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"Wir werden alleine gelassen"

Von Werner Reisinger

Politik

AMS-Deutschtrainer wurden gekündigt, weil sie sich für bessere Arbeitsbedingungen stark machten.


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Wien. Vor gut einer Woche wurde Martin (richtiger Name der Redaktion bekannt) aus seinem Deutschkurs geholt. Im Büro der Geschäftsleitung wurde dem Deutschtrainer die Kündigung ausgesprochen, vom Dienst wurde er mit sofortiger Wirkung freigestellt. Mit Ende Oktober sind er und eine weitere Kollegin arbeitslos. Gründe für seinen Rausschmiss bekam der junge Mann nicht zu hören. Im Gegenteil, er habe "gute Arbeit" geleistet. Doch die Anweisung, sich von ihm zu trennen, käme von ganz oben, ließ ihn der Regionalgeschäftsleiter von BIT, einem der großen privaten Bildungsinstitute, die für das AMS Deutschkurse für Flüchtlinge abwickeln, wissen.

Den Betroffenen ist allerdings klar, wieso sie gekündigt wurden. Seit Monaten setzen sie sich für bessere Arbeitsbedingungen ein, vor allem für mehr Vor- und Nachbereitungszeit. Viele von ihnen unterrichten 36 Stunden pro Woche, etwas mehr als eineinhalb Stunden Vorbereitungszeit haben sie zur Verfügung. Den beiden nun gekündigten Deutschlehrern hatten sich zehn weitere BIT-Trainer angeschlossen: Sie verlangten 30 Stunden Unterricht und zumindest acht Stunden Zeit für die Kursvorbereitung, Korrekturarbeiten und weitere administrative Tätigkeiten, die sie erledigen müssen.

Mit ihren Forderungen wandten sich die Trainer an den BIT-Betriebsrat. Dieser jedoch zeichnete sich durch "Untätigkeit" aus, wie es die Betroffenen formulieren. Erst nach Interventionen bei der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA-djp) wurde eine Betriebsversammlung organisiert. Der dort – gegen den Willen der Trainer – ebenfalls anwesende Vertreter der BIT-Geschäftsleitung wies die Forderungen zurück. Vor einigen Wochen wandten sich einige der BIT-Trainer an den "Standard", um ihre Geschichte öffentlich zu machen. Für die beiden Gekündigten ist klar: "Die Kündigung ist ein Signal an alle, die intern um bessere Bedingungen kämpfen. ‚Wenn du dich wehrst, fliegst du raus‘."

"Gehen Sie zur Gewerkschaft!"

Davon wollen sich die Trainer aber nicht einschüchtern lassen. Unter dem Titel "Gute Arbeit? Gute Deutschkurse?" luden die Wiener Grünen am Mittwochabend zu einer Podiumsdiskussion. Dort herrschte in jederlei Hinsicht dicke Luft. Über hundert Deutschtrainer der privaten Institute BIT, Mentor, Ibis Akam oder ZIB Training waren gekommen, um unter anderem AMS-Wien-Geschäftsführerin Petra Draxl mit ihrer prekären Arbeitssituation, der schlechten Bezahlung und der wachsenden Überforderung mit den zu unterrichtenden Flüchtlingen zu konfrontieren. Man würde alleingelassen, auch mit der schwierigen Integrationsarbeit, die man im Deutschkurs leisten müsse.

Dass seitens der Institute, die um die Kursausschreibungen des AMS in Konkurrenz stehen, mit aufmüpfigen Trainern kurzer Prozess gemacht wird, dürfte kein Einzelfall sein. Wie die "Wiener Zeitung" Ende April berichtete, wurde ein Deutschtrainer vom Dienst freigestellt, nachdem er in den Medien offen über die Misere bei den Kursen gesprochen hatte. Seitens der Betriebsleitung warf man ihm damals "betriebsschädigendes Verhalten" vor. Auch er konnte nicht auf seinen Betriebsrat zählen. Dieser schrieb in einem internen Mail: "Die öffentliche Meinung derzeit auf die Problematik Deutschkurse zu lenken fördert viele Stimmen, die generell gegen Deutschkurse, gegen das AMS und gegen Asylsuchende sind und polarisieren, was nicht hilfreich ist."

