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Wir sind Schweiz! Wo die Österreicher überall mitreden sollen

Von Clemens Neuhold

Politik

In Österreich wird das Volk immer öfter gefragt, aber nicht alle Initiativen eignen sich dafür.| Die "Wiener Zeitung" wirft einen kritischen Blick auf die direkte Demokratie.


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Wien.

Auf ihre direkte Demokratie sind die Schweizer genauso stolz wie die Österreicher auf die Lipizzaner. Die Eidgenossen lassen ihre Bürger über alles abstimmen, was nicht verboten ist - vom Minarett über den Waffen-Export bis hin zum Passivrauchen. Direkte Demokratie kann süchtig machen - auch in Österreich.

Die Volksbefragungen, Volksabstimmungen oder Petitionen, die in den vergangenen Monaten für Schlagzeilen gesorgt haben, sind ein fixer Bestandteil der Demokratie geworden. Das, was Politiker egal welcher Partei in Sonntagsreden fordern - "Keine Angst vor dem Volk!"- , wird langsam Realität.

In der vergangenen Woche hatten die Grünen die direkte Demokratie für sich gepachtet. An zwei Tagen hintereinander forderten sie zuerst eine Abstimmung über eine Miet-Obergrenze von 7 Euro netto für den Raum Wien, am nächsten Tag legten sie mit einem Anti-Korruptionsvolksbegehren nach. Dabei geht es um höhere Strafen, mehr Kontrollrechte für die Opposition und einen besseren Schutz für Informanten. Mit der Miet-Diskussion haben sie einen Nerv getroffen, die Debatte darüber läuft heiß. Da Mieten jedoch ein Bundesthema sind, ist es aus heutiger Sicht nicht möglich, das Wiener Volk zu befragen. Deswegen hob Parteichefin Eva Glawischnig das Thema rasch auf die Bundesebene.

Sehr wohl befragt werden die Wiener über das Parkpickerl. Das klebt zwar schon auf den Autos, aber auf Druck der ÖVP, die noch vor der Ausweitung des Pickerls auf weitere Bezirke das Volk fragen wollte, wird die Abstimmung nachgereicht. Die dreht sich dann aber nicht um Pickerl ja oder nein, sondern um Konzepte über Verkehrssteuerung, mit dem Parkpickerl als eine Variante - eine sehr indirekte Art der direkten Demokratie, durch die Hintertür, die dem Bürgermeister Michael Häupl viel Kritik eingebracht hat.

Showdown

Die Mutter aller "Miniwahlen" ist die Volksbefragung über die Wehrpflicht am 20. Jänner. Es wird die erste bundesweite Volksbefragung sein. Die Front verläuft quer durch die Große Koalition, was sie zu einer Art Vorwahl für die Nationalratswahl im Herbst macht.

Für viel Medienecho hat das Begehren von Hannes Androsch zum emotionalen Thema Bildung gesorgt. Mit 383.820 Unterschriften blieb es aber unter den Erwartungen und wird wenig Folgen haben.

OGM-Chef Wolfgang Bachmayer warnt vor Wildwuchs.
© © WZ / Foto OGM

An die neue Tradition, dass Senioren in Österreich die Politik antreiben, schließen ganz aktuell Elder Statesmen wie Johannes Voggenhuber und Erhard Busek mit "MeinOE" an (siehe unten).

"Es ist gut, dass die Mitbestimmung zunimmt", meint Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer. "Aber wir sollten die Entwicklung nicht durch eine Inflation abwerten", sagt er und warnt vor einem Wildwuchs.