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"Wir wollen fairen Zugang zum Markt"

Von WZ-Korrespondent Tobias Käuer

Politik

In Guatemala wird am Wochenende gewählt. Indigene Unternehmer und Unternehmerinnen wollen das Land über Handel und Geschäfte ein Stück besser machen und schreiben damit eine kleine Erfolgsgeschichte. Ein Besuch vor Ort.


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Shampoo ohne chemische Zusätze, biologisch produzierter Honig, ökologische Handcreme: Was an diesem Tag in geschmückten Körben und fein säuberlich aufgereiht auf den Präsentationstischen des Netzwerkes der indigenen Unternehmerinnen und Unternehmer (REI) in Chimaltenango angeboten wird, ist wie geschaffen für einen Markt einer Kundschaft, die ihr Leben mit ökologisch nachhaltig produzierter Ware organisieren will. "Dahinter steckt unser Wissen, unsere Jahrhunderte alte Erfahrung", sagt Maria Tuyuk, die Vorsitzende des Netzwerkes REI. Die Organisation ist dabei eine kleine Erfolgsgeschichte zu schreiben und blickt nun auch auf den europäischen Markt.

Der Schlüssel des Erfolges: Selbstbestimmung. "Alles, was wir wollen, sind die gleichen Zugangschancen zum Markt wie alle anderen Unternehmen. National wie international. Um den Rest kümmern wir uns selbst", sagt Tuyuk. Sie steht damit für einen Typus Unternehmerin, die auf die Kraft der eigenen Produkte und der eigenen Strategie setzt und vertraut. Die keine Subventionen, sondern Marktchancengleichheit fordert. Die vielen guatemaltekischen Unternehmerinnen in der Organisation diskutieren und entscheiden selbst. Ohne Vorgaben internationaler NGOs, die für ihre Fördergelder auch gerne die Übernahme der ideologischen Ansichten einfordern.

Europäer denken industriell, nicht manuell

Die Qualität der Produkte ist erstklassig. Erzeugt werden sie nach alten Rezepten in Handarbeit zu Hause in eigenen Laboratorien. Von hier aus geht es dann auf die großen Märkte in Guatemala-Stadt oder anderen Städten. Die Unternehmerinnen haben eigene Boutiquen oder verfügen über einen selbst gepflegten Kundenstamm. Die Qualität spricht sich herum, so wächst die Klientel Tag für Tag. Und es wachsen auch die Chancen in den Produktionsgemeinden. Es fließt Geld aufs Land, das reinvestiert wird. Es entstehen Arbeitsplätze. Vor allem die ländliche Bevölkerung profitiert. In überschaubarem Maße, aber der Erfolg spricht sich herum. Tuyuk spricht wie eine Unternehmerin, nicht wie eine NGO-Funktionärin. Sie spricht über Marktchancen, über Wachstum, über Entwicklung durch Export und Produktionssteigerung.

Nun aber wollen die REI-Frauen weiter wachsen. Auch nach Deutschland. Dafür braucht es jedoch Zertifikate, die meist auf industriell hergestellte Produkte ausgerichtet seien, nicht auf individuell produzierte Ware. "Das ist eine große Hürde", sagt Tuyuk. Der internationale Handel sei nicht auf indigene Produkte vorbereitet, nicht immer offen dafür. Die Europäer würden industriell, nicht manuell denken. Dabei könnten die Indigenen liefern, was die Kosmetik-Industrie in Deutschland nur in Ansätzen zu leisten in der Lage ist.

"Es gibt große Schwierigkeiten bei der Erlangung von Umweltverträglichkeits- und Hygienegenehmigungen. Das sind die Haupthindernisse bei der Vermarktung der Produkte", sagt Tuyuk. Einer der Gründe für die Nichterteilung von Lizenzen sind die Haus-Laboratorien, in denen die Produkte entstehen. "Es gibt Gemeinden, die mit einer hohen indigenen Bevölkerung in extremer Armut arbeiten, mit Häusern aus Pappe und Blech." Diese entsprechen nicht den europäischen Import-Richtlinien. Also darf nicht in die EU exportiert werden. Genau das wäre aber ein Ausweg aus der Armut. Arme müssten sich entscheiden, investieren sie ihr weniges Geld in die Produktionsstätte, oder verwenden sie es, um das eigene Überleben zu sichern. Hier kommt das Unternehmer-Netzwerk ins Spiel: "Deshalb gehen wir Allianzen mit öffentlichen Einrichtungen ein, damit die zuständigen Stellen uns helfen können, schneller Ergebnisse zu erzielen", sagt Tuyuk. Es geht darum, die traditionell benachteiligte indigene Bevölkerung zu fördern und in die Lage zu versetzen, sich selbst zu helfen.

