Zum Hauptinhalt springen

"Wir sind nur eine Spezies von vielen"

Von Eva Stanzl

Wissen
Céline Cousteau mit einem Kind vom Stamm der Marubo im Vale do Javari in Brasilien.
© Vonderhaar/COFS

Mit Filmen über gefährdete Völker und Gebiete will die Meeresforscherin Céline Cousteau auf die Umwelt aufmerksam machen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Winzige Frösche, riesige Buckelwale und bunte Korallen: Die Weltmeere beheimaten unzählige Tiere und Pflanzen und sind grundlegend für das Leben auf der Erde. Die Filmemacherin Céline Cousteau, Enkelin des Pioniers der Meeresforschung Jacques Cousteau, dokumentiert die Rolle der Ozeane im Alltag von Völkern und Gemeinschaften. Bei den Erdgesprächen des Vereins Neongreen Network kommenden Dienstag referiert sie im Wiener Museumsquartier über ihr Engagement für die Umwelt. Mit der "Wiener Zeitung" sprach Cousteau vorab.

"Wiener Zeitung": Wie haben Sie die Arbeit Ihres Großvaters erlebt? Hat er Sie manchmal auf seine Expeditionen mitgenommen?Céline Cousteau: Wenn alle Familienmitglieder die Meere erforschen, ist man davon umgeben, selbst wenn man nicht immer mitfährt. Als mein Großvater seine Expeditionen unternahm, war das Reisen komplizierter als heute, doch mit neun Jahren nahm er mich an den Amazonas mit. Ich verbrachte zwei Wochen an Bord seines Boots "Calypso", während mein Vater und mein Bruder auf einem anderen Boot reisten und meine Mutter bei einer Landexpedition fotografierte - wir alle waren am Amazonas, machten aber nicht dieselbe Reise. Seitdem bin ich dem Regenwald sehr verbunden. Eltern sollten nicht die Stärke der Eindrücke unterschätzen, die sie ihren Kindern mitgeben.

Was war am beeindruckendsten?

Wir befanden uns auf einer Sandbank am Fluss und überall waren winzige Frösche. Damals war kaum jemand am Amazonas, doch als wir dann den Fluss weiter hinauffuhren, stand ein Mann mit Bananen am Ufer. Wir kauften welche und er lud uns zu sich nach Hause ein. Seine Frau kochte, aber wir wollten ihr nichts wegessen. Ich erinnere mich an die Güte in ihrer Geste, mit der sie uns einlud, ihr Angebot anzunehmen. Ihre Kinder spielten mit Stöckchen im Sand und hatten großen Spaß, und mein Sohn macht das heute zufällig auch. Mit ein bisschen Vorstellungskraft sind die Dinge sehr einfach.

Sie verschreiben sich dem Umweltschutz. Gab es einen Auslöser?

Es liegt an der lebenslangen Beobachtung der Arbeit meiner Familie. Zunächst habe ich Psychologie und Interkulturelle Beziehungen studiert. Danach organisierte ich die Filmlogistik für Expeditions-Dokus. Irgendwann landete ich dabei zufällig vor der Kamera, ein Forscher teilte mich bei einer Wal-Expedition in Alaska für ein Interview ein. Mitten in der Arktis wurde mir klar, dass mich persönliche Geschichten zur Umwelt interessieren, und dass ich vor Ort sein möchte, um die Berichte zurückzubringen. 2006 begann ich zusammen mit meinem Vater die Doku-Serie "Ocean Adventures".

Wie trennen Sie zwischen persönlicher Begeisterung und künstlerischer Distanz?

Durch Zeit und Reflexion - man macht Erfahrungen, sammelt und übersetzt sie. Am Schluss bleiben meine Erlebnisse bei mir und die Geschichten bringe ich einem Publikum näher, ich vermittle die Geschichte sozusagen durch mich. Für manche ist das Inspiration, für andere ein Beispiel, für wieder andere Motivation. Eine Studentin hat mir geschrieben, sie hätte nach einem meiner Vorträge das Studium gewechselt, weil sie lieber mit Leidenschaft bei der Sache sein wolle. Das motivierte mich.

Sie engagieren sich in der Ocean Future Society Ihres Vaters für Umweltschutz. Welche sind Ihrer Meinung nach die frevelhaftesten Verbrechen der Menschheit an der Umwelt?

Eine der schockierendsten Aktionen dieser Art ist die Zerstörung der Korallenbänke durch Dynamitfischerei (Explosivstoffe werden im Wasser gezündet, damit die toten Fische abgefischt werden können, Anm.). Auf der Pazifikinsel Samoa war ein ganzes Riff kaputt. Somit gab es zwar Fische zu essen, aber es kamen keine mehr nach, das ist unfassbar kurzsichtig. Ein andermal fanden wir vor Chile einen Buckelwal, der sich in einem Fischernetz verfangen hatte. Das Ergebnis ist der Film "Scars of Freedom", an dessen Ende wir den Wal aus dem Netz schneiden.

Was können Sie mit Filmen zur Rettung der Umwelt beitragen?

Jeder hört gerne Geschichten, ob über das Internet oder am Lagerfeuer. Ich versuche, mein Publikum über persönliche Geschichten mit der Umwelt in Verbindung zu bringen, denn wir müssen uns als integraler Teil unseres Planeten verstehen: Wir sind eine Spezies von vielen und wir müssen eine Balance zwischen Geben und Nehmen finden.

Glauben Sie, dass die Menschheit das schafft?

Natürlich teile ich die Befürchtung, dass sich die Menschen erst verändern, wenn sie keine andere Wahl mehr haben. Es wird viel verwüstet werden, bevor die Welt gerettet wird, und die Erholungsphase wird uns an unsere Grenzen bringen. Aber dann werden wir alles tun, um zu überleben. Denn wenn wir nicht fähig sind, unser Bewusstsein zur Umwelt zu ändern, wird uns das schaden. Wenn wir alle Ressourcen plündern, bleiben uns keine.

Interessiert das auch Vertreter von Industrie und Wirtschaft?

Nicht immer und das ist frustrierend. Politik, Wirtschaft und NGOs laden mich jedoch als Rednerin ein, ich bin Kommunikatorin und der Familienname hilft.

Wie finanzieren Sie Ihre Filme?

Es ist schwierig, ich fahre nicht auf Urlaub und finanziere vieles selbst. Ich halte Vorträge, suche Förderer und Sponsoren und bin in der Beratung tätig, meine Filme ernähren mich nicht.

Zur Person

Céline

Cousteau

geboren am 6. Juni 1972, ist eine französisch-amerikanische Filmproduzentin, Ozean- und Umweltforscherin. Sie ist die Enkelin des legendären Meeresbiologen Jacques Yves Cousteau und Tochter des Meeresforschers Jean-Michel Cousteau. 2014 erhielt sie den Richard Attenborough-Preis für exzellente Naturfilme. Ihre nächste Dokumentation über Naturvölker im Amazonas, "Tribes on the Edge" ist in Europa ab Herbst zu sehen.