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6000 türkische Unternehmen gibt es zurzeit in Österreich. | Oft helfen ihnen ihre Familien. | Die fehlende Ausbildung verursacht aber auch Probleme. | Wien. "Die Türken machen vieles aus dem Bauch heraus, weil ihre Familie hinter ihnen steckt." Ergün Kuzugüdenli, Leiter des Wirtschaftsmagazins "Esnaf" für Unternehmen mit ethnischem Ursprung, kennt die Lage türkisch-stämmiger Unternehmer aus eigener Erfahrung.
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Früher war der Sohn türkischer Gastarbeiter im Lebensmittelbereich tätig. "Es gibt viele Familienunternehmen", so Kuzugüdenli. "Dieser Rückhalt ist für Türken wichtiger als ein Beamtenstatus."
Kuzugüdenli beziffert die Zahl türkisch-stämmiger Unternehmer in Österreich mir rund 6000. Zwei Drittel davon seien in Wien, geschätzte 70 Prozent Kleinstbetriebe, immerhin fünf Prozent aber bereits Großbetriebe mit mehr als 100 Mitarbeitern. Besonders stark vertreten seien Türken im Lebensmittelhandel und der Gastronomie.
Besonders vielseitig
"Im Vergleich zu anderen Communitys sind wir aber sehr vielseitig", meint Kuzugüdenli. Viele Türken seien auch im Baugewerbe, der IT-Branche oder im Textil-Bereich aktiv, einige leiten Supermärkte oder gründen Taxiunternehmen, Installationsbetriebe und Tischlereien. "Es gibt rund 40 türkischstämmige Juweliere in Wien und 100 Frisiersalons."
Kuzugüdenli hebt hervor: "Wir sind sehr risikofreudig. Wir brauchen nicht so sehr Sicherheit und wollen manchmal auch das schnelle Geld. Nur leider funktioniert das nicht immer." Manche Unternehmen hätten Probleme und kämpfen täglich ums Überleben, und das liege nicht nur an der Wirtschaftskrise. Denn einige beginnen schlicht ohne Planung. "Wenn Türken bei der Anmeldung ihres Unternehmens nach dem Gewerbe gefragt werden, ist die typische Antwort: ,Ich weiß es noch nicht", erzählt Kuzugüdenli.
Das Fehlen eines Geschäftsplans sei einer der Hauptfehler: "Man muss sich doch zuerst mit der Sache auseinandersetzen, aber viele machen das nicht", betont der Unternehmensberater. "Es fehlt die Bereitschaft, sich beraten zu lassen. Manche gehen lieber zum Onkel oder zu Bekannten, von denen sie aber falsche Informationen bekommen." Die Ermangelung von persönlichen Ressourcen und Kapital, eine falsche Verkaufspolitik, Unwissenheit und eine ungeschickte Auswahl der Geschäftspartner könne einige dann in schwere Probleme stürzen.
Das größte Manko sieht in der fehlenden Ausbildung. In manchen Fällen mag das nicht so wichtig sein, etwa bei einem Imbiss-Stand an einer stark frequentierten Lage, aber: "Man kann nicht von heute auf morgen Installateur werden oder in die IT-Branche eintreten. Man sollte lieber schauen, wo man sich auskennt." Darüber hinaus gebe es in gewissen Branchen eine Übersättigung auf dem Markt. "Einige glauben irrtümlich, es sei einfach, sich in einer Branche mit bereits vielen existierenden Unternehmen zu etablieren." Das betreffe vor allem die Bereiche Gastronomie, Imbiss oder Kaffeehäuser. "Hier gibt es eine starke Rotation der Besitzer. Oft wird keine Standortanalyse gemacht. Bei schlechter Lage oder Timing nützt auch ein tolles Produkt oft nichts."
Erst in den letzten zwei Jahren habe sich einiges verbessert, nachdem Banken und Wirtschaftskammer mit Nachdruck für realistischere Businesspläne von drei Jahren plädierten.
Erfolg durch viel Arbeit
Ergün Kuzugüdenli wechselte Ende 2007 vom Lebensmittelhandel in die Unternehmensberatung und gründete 2008 "Esnaf" (auf Deutsch: Kleinunternehmer), das seither vom Wirtschaftsverlag herausgegeben wird. Zurzeit erscheint "Esnaf" zweisprachig auf Türkisch und Deutsch. Es bietet praktische Tipps und stellt erfolgreiche türkisch-stämmige Unternehmer vor. Ab Juni 2010 soll "Esnaf" in das neue Medium "ecomigra" eingebaut werden, das sich an Unternehmer aller Nationalitäten wenden wird.
Zu den beachtlichen Erfolgsgeschichten türkisch-stämmiger Unternehmer gehört etwa das bereits bekannte türkische Restaurant Etap, das vor zehn Jahren gegründet wurde. "Hinter dem Erfolg von Etap stecken Zielstrebigkeit und die Familie", meint Kuzugüdenli. "Das ist ein Familienunternehmen, für das die Besitzer ohne eine freien Tag sehr viel gearbeitet haben. Wenn man zu solchen Opfern bereit ist, kann man Erfolg haben."