenhonorare bis 12 Millionen Euro. | Wien. Sie sind die Elitetruppe unter den 8400 österreichischen Wirtschaftstreuhändern und stehen häufig im Blickfeld der Öffentlichkeit: Die "Big 4", also die vier größten Netzwerke für Wirtschaftsprüfung, halten dank ihres internationalen Backgrounds die vielen kleinen Konkurrenten auf Distanz. Bei den börsenotierten AGs etwa kommen sie einen Marktanteil von 70 Prozent. Der Branchenleader KPMG und seine drei Verfolger Deloitte, Ernst & Young (E & Y) sowie PricewaterhouseCoopers (PwC) haben unter anderem mit großer Strenge die bisweilen höchst komplizierte Aufgabe wahrzunehmen, etwaige Bilanztricks ihrer Klientel aufzuspüren und für bilanzielle Sauberkeit und Transparenz zu sorgen.
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Immer wenn einer ihrer Klienten in eine Schieflage gerät, was zum Beispiel der Kommunalkredit, der Hypo Alpe Adria oder der Immofinanz passiert ist, haben die Prüfungsprofis selbst ein Problem: Bei derartigen Skandalen taucht stets die Frage auf, was bei der Prüfung der ordnungsgemäßen Buchführung eines Unternehmens und der Absegnung von Jahresabschlüssen schiefgelaufen sein mag. Ob sie bei den diffizilen Geschäften etwa von Banken, die beispielsweise ein Wirtschaftsexperte wie IHS-Chef Bernhard Felderer für "nicht mehr durchschaubar" hält, überfordert sind; ob eine vom jeweiligen Auftraggeber unabhängige Prüfung überhaupt möglich ist; oder ob sie allfällige Machenschaften nicht vorzeitig erkennen hätten müssen. Bernhard Vanas, Managing Partner von Deloitte: "Wenn Bilanzen frisiert oder gefälscht sind, muss man halt sehr vorsichtig sein."
Ihre heikle Mission ist angesichts des stagnierenden Markts in Krisenzeiten besonders riskant geworden: So etwa beträgt die maximale Haftungsgrenze bei Banken, sofern ihnen ein Lapsus passiert, immerhin 18 Millionen Euro. Auch wenn sich zuletzt lukrative Geschäftsbereiche wie Restrukturierungen aufgetan haben, gab es alles in allem bei Prüfung und Steuerberatung deutliche Umsatzausfälle. "Wir sind sicher nicht Profiteure der Krise", sagt Friedrich Rödler, Senior Partner bei PwC. Trotz schwierig gewordenen Umfelds können die glorreichen Vier jedoch weiterhin ihre Trümpfe ausspielen.
"Wir sind keine Wirtschaftspolizei"
Martin Wagner, Jahrgang 1955, ist seit 29 Jahren in der Branche. Er kommt von der Alpen-Treuhand, die seit 1987 zum internationalen KPMG-Netzwerk gehört, und fungiert beim heutigen Marktleader als Senior Partner. Die KPMG-Gruppe besteht aus 16 Gesellschaften, 68 Partnern und rund 1100 Mitarbeitern. Auf ihrer Referenzliste, die von A wie Agrana bis Z wie Zumtobel reicht, finden sich prominente Firmen aus praktisch allen Branchen und Bundesländern (siehe Kasten).
Auch einige schwere Brocken - darunter die Kommunalkredit, die mittlerweile zur PwC Inter-Treuhand gewechselt ist, die Immofinanz und die Immoeast sowie die Österreichische Volksbanken AG - hatte sie zu bewältigen. Wagner freut sich, dass Wirtschaftsprüfer wegen diverser Skandale bei weitem nicht mehr so stark in der Auslage wie noch vor ein paar Jahren stehen: "Wir sind eben keine Wirtschaftspolizei."
Bernhard Vanas (55), Boss von Deloitte Österreich, muss bisweilen ebenfalls Nervenstärke beweisen. Die Nummer zwei am Markt betreut nämlich mehrere Kreditinstitute, die als heikle Fälle zu betrachten sind: So etwa haben die Hypo Alpe-Adria International, die Meinl Bank und die NÖ Landesbank-Hypothekenbank jüngst für Schlagzeilen gesorgt. "Das bedeutet schlaflose Nächte und viele Schweißperlen auf der Stirn", sagt Vanas.
