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Der Pisa-Test und das Ende der Benzinsorte "Normal" ergeben eine Momentaufnahme, in der die österreichische Realität recht hübsch abgebildet wird.
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Nur noch jeder 20. Autofahrer tankt Normalbenzin, sagt die OMV und listet "Normal" aus ihrem Angebot aus. Wir alle fahren also Super, mindestens 95 Oktan oder vielleicht sogar noch mehr, also super Super. Ehrgeizig, wie wir Österreicher sind. Den anderen immer um eine Nasenlänge voraus. Und zugleich doch schön im Mainstream der Motorisierung, die alle Anstrengungen der Industrie, den Dreiliter-Motor auf dem Markt zu platzieren, aushebelt: Weniger Durchschnittsverbrauch quer über das gesamte Kfz-Typenprogramm, dafür aber die individuelle Entscheidung für größere, schnellere Autos.
Eine Nation hat sich von den öden 60er Jahren verabschiedet. Ein Aufstieg. Wieder einmal.
Ein paar unnötige Sachen sind halt auf der rasanten Fahrt in das höherwertige Gesellschaftssystem des 21. Jahrhunderts verlorengegangen. Mit "Fleiß" und "fleißig sein" lässt sich weder in einer Elternkonferenz der Volksschule noch in einer Bildungskonferenz argumentieren, egal ob sich diese gerade mit Gesamtschulkonzepten oder dem freien Zugang zum Hochschulstudium plagt. In beiden Fällen geht es primär darum, was einem zusteht. Den Eltern steht eine Menge guter Noten im Zeugnis ihrer Kinder zu, den Studenten der Gratisstudienplatz im Audimax.
Im einen Fall geraten die Lehrer, im anderen die Minister unter Druck, und in beiden Fällen besteht der konfliktfreie Ausweg darin, Bewertungen entweder de facto ("gute Noten für alle") oder formal ("keine für die Psyche schädlichen Prüfungen und Zeugnisse mehr") abzuschaffen.
Alten Zeiten darf man nicht nachtrauern. Außerdem gab es in der Zwischenzeit ja eine Art Bildungsrevolution, die wichtig war, obwohl wir mit ihr offensichtlich nicht ganz fertig geworden sind. Das große Jammern über das Ergebnis der Pisa-Studie nützt nichts. Ob diese Art von internationalem Qualitätstest überhaupt ein brauchbares Ergebnis zeitigt, ist nicht ganz so ausschlaggebend wie die naheliegende Erkenntnis: Viele Schüler können tatsächlich nicht lesen. Fertigkeiten und das abrufbare Bildungsniveau haben sich in aller Stille und über die Jahre verschlechtert. Wer genau beobachtet, wird ohne Pisa-Brimborium zum selben Ergebnis kommen. Der Niveauverlust ist ein Nebenprodukt des Einstiegs in die Komfortgesellschaft - es markiert den künftigen Stellenwert Österreichs in der Welt.
Und dieser wackelt ja nicht nur in den dubiosen, von Wikileaks in Umlauf gebrachten Diplomaten-Akten der Amerikaner, er wackelt überhaupt.
Wo ist denn die "Pionierrolle" Österreichs bei Umweltschutz und Klima-Rettung geblieben? Auf dem Weg zu den Kyoto-Zielen, nach denen Emissionen beschränkt werden, liegt Österreich mit Italien in der "alten" EU an letzter Stelle. Und was haben doch die Sonntagsredner der Politik in den vergangenen Jahren für heiße Umweltluft geblasen, um sich bei ihren Wählern sympathisch zu machen.
Das alles sind Emissionen der Unterdurchschnittlichkeit. Der Mann vom Möbelwerbespot würde auch dazu so wie zu manchem Einrichtungsschrott "super" sagen und abgehen.
Aber die Bildungspolitiker setzen allen Ernstes bei der Frage an, wer die Lehrer besolden darf - anstatt ehrlich zu knobeln, wie eine im Volk verwurzelte Leistungsethik jenseits der Gratis- und Nutzlos-Kultur wieder hoffähig werden könnte.
Der Autor ist Sprecher der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor Wirtschaftsblatt, Presse und Salzburger Nachrichten.