Robert Sperling: "Keine SPÖ-Vorfeldorganisation."
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"Wiener Zeitung": Wie nahe ist der Bund sozialdemokratischer Juden heute der SPÖ?Robert Sperling: Unsere Gegner behaupten gern, wir wären so etwas wie eine Vorfeldorganisation der SPÖ. Das ist absurd, das sind wir nicht - wir sind stolz auf unsere Unabhängigkeit. Wir sind aber auch stolz auf die sozialdemokratischen Werte, die wir vertreten, und auf die sozialdemokratische Tradition. Wir erleben derzeit an allen Ecken und Enden eine Renaissance der Auswüchse eines neoliberalen Kapitalismus. Ich bin kein Kapitalismus-Stürmer, das hieße auch die Zeichen der Zeit zu verkennen, aber wir sind konfrontiert mit einem eklatanten Rückbau des Sozialstaats.
Was hat das mit der Kultusgemeinde zu tun?
Wir haben dort natürlich keine Rechts-links-Auseinandersetzungen. Aber es ist nicht unerheblich, wie viel die Menschen für den jüdischen Kindergarten bezahlen. 280 Euro für einen Betreuungsplatz für Familien mit mehreren Kindern sind kein Klacks. Dafür muss man das Bewusstsein schaffen. Und ja, es gibt Unterstützungen, Subventionen. Ich glaube aber, dass es menschenwürdiger und anständiger ist, Menschen durch ihre eigene Arbeit so viel Auskommen zu bieten, dass sie auf Almosen nicht angewiesen sind. Für die IKG heißt das: Die Angebote müssen auch für kleinere Einkommen leistbar sein und bleiben.
Interessiert sich der Bund auch für Religion?
Wir respektieren Religion absolut. Ich persönlich glaube, dass gerade im Judentum Religion und Zugehörigkeit kaum zu trennen sind. Die ganze Gemeinde steht auf dem Boden der Halacha (dem jüdischen Religionsgesetz, Anm.), aber es war doch schon immer so, dass, wie jeder sein Judentum lebt, Privatsache ist. Wir verstehen uns als säkulare Partei, die aber klar erklärt, dass sie das familienpolitische Primat des Oberrabbinats anerkennt.
Welche Akzente wollen Sie in der nächsten Legislaturperiode im Kultusvorstand setzen?
Mit sozialen Werten, zionistischer Tradition, kritischer Kooperation. Es ist nicht unerheblich, was etwas kostet. Begräbnisse, Hochzeiten, eine Brit Mila, eine Bar Mitzwa - manche Dinge können sich normale Menschen kaum leisten. Es braucht Menschen im Kultusvorstand, die hier die Realität vermitteln. Wenn diskutiert wird, den Mitgliedsbeitrag auf zum Beispiel 250, 300 Euro zu erhöhen, weil das ja eh absetzbar ist, dann sagen wir: Es muss einer auch so viel verdienen, dass er überhaupt etwas absetzen kann. Uns ist aber auch wichtig, wie man partizipative Demokratie umsetzt. Da sind wir all die Jahre ganz entschieden in Opposition zu Atid (Fraktion von IKG-Präsident Oskar Deutsch, Anm.) gewesen, weil es ärgerlich war zu sehen, wie eine Mehrheitspartei versucht hat, über die Kleinen drüberzufahren. Hier ist es wichtig, dass es ein Korrektiv gibt.