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"Wir suchen keine Sozial-Autisten"

Von Stephanie Dirnbacher

Wirtschaft

Osteuropa lockt mit Karrierechancen. | Gehen steuerliche Anreize vor Lebensqualität? | "WienerZeitung":Was macht einen guten Headhunter aus? | Andreas Landgrebe: Es ist eine Mischung aus Unternehmer, Berater und Verkäufer. Es geht nicht nur darum, sich selbst zu verkaufen, sondern darum, in einer seriösen und objektiven Form das Unternehmen einem zukünftigen Manager und einen zukünftigen Manager dem Unternehmen darzustellen. Gleichzeitig muss man mit einer Äquidistanz an die eigene Marktpositionierung herangehen, weil es der Kunde nicht zu schätzen weiß, wenn man auf reine betriebswirtschaftliche Maximierung des eigenen Ergebnisses aus ist.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Zur Suche nach Top-Managern: Gibt es immer weniger gute Führungskräfte?

Die Nachfrage übertrifft das Angebot bei weitem. Man hat 25 Prozent Low-Performer, 50 Prozent Mid-Performer, und von den 25 Prozent an der Spitze gibt es nur zehn, die wirklich outstanding sind.

Ist es sogar schwieriger, gute Top-Manager zu finden als gute Mitarbeiter zu finden?

Die Kunst des Headhunters ist nicht so sehr, diese Personen zu finden, sondern den Besten herauszusuchen. Wenn man einen Absolventen einstellt, muss man viel mehr interpretieren, wie dieser von seiner grundsätzlichen psychologischen Verfassung konstituiert sein könnte, als bei einem Manager, der schon eine entsprechende Historie hat. Die Mechanismen, die man da zur Verfügung hat - Informationen und Referenzen über eine Person einzuholen -, hat man bei einem Absolventen oder einem einfachen Mitarbeiter nicht.

Wie findet man gute Leute?

Wenn man den besten Manager in Russland sucht, muss man den russischen Markt im Detail kennen. Dieses Insider-Know-how kann man nur haben, wenn man vor Ort ist. Wenn man die beste Führungskraft für eine bestimmte Branche sucht, muss man sich profund in der jeweiligen Branche auskennen.

In welchen Branchen braucht man überhaupt einen Headhunter?

In jeder. Unternehmen wie Caritas oder große Sportvereine brauchen genauso professionelles Top-Management und damit einen Headhunter wie eine große Investmentbank.

Welche Positionen werden derzeit am meisten gesucht?

Wir sind auf die erste Management-Ebene spezialisiert - das heißt Geschäftsführung, Bereichsleiter, Direktoren und vergleichbar. Von den Tätigkeitsbereichen wird viel im General Management und im Marketing und Sales gesucht.

Wie gehen Sie bei der Suche nach osteuropäischen Top-Managern vor?

Indem man das lokale Know-how sicherstellt. Ich übernehme keine Suche, wenn wir nicht vor Ort auch die Kapazitäten haben. Und wir gehen keine Suche an, ohne sicherzustellen, dass auch das Practice Know-how vorhanden ist.

Welchen Anteil Ihres gesamten Geschäfts macht die Suche nach Führungskräften für nach Osteuropa expandierende Unternehmen aus?

Die geringsten Prozentsätze sind die Suchen, bei denen ich lokal für einen lokalen Investor in Osteuropa suche. Das sind unter 15 Prozent. Ein sehr hoher Prozentsatz ist die Suche vor Ort für einen internationalen Player - wenn ich zum Beispiel für einen österreichischen Investor in Rumänien suche. Das sind mehr als 50 Prozent unseres Geschäfts.

Dann gibt es noch die Suche für einen globalen oder internationalen Player in der Region. Da sucht man nicht nur in einem Land, sondern in zwei oder drei. Das sind etwa 25 Prozent. Die restlichen zehn Prozent ist die Suche im globalen Kontext.

Werden derzeit in Osteuropa viele Top-Manager gesucht?

In den vier Hot Spots Polen, Rumänien, Russland und die Ukraine machen wir derzeit mehr als 60 Prozent von unserem CEE-Gesamtumsatz. Dieser ist unter sechs Millionen US-Dollar.

Wie lockt man einen westeuropäischen Manager nach Osteuropa?

Damit, dass das Wachstumsmärkte sind, dass es dort andere Entwicklungschancen gibt. Zweitens damit, dass er sich in einer Form positionieren kann, wie es in konsolidierten Märkten wie Großbritannien oder Deutschland nicht möglich ist. Drittens sollte man lokale Verträge nicht unterschätzen, die mit ganz anderen Steuersystemen verbunden sind.

Aber es gibt schon auch Hindernisse: Die Lebensqualität in Wien ist natürlich eine ganz andere als in Moskau. Und wenn ich Familie habe, sollte ich mir diesen Schritt genau überlegen. Jemand, der sich in einer Familiensituation befindet und allein ins Ausland geht, ist todunglücklich. Jemand, der seine Familie entwurzelt und im neuen Land nicht verwurzeln kann, wird auch todunglücklich. Wenn man operativ erfolgreich sein will, braucht man den Rücken gestärkt. Wir suchen nicht irgendwelche Sozial-Autisten, die nur auf Karriere und auf Erfolg aus sind, sondern wir suchen ja Menschen.

Was sind die Anreize in Westeuropa für die Rekrutierung?

Karriere ist der größte Anreiz. Die meisten Manager denken massiv in Hierarchien. Ausschlaggebend ist auch, welches Unternehmen die Nase vorn hat - die Attraktivität des Arbeitgebers. Je weiter das Gehalt nach oben geht, desto irrelevanter wird es, wenn einem von einem Konkurrenzunternehmen mehr Gehalt geboten wird. Um jemanden in ein Unternehmen zu bekommen, das er subjektiv als unattraktiv empfindet, muss man so unverhältnismäßig viel mehr bezahlen. Davon raten wir ab. Wer für Geld kommt, der geht auch wieder für Geld.

Wie viel lassen sich Unternehmen die Suche nach einer Führungskraft kosten?

Ein Drittel des Jahresgehalts.

Andreas Landgrebe ist seit mehr als 13 Jahren im Bereich der Führungskräfte-Suche tätig. Seit 2005 ist er Geschäftsführer für Österreich, Osteuropa und Russland in dem internationalen Executive-Search-Unternehmen Ray & Berndtson.