Die Wirtschaftsschule der Organisation haben bislang 13.500 Menschen besucht. Sie alle führen inzwischen Kleinstunternehmen oder helfen dabei. "Die Region hat Potenzial. Wir haben Cluster für alle Schuh- und Agrarindustrien, wir sind in jeder Region, in der wir vertreten sind, organisiert", so Tuyuk. Es gibt auch Routen, um lokale Spezialitäten kennenzulernen, wie in San Juan de la Laguna.

Doch Tuyuk und ihre Mitstreiterinnen beschränken sich nicht auf Produktpräsentationen. Die Organisation ist auch eine Unternehmensberatung. "Wir kooperieren mit Akteuren, die in der Wirtschaftsförderung tätig sind, mit einheimischen Behörden und Institutionen. Wir stellen dort Projekte vor, leisten Überzeugungsarbeit. Oft jahrelang. Wir machen das so, weil es einige Projekte gibt, die eine kommunale oder institutionelle Unterstützung benötigen."

Uneinigkeit in Guatemalas indigener Politik

Am 25. Juni wird in Guatemala gewählt. Eine Gelegenheit, um die Rechte der indigenen Bevölkerung zu stärken. Doch der linksgerichteten Thelma Cabrera wurde die Kandidatur an den Präsidentschaftswahlen aus formellen Gründen verboten. Cabrera spricht von Betrug, die zuständige Behörde verweist darauf, dass sie zwei Monate Zeit gehabt hätte, die Missstände auszuräumen. Stattdessen könnte eine hochumstrittene Politikerin in die Stichwahl kommen: die rechtskonservative Zury Rios, Tochter des ehemaligen Diktators Efrain Rios Montt, der während des Bürgerkrieges in den 1980er Jahren zehntausende Indigene töten ließ.

Innerhalb der diversen indigenen Ethnien gibt es Rivalitäten. "Es gibt in Guatemala viel Rassismus und es herrscht allgemeines Misstrauen zwischen den verschiedenen Sektoren", sagt Nery Rodenas, Leiter des Menschenrechtsbüros des Erzbistums Guatemala-Stadt (ODHAG). Aber nach den internen bewaffneten Konflikten gäbe es heute Organisationen unter den indigenen Gemeinschaften, die es vorher nicht gab, indigene und bäuerliche Gemeinschaften. Das sei ein Fortschritt: "Diese Organisationen sind bis zu einem gewissen Grad eine Verbesserung der politischen Partizipation. Der jahrelange Bürgerkrieg, dem vor allem die indigene Bevölkerung zum Opfer gefallen ist, hat das Misstrauen der Menschen, insbesondere im Landesinneren, jedochverstärkt."

Tuyuk sieht eine Schwierigkeit darin, dass die indigenen Politiker untereinander zersplittert sind und keinen Konsens über ihre Bewegung erreichten. "Meine persönliche Meinung: Thelma Cabrera vertritt nicht die Indigenen, sondern eine Bewegung, die sich für die Verteidigung der Rechte einsetzt. Sie kämpft für die Anerkennung der kulturellen Vielfalt in Guatemala. Aber mir scheint, dass einer der Fehler der Partei darin besteht, keine Allianzen eingehen zu wollen. Sie will es als Bewegung allein machen."

In Guatemala wird am Wochenende gewählt. Indigene Unternehmer und Unternehmerinnen wollen das Land über Handel und Geschäfte ein Stück besser machen und schreiben damit eine kleine Erfolgsgeschichte. Ein Besuch vor Ort.