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Börsen-Guru fordert einen "Plan B" für Europa.|Diskussion im Wiener Akademietheater.
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Wien. Der für seine punktgenauen Spekulationsgeschäfte und oft zutreffenden Prognosen bekannte US-Milliardär George Soros sieht Europa in einer "revolutionären Situation" ähnlich dem arabischen Frühling oder der Situation beim Zusammenbruch der Sowjetunion. "Wir stehen am Rande des Kollaps", warnte der gebürtige Ungar am Sonntag bei einer Diskussionsveranstaltung im Akademietheater in Wien. Der Zusammenbruch, der möglicherweise mit Griechenland beginne, könne sich ganz schnell auch ausweiten. Soros forderte für den von ihm befürworteten europäischen Einigungsprozess mehr Realismus ein: "Ihr braucht einen Plan B", sagte der Gründer und Vorsitzende des "Instituts für eine offene Gesellschaft".
Dies gelte auch und besonders für die europäische Währung Euro: Soros kritisierte, dass man bei der Schaffung des Euro nicht auch an die Möglichkeit gedacht hat, dass einzelne Länder sich wieder von der Einheitswährung lösen könnten. "Es gibt hier keine Korrekturmöglichkeit", sagte der 81-Jährige. Die sei in einer "offenen Gesellschaft" aber immer vonnöten, da Gesellschaften nun einmal fehleranfällig und nicht perfekt seien. Man müsse mit Realitäten rechnen. Derzeit befinde sich die Europäische Union jedenfalls "in großen Schwierigkeiten", sagte Soros. Über kurz oder lang werde ein Land aus der Eurozone ausscheren. Etwas sei "fundamental schiefgelaufen". Im Moment könne man nur statt einem europäischen Integrationsprozess nur einen "Prozess der Desintegration" beobachten, sagte der umstrittene, als Spekulant geschmähte und Philanthrop gelobte Börsen-Guru.
Freilich – Soros sieht auch Handlungsspielräume: "In der Krise wird das Unmögliche möglich", meinte der 81-Jährige, der sich vor allem in Osteuropa mit nicht unbeträchtlichen Summen für eine "offene Gesellschaft" nach seinen - von Karl Popper geprägten - Vorstellungen engagiert. So sei die Schwierigkeit des Euro die, dass es sich bei ihm um eine "unfertige Währung" handle. Zwar gebe es eine Europäische Zentralbank, aber kein gemeinsames Finanzministerium und keine gemeinsame Fiskalpolitik. Hier müssten Verbesserungen ansetzen. Dass eine vertiefte europäische Integration sinnvoll und nötig sei, einte Soros mit seinen Mitdiskutanten, dem belgischen Ex-Premier Guy Verhofstadt und der umtriebigen italienischen Ex-EU-Kommissarin Emma Bonino. Während aber Verhofstadt und Bonino gleich Plädoyers für die Schaffung Vereinigter Staaten von Europa hielten, glaubt Soros, dass der Integrationsprozess "in Schritten" vorangehen solle. Vereinigte Staaten von Europa – das ginge zu weit und sei nur innerhalb einer "europäischen Extremistengruppe", also einigen glühenden Anhängern, mehrheitsfähig.