Andere Klienten, darunter börsenotierte Unternehmen wie Andritz, der Verbund und die OMV, bereiten den Deloitte-Prüfern erheblich weniger Probleme.
PwC ist weltweit die Nummer eins
Die auf Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Consulting und Financial Advisory spezialisierte Deloitte-Gruppe, die von nicht weniger als 68 Geschäftsführern gemanagt wird, besteht aus rund 20 meist hundertprozentigen Töchtern und ist an acht österreichischen Standorten tätig. Gemeinsame Mutter ist die Deloitte Services Wirtschaftsprüfungs GmbH. Der aus der Auditor Treuhand bzw. Arthur Andersen entstandene Firmenverband gehört nunmehr zu Deloitte Touche Tohmatsu, einem Verein schweizerischen Rechts. Dieses 1845 vom Briten William Welch Deloitte begründete Imperium ist mit 169.000 Mitarbeitern in 140 Ländern engagiert.
Ein weiterer Key Player am rot-weiß-roten Prüfermarkt ist der 50-jährige Helmut Maukner, seit 1983 in der Branche tätig und seit drei Jahren Boss der Ernst & Young-Gruppe. Sie entstand 1990 aus der Fusion von vier traditionsreichen Wirtschaftstreuhandgesellschaften und umfasst heute vier mit Abschlussprüfungen befasste Gesellschaften sowie acht weitere Firmen in Wien, Linz, Salzburg und Klagenfurt. Inhaber sind neben Maukner 23 Partner, denen die übergeordnete EY Anteilsverwaltungs- und WirtschaftsprüfungsgmbH gehört.
Ernst & Young, mit Klienten wie Erste Bank und Siemens Österreich die Nummer drei am Markt, ist Mitglied der in London registrierten Ernst & Young Global Ltd. Diese organisiert als zentrale Koordinationsstelle die Zusammenarbeit zwischen den rechtlich selbständigen Mitgliedsgesellschaften, deren 144.000 Mitarbeiter in 140 Ländern einen Gesamtumsatz von 21,4 Milliarden Dollar erzielen.
International noch eine Nummer größer ist das Netzwerk PricewaterhouseCoopers (PwC), dessen Wurzeln bis ins Jahr 1849 zurückreichen. 1998 durch den Merger von Price Waterhouse und Coopers & Lybrand entstanden, ist PwC heute mit 26,2 Milliarden Dollar umsatzmäßig weltweiter Marktleader und in 151 Staaten aktiv.
In Österreich zählt PwC zum elitären Klub der "Big 4". Der 59-jährige Friedrich Rödler, Senior Partner der Gruppe, und seine 31 Partner sind mit 17 Gesellschaften und 560 Mitarbeitern in Sachen Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung und Unternehmensberatung engagiert. Sie beraten beziehungsweise prüfen mit Ausnahme von Niederösterreich in allen Bundesländern ein breites Kundenspektrum, das von KMU über Betriebe von Gebietskörperschaften bis zu internationalen Großkonzernen reicht. Als Wirtschaftsprüfer sind PwC-Experten etwa für Generali, ÖIAG sowie Wiener Städtische tätig.
Die Kunden feilschen um niedrigere Honorare
Der Kampf um Klienten wurde - darin sind sich alle Beteiligten einig - auf Grund der Wirtschaftskrise deutlich härter. Maukner: "In den vergangenen 18 Monaten war es nicht so einfach wie in guten Jahren, weil es mehr Arbeit gibt, die Themenstellungen schwieriger wurden und die Gespräche mit manchen Klienten daher nicht immer einfach sind." Laut Rödler gebe es vermehrt "heftige Diskussionen, weil in härteren Zeiten die Risiken größer werden".
Laut KPMG-Chef Wagner sind viele Kunden auch "kostenbewusster geworden", weshalb "Preiskämpfe in der Branche stärker spürbar sind". Obendrein werden die Geschäftsbeziehungen tendenziell eher kurzfristiger: Während man laut Rödler früher Klienten sogar "50 Jahre lang betreuen durfte, wenn man keine goldenen Löffel gestohlen hat", hat sich das deutlich geändert. Maukner sieht "eine Mode" darin, dass sich "manche Klienten nach einer gewissen Zeit einmal umhören", um sich einen anderen Prüfer anzulachen.
