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"Wir sind wie eine Feuerwehr"

Von Alexia Weiss

Politik

3500 Menschen suchen jährlich den Kontakt. | Am meisten Probleme gibt es beim Übergang von Volksschule zu AHS. | Wien. Es schmerze jedes Mal, wenn ein Kind in eine Sonderschule wechseln müsse, sagt Serafettin Yildiz. Der gebürtige Türke ist Berater in der "Schulinfo für MigrantInnen" des Wiener Stadtschulrats. Yildiz ist seit der Gründung dieser Einrichtung 1986 mit an Bord - doch noch immer "ist es für mich jedes Mal ein Horror, wenn wieder Eltern vor mir sitzen, deren Kind in ein Sonderpädagogisches Zentrum umgeschult werden muss". Natürlich gebe es oft "berechtigte Fakten" für einen solchen Wechsel, sagt Yildiz. Aber eben nicht immer.


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Schüler mit Migrationshintergrund seien an Sonderschulen überrepräsentiert, so der Berater. An die 60 Prozent der Schüler an solchen Lehranstalten hätten Migrationshintergrund, bedauert er. Die offizielle Schulstatistik spiegelt dies ebenfalls wider. Die Kategorie "Schüler mit Migrationshintergrund" gibt es zwar in dieser Statistik nicht. Aber 28 Prozent der insgesamt 2879 Wiener Sonderschüler im Schuljahr 2009/10 waren keine österreichischen Staatsbürger (jedoch nur 16 Prozent aller Wiener Schüler). Und 52 Prozent der Sonderschüler hatten eine andere Muttersprache als Deutsch. Wienweit in allen Regelschulen war im vorigen Schuljahr bei 42 Prozent der Schüler Deutsch nicht die Erstsprache.

Meist sind es dann eben auch die schlechten Deutschkenntnisse, die eine Umschulung unumgänglich erscheinen lassen. Ein bisher als außerordentlicher Schüler geführtes Kind müsse beurteilt werden - und schaffe den Klassenabschluss nicht. Oder das Kind habe bereits wiederholt, könne aber immer noch nicht positiv beurteilt werden. "Wir bemühen uns dann, dass es noch ein bisschen Schonfrist gibt." Das sei aber nicht immer möglich. Die meisten Umschulungen an Sonderpädagogische Zentren gebe es in der Volksschule.

Die "Schulinfo für MigrantInnen" sieht sich als eine Serviceinrichtung für Neuzuwanderer und ebenso für Eltern und ihre Kinder, die ihre Wurzeln in anderen Ländern haben, aber mittlerweile schon in dritter oder vierter Generation in Wien leben. Damit haben sich auch die Aufgabenstellungen an diese Einrichtung, die selbst seit ihrer Gründung als "Schulberatung für Ausländer" nicht nur Namens-, sondern auch Organisationsänderungen durchlaufen hat, über die Jahre hin massiv verändert.

"Heute gibt es kaum Seiteneinsteiger mehr. Die Welle der Familienzusammenführungen ist weitgehend vorbei", erzählt Serafettin Yildiz. Und jene, die neu zuwandern, nehmen oft schon vor der eigentlichen Einreise Kontakt mit der Beratungsstelle auf, um sich über die Bildungsmöglichkeiten für ihre Kinder zu informieren.

Das Gros der Anfragen kommt von Eltern, die selbst bereits in einer österreichischen Schule waren und deren Kinder nun mit Schulproblemen kämpfen, erzählt der Berater. Die meisten Probleme gibt es dabei an der Schnittstelle von der Volks- zur Hauptschule beziehungsweise AHS, sowie mit Schwierigkeiten beim Lernen und bei der Sprache. "Wir sind wie eine Feuerwehr", meint Yildiz. In dem dreiköpfigen Team gibt es noch einen muttersprachlichen Berater für Bosnisch/Serbisch/Kroatisch sowie einen Mitarbeiter, der Gespräche auf Deutsch führt. Auch Beratungen in englischer Sprache sind möglich - sowohl persönlich als auch telefonisch. Im Schuljahr 2009/10 nahmen 3457 Eltern, Lehrer und Direktoren Kontakt mit der "Schulinfo für MigrantInnen" auf.

Heikel sind Beschwerden wegen rassistischer Sprüche

Die meisten Anfragen kommen allerdings von Eltern. Manche von ihnen berichten auch über rassistische oder fremdenfeindlich motivierte Äußerungen von Lehrern. Das sei eine heikle Angelegenheit, betont Yildiz. Solche Dinge seien schwer zu beweisen, und am Ende gehe es vor allem um das Wohl des Kindes. Die Schulinfo sei hier daher auch sehr vorsichtig, wenn sie mit einer Schule diesbezüglich Kontakt aufnehme. Man müsse dann abwägen und diplomatisch sein. "Dieses Thema ist vor allem deshalb heikel, weil es eben oft die Wahrnehmung der Eltern ist, dass Kritik an ihren Kindern rassistisch motiviert ist."

Andererseits zeigt Yildiz Verständnis dafür, dass bei manchen das Gefühl, diskriminiert zu werden, entstehe. Mehr als ein Drittel der Wiener Schüler hat eine andere Muttersprache als Deutsch. Das spiegle sich aber noch nicht in der Ausbildung der Lehrer wider. Und nicht alle Pädagogen hätten sich auf diese heutige Situation eingestellt. "Egal, welche Nationalität sie haben, diese Kinder sind Söhne und Töchter dieser Gesellschaft. Wir leben ein gemeinsames Morgen - und Schule ist der Ort, in dem dieses gemeinsame Morgen gestaltet wird."

Das Schulsystem biete hier viele gute Ansätze - von der Wiener Mittelschule bis zu Teamteaching und Muttersprachenunterricht. Man bemühe sich sehr, alle Kinder zu integrieren und zu fördern - nach Ansicht Yildiz in Wien mehr als in anderen Bundesländern. Aber auch jeder einzelne Lehrer müsse hier mitwirken. Und diese Botschaft sei leider noch nicht bei allen angekommen.

Schulinfo MigrantInnen, Tel.: 01-52525-77868 , sim@ssr-wien.gv.at Beratung telefonisch oder persönlich wochentags von 8.30 Uhr bis 15 Uhr.