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"Wir werden genauer hinschauen"

Von Ina Weber

Politik

Private Kindergärten und Kindergruppenbetreiber werden künftig strenger kontrolliert.


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Wien. Die Frage, ob man auch islamische Bildungsstätten zulässt oder nicht, stellt sich für Jürgen Czernohorszky, SPÖ-Bildungsstadtrat, nicht. Er stehe zum roten Kurs und zur Bundesverfassung und diskriminiere keine Weltreligion. Das sei eine Grundsatzentscheidung: "Wir können auch sagen, dass wir einen laizistischen Weg verfolgen, tun wir aber derzeit nicht", so der Stadtrat. Das heißt, solange Kindergärten und Schulen religiös sein können, gilt das für ihn für jede anerkannte Glaubensgemeinschaft. Der Islam ist nach dem Christentum die zweitgrößte Weltreligion.

Im Gegensatz zur ÖVP Wien, die nicht möchte, dass die Stadt "Parallelgesellschaften mit öffentlichen Steuergeldern finanziert", versucht die rot-grüne Stadtregierung, dem oft undurchschaubaren Dickicht an privaten Kindergärten oder Kindergruppen mit strengeren Kontrollen Herr zu werden. Notwendig gemacht haben dies zahlreiche Fördergeldskandale bei privaten Kindergärten und -gruppen in den vergangenen Jahren. Allein seit dem Jahr 2016 wurden 31 Kindergarteneinrichtungen geschlossen. Die "Wiener Zeitung" hat darüber berichtet. Wie viele dieser Kindergärten islamischen Hintergrund hatten, wurde nicht erhoben. Sicher sei aber, dass in keinem Fall der Betreiber "islamisch radikalisiert hat", so Michaela Krejcir, die stellvertretende MA11-Chefin.

Am Mittwoch war es so weit, Czernohorszky präsentierte gemeinsam mit der MA11 und MA10 das neue Paket, welches im Herbst als Kindergartengesetzes-Novelle beschlossen werden soll, und damit strengere Kontrollen. "Jede einzelne problematische Kinderbetreuung ist eine zu viel. Platz für schwarze Schafe gibt es nicht. Deshalb werden wir noch genauer hinschauen", so der Stadtrat.

Persönlich zum Magistrat

Die neuen gesetzlichen Grundlagen sollen folgendermaßen aussehen: Jeder Antragsteller, der sich erstmals um eine Bewilligung bewirbt, muss sein pädagogisches Konzept persönlich vor einem fachlichen Gremium erläutern. Weiters wird bei Antragstellung erstmals ein Businessplan gefordert. "Damit soll der Antragsteller in die Lage versetzt werden, über seine eigene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu reflektieren", so Krejcir. Der Plan muss eine umfassende Marktanalyse mit Prognosen zur Auslastung enthalten. Eine bereits erfolgte Insolvenz ist ein Ausschließungsgrund für den Betrieb. Oft würden wirtschaftliche Probleme Hand in Hand mit mangelnder Qualität der Betreuung gehen, so der Stadtrat.

Und drittens sollen die Kindergartenleiter in Zukunft stärker in die Verantwortung genommen werden. So werden eine Ausbildung von 100 Stunden in den Bereichen Konflikt-, und Personalmanagement, Teamentwicklung, rechtliche und betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen und eine stärkere Zusammenarbeit mit den Eltern vorgeschrieben.

Um die Angaben der Antragsteller gut überprüfen zu können, wird die MA11 (zuständig für Qualitätskontrolle) und die MA10 (zuständig für Förderungen) in Zukunft verstärkt untereinander und mit dem Verfassungsschutz zusammenarbeiten. "Dann werden wir nicht nur über Verurteilungen, sondern auch über laufende Verfahren und Vormerkungen unterrichtet", so Krejcir. Dabei geht es "um alle Delikte, die geeignet sind, das Kindeswohl zu gefährden", so die stellvertretende MA11-Chefin.

Neben einer genaueren Überprüfung der Antragsteller ist die Kontrolle vor Ort die einzige Möglichkeit, Einblick in private Kindergärten zu nehmen. Diese Kontrolle finde durchschnittlich einmal im Jahr statt und werde zum Teil angekündigt, sagte Krejcir, zum Teil auch nicht. Rund 1400 privaten Einrichtungen, inklusive Tageseltern, stehen 13 Kontrolleure vor Ort der MA11 zur Verfügung. Diese sollen nun um sieben Personen auf 20 aufgestockt werden. Im Jahr 2016 haben laut MA11 insgesamt 3153 Kontrollen stattgefunden.

Islam-Studie im September

Während die Stadt Kontrollen durchführt und bedenkliche Kindergärten schließt, ist bundesweit im Hinblick auf die Wahlen längst wieder eine Debatte rund um die sogenannten Islam-Kindergärten entbrannt. Der neue ÖVP-Chef Sebastian Kurz forderte vergangene Woche zuerst die Schließung aller derartigen Standorte und nachfolgend strengere Vorgaben. Czernohorszky hat dies als "Wahlkampftaktik" kritisiert und zeigte sich verwundert über die Kurz’schen Vorschläge noch vor Vorliegen der gemeinsam beauftragten Studie.

Bis September soll diese fertig sein. "Das Ziel der Studie ist ja: Schauen wir uns das Thema explizit an", so der Stadtrat. Die am Sonntag erfolgte Gesprächseinladung, um die Vorschläge des Integrationsministers dennoch gemeinsam zu diskutieren, sei Kurz übrigens bisher nicht nachgekommen, sagte Czernohorszky. Unverändert bleibt, dass die religiöse Ausrichtung einer Wiener Kindergarteneinrichtung nicht explizit erhoben wird. Wenn ein Betreiber das Ziel habe, konfessionelle Inhalte - egal ob christliche oder islamische - zu vermitteln, müsse das sowieso im pädagogischen Konzept angeführt werden. Dieses enthalte die maßgeblichen Anhaltspunkte für die laufenden Kontrollen, so der Stadtrat.

Die Opposition war indes nicht erfreut. Die FPÖ Wien pochte weiter auf die Schließung von Islam-Kindergärten. "Wer sich bei uns niederlässt, muss die unbedingte Bereitschaft zeigen, auch unsere Lebensweisen anzunehmen. In Islam-Kindergärten wird das wohl eher weniger praktiziert werden", sagte FPÖ-Klubobmann Dominik Nepp. Auch der ÖVP gingen die Verschärfungen nicht weit genug. Landesparteichef Gernot Blümel sprach zwar von kleinen wichtigen Schritten, dies sei aber zu wenig: "Die wichtigste Maßnahme fehlt: Nämlich, dass endlich der konfessionelle Hintergrund von Kindergartenbetreibern erhoben und vor allem geprüft wird." Blümel wünscht sich 100 Kontrolleure - denn immerhin leiste sich Wien 500 Personen, die parkende Autos überprüfen.

"Nicht weitreichend genug" nannte auch Neos-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger die geplante Gesetzesnovelle. Sie forderte mehr Geld für Kindergärten.