Dem Lieben Gott ins Handwerk pfuschen, war immer schon Teil der Baukunst, gerade der Landschaftsarchitektur. Ein Brandenburger Projekt geht seiner Vollendung entgegen.
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An eine Kombination von Schokoladen-, Erdbeer- und Vanilleeis zwischen zwei Waffeln denken die meisten zuerst, wenn sie den Namen "Fürst Pückler" hören. Der Chefkoch des preußischen Königs hatte Mitte des 19. Jahrhunderts diese Eiskreation erfunden und so benannt.
Der Mann, dessen Name auf diese Weise weiterlebt, wurde 1785 als Sohn des größten deutschen Standesherren und einer Reichsgräfin auf Schloss Muskau in der Lausitz geboren. (Die Lausitz, mehr als 100 Jahre eine habsburgische Markgrafschaft, ist ein Landstrich zwischen Sachsen, Brandenburg und Polen, der vor allem durch seinen Braunkohlentagebau berühmt geworden ist.)
Nach einigen Reisen in exotische Länder, aber auch nach England, über die er pseudonym Berichte verfasste, begann er 1815, den Park seines Geburtsschlosses Muskau nach dem Vorbild englischer Landschaftsgärten zu gestalten, verschuldete sich dabei aber so, dass er das Schloss verkaufen musste. Nun wandte er sein Augenmerk dem Erbschloss Branitz bei Cottbus zu und setzte den Verkaufserlös ein, um erneut einen Landschaftspark nach englischem Vorbild, den heutigen Fürst-Pückler-Park, anzulegen. Dabei nutzte er den hohen Grundwasserstand und die Nähe der Spree, um in seinem Park ein künstliches Gewässersystem zu schaffen. Mit dem Aushub ließ er das Geländerelief des 600-Hektar-Parks mit Hügeln und Tälern anlegen. Dies machte ihn mit einem Schlag zum wichtigsten deutschen Gartengestalter Deutschlands im 19. Jahrhundert.
Der Park steht auf der Denkmalschutzliste Brandenburgs. Und Brandenburg war es auch, das im Jahr 2000 die "Internationale Bauausstellung (IBA) Fürst-Pückler-Land" ins Leben gerufen hat, die im kommenden Jahr abgeschlossen wird.
Internationale Bauausstellungen prägen in Deutschland schon seit mehr als 100 Jahren städtische Entwicklungsschübe. 1989 bis 1999 war es die IBA Emscher Park im Ruhrgebiet, die sich erstmals der Umstrukturierung einer ganzen Region widmete und einen neuen Typ Kulturlandschaft entwickelte.
Diesen Ansatz greift die IBA Fürst-Pückler-Land auf. In der Lausitz werden im Rahmen der Braunkohlegewinnung und -sanierung Millionen Kubikmeter Erde bewegt. Wo sich einst das Energiezentrum der DDR befand, liegt heute die größte Landschaftsbaustelle Europas. Hier werden Berge versetzt und neue Seen geschaffen. Die "künstliche Naturlandschaft" vollzieht den Strukturwandel der Region. Aber nicht, indem sie alle Spuren verwischt, sondern kreativ aufgreift.
Eines von 25 IBA-Projekten, die von der Revitalisierung alter "Industriekathedralen" bis zur originalgetreuen Nachbildung einer 1100 Jahre alten slawischen Rundburg reichen, nennt sich "Schwimmende Häuser" - Wohnen auf künstlichen Seen.
Auf einem Bergbaufolgesee entstand zum Beispiel eine schwimmende Tauchschule. Das zweistöckige Gebäude mit einer Nutzfläche von 123 Quadratmetern steht auf einem Schwimmponton aus betonummanteltem Schaumstoff. Zugleich gründete die IBA ein "Kompetenzzentrum Schwimmende Architektur".
Den besten Überblick bieten die IBA-Terrassen: An die Tagebaukante geschmiegt, beherbergen sie das Besucherzentrum der IBA sowie des Lausitzer Seenlandes. Von hier aus hat man einen atemberaubenden Blick in die sich wandelnde Tagebaulandschaft und auf den stetig wachsenden Ilse-See.
In der Lausitz zeigt sich, dass die Zerstörung der Natur nicht unumkehrbar ist. Hier entsteht Schönheit, wo einst nur Zweckrationalität waltete. Die Postmoderne bewältigt die Moderne.