Die Top 4 verlieren zwar, beispielsweise bei einem Eigentümerwechsel, auch wichtige Auftraggeber, was etwa KPMG mit der Kommunalkredit oder PwC mit dem oberösterreichischen Flugzeugzulieferer FACC passiert ist. Aber sie lassen die kleineren Mitbewerbern immer noch selten an die großen Fische ran: Mit wenigen Ausnahmen - so etwa ist die Kanzlei Grant Thornton sowohl für Voest alpine und ÖBB tätig, und die TPA Horvath hat die Oesterreichische Nationalbank auf der Kundenliste - haben sie die fettesten Aufträge an der Angel.
Ihr fachlich anspruchsvoller Job, für die Bilanzen anderer geradezustehen, wird auch honoriert: Während die Prüfung eines Jahres- und Konzernabschlusses inklusive anderer Bestätigungsleistungen bei kleinen Aktiengesellschaften wie Intercell auf 136.000 Euro kommt, lassen es sich Konzerne weitaus mehr kosten - wobei die Bandbreite extrem groß ist. Die Wiener Städtische ließ ihrem Abschlussprüfer PwC zum Beispiel im Vorjahr 496.000 Euro zukommen; Palfinger honorierte den Einsatz von Ernst & Young mit 714.000 Euro; die Volksbanken AG galt die Leistungen der KPMG mit 2,7 Millionen Euro ab; und die Hypo Alpe Adria revanchierte sich bei Deloitte mit 2,9 Millionen Euro, ehe sie sich für Ernst & Young als neuen Kontrollor entschied.
Den Vogel schossen jedoch die RZB- sowie die Bank Austria-Gruppe ab, die der KPMG jeweils zwölf Millionen Euro zahlten. Als Gegenleistung stand ein Heer von KPMG-Mitarbeitern auch etlichen Tochterfirmen mit Rat und Tat zu Seite und lieferte laut Wagner "ein umfangreiches Leistungspaket".
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Wissen: Wer prüft wen?
Die Top-Klienten der vier großen Bilanzkontrollore:
* KPMG:
Agrana, Allianz Elementar-Versicherung, Austriamicrosystems, Bank Winter & Co, Bausparkasse Wüstenrot, bwin, CA-Immo International, Casinos Austria, Flughafen Wien, Grazer Wechselseitige, Immo east, Immofinanz, Investkredit, KTM Power Sports, Linz Textil Holding, Miba, Oberbank, Österreichische Kontrollbank, Österreichische Volksbanken, Raiffeisen Holding NÖ/Wien, Raiffeisen Zentralbank, Strabag SE, Telekom Austria, UniCredit Bank Austria, Uniqa, Wienerberger, Zumtobel.
* Deloitte:
Andritz, Bawag PSK, Berndorf, Constantia Packaging, Deniz Bank, Eco Business Immobilien, Lenzing, Meinl Bank, NÖ Landesbank-Hypothekenbank, Novomatic, Post, OMV, Porr, Semperit Holding, Vakif Bank, Verbundgesellschaft, Wolford.
* Ernst & Young:
Borealis, Bausparkasse der Sparkassen, Bene, BWT, Conwert Immobilien Invest, C-Quadrat, Erste Bank, Erste Group Bank, Hirsch Servo, Hypo Alpe-Adria-Bank International, Magna-Gruppe, Maschinenfabrik Heid, Palfinger, Rosenbauer, Schoeller-Bleckmann Oilfield Equipment, Siemens Österreich, Spar Warenhandelsgesellschaft AG, Warimpex.
*Pricewaterhouse-
Coopers (PwC): **
American Express Austria Bank, AT&S, Bankhaus Schelhammer & Schattera, Basler Versicherung, Bawag PSK Versicherung, Fimbag Finanzmarktbeteiligung, Generali Bank, Generali Holding Vienna, Intercell, Kapsch TrafficCom, Kommunalkredit, LGT Bank (Österreich), ÖIAG, S&T, Wiener Städtische Versicherung, Zürich Versicherung.