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Wir Südländer

Von Matthias Greuling

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Der ORF lässt derzeit seinen Emotionen freien Lauf, und das muss gelobt werden. Denn wer schon ein Spiel der Euro bei ARD oder ZDF gesehen hat, wacht meist erst beim Torjubel wieder auf. Die deutschen Kommentatoren tun in punkto stimmlicher Erregung nämlich immer so, als handle es sich um die Schachweltmeisterschaft; der Bundes-Jogi setzt in Interviews diesen nüchternen Ton ohne nennenswerte stimmliche Hebungen fort, und der immer ein bisschen bemitleidenswert schauende ARD-Experte Mehmet Scholl lässt mit Wehmut an den stets erzürnten Günther Netzer zurückdenken. Die ORF-Kollegen sind jedenfalls beherzter und erregter, wenn der Ball zum Tor fliegt. Kein Wunder, denn von Deutschland aus gesehen, sind wir Südländer, und die müssen ihr Mehr an Emotion irgendwo ablassen. Toooooor statt Tor. (Wie muss eine Fußball-Übertragung dann erst in Finnland aussehen?)

Auch die Emotion am Spielfeld selbst ist Thema: Als vor der Verlängerung der Partie England-Italien die ausgepowerten Spieler am Feld rumlagen und die Beine massiert bekamen, schaltete der ORF in eine Werbepause - und der Kommentator entschuldigte sich dafür! Man wäre "leider vertraglich dazu verpflichtet", die Werbespots zu senden. Dem Kommentator blutete das Herz, weder angespannte Gesichter noch angespannte Schenkel zeigen zu können. Wer also künftig richtig mitzittern will, sollte die Spiele im ORF verfolgen. Weil im November 2013 ist dann eh wieder Schachweltmeisterschaft, die echte nämlich.