Den Trainern, in der überwiegenden Mehrheit Frauen, geht es um eine für sie unhaltbare Situation, in die sie aufgrund des Kostendrucks ihrer Arbeitgeber gedrängt werden. Zwar regelt der Babe-Kollektivvertrag den Mindestlohn der Trainer, dieser gilt aber auch für andere Bereiche der Weiterbildung. Zentrale Forderungen der Trainer, wie jene nach ausreichend Vor- und Nachbereitungszeit, sind im KV nicht eindeutig geregelt. Festgehalten ist dort nur, dass es eine solche geben muss, nicht aber wie und in welchem Ausmaß.

Maximal 1600 Euro netto verdienen die Deutschtrainer. Bis zu fünf Jahre werden als Vordienstzeit angerechnet – egal, wie viel Berufserfahrung ein Trainer nachweisen kann. Auch Qualifikationen, wie beispielsweise ein abgeschlossenes Studium, berücksichtigt der Kollektivvertrag nicht. Dass ein Kollektivvertrag auch eine "Nivellierung nach unten" bedeutet, stellt Reinhard Weidinger, stellvertretender Vorsitzender der Babe-Arbeitgebervereinigung, nicht in Abrede: "Der Dienstgeber zahlt eben dann, was er zahlen muss."

Bei der Auftragsvergabe des AMS an die Institute würden Ausbildung und Erfahrung sehr wohl eine Rolle spielen, sagt AMS-Chefin Draxl. Es gelte das Best-, nicht das Billigstbieterprinzip. Eine Trainerin widerspricht dem heftig: "Wir sind nicht daran interessiert, Trainer mit hoher Qualifikation einzustellen, weil wir so wenig wie möglich bezahlen wollen, um die Projektzusage zu erhalten" – das bekomme man an einigen Instituten beim Vorstellungsgespräch klipp und klar zu hören. Gut qualifizierte Deutschtrainer mit jahrelanger Erfahrung werden so sukzessive aus dem Berufsfeld verdrängt und durch weniger qualifizierte Trainer ersetzt, so der Tenor auf der Podiumsdiskussion.

In einem sind sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer einig: Schuld an der Misere ist die Konkurrenz der Institute. Diese zwinge die Arbeitgeber zum Sparen, gibt auch Reinhard Weidinger offen zu. Die Ausschreibungen würden immer wieder jene Institute gewinnen, die die anderen "massiv unterbieten", sagt eine Trainerin. Wie Weidinger verweist auch Draxl auf den Babe-KV – und auf die Ausschreibungsrichtline des Bundes. Diese gelte für alle vom AMS angebotenen Weiterbildungsmaßnahmen, für die Deutschkurse fehle eine eigene Richtlinie. Und daran sei man eben auch als AMS gebunden. Üblich sei nur die Bezahlung von Vordienstzeiten von bis zu 15 Prozent der Stundenanzahl – abhängig vom Institut. Würde man sich bei den KV-Verhandlungen auf höhere Vordienstzeiten, die Anerkennung von Qualifikationen und eine Definition von zu bezahlender Vor- und Nachbereitungszeit einigen, "dann schreiben wir das so in die Richtlinie". Das AMS habe eine Monopolstellung, empören sich die Trainer, und daraus folge auch eine politische Aufgabe. Es solle sich beim Finanzminister für mehr Budget einsetzen.

Raus aus der Verantwortung

"Es glaubt doch wohl niemand, dass das AMS einfach zum Finanzminister gehen und sagen kann, wir wollen jetzt 60 Prozent Vor- und Nachbereitungszeit und damit ein Bildungsbudget von 600 Millionen Euro", assistiert Weidinger. Vielleicht solle das AMS weniger "Sinnloskurse" anbieten, entgegnet eine Trainerin. Für ihre Antwort erntet Draxl nur Gelächter: "Wir machen keine Sinnloskurse."

Im Übrigen sei das AMS bei den Deutschkursen für Flüchtlinge nur "eingesprungen", rechtfertigt sich Draxl. Der Österreichische Integrationsfonds und der Fond Soziales Wien würden demnächst mit Ausschreibungen in der Höhe von 12 bzw. 10 Millionen Euro den Bereich übernehmen, "für den sie auch zuständig sind", sagt Draxl: "Das AMS wird dann ein Stück weit aus der Verantwortung genommen." Wer Probleme habe, solle sich eben an die Gewerkschaft wenden.

Der BIT-Betriebsrat hat die Kündigung von Martin auf dessen Wunsch angefochten. Seine ebenfalls gekündigte Kollegin hat es aber aufgegeben, mit dem Betriebsrat zu sprechen. Der Rat einer ebenfalls am Mittwochabend bei der Diskussion anwesenden Gewerkschafterin: "Betriebsräte kann man auch abwählen – und neu gründen."