Zum Hauptinhalt springen

"Wir wollen uns nicht alles leisten"

Von Eva Stanzl

Wissen
Wolfgang Knoll (60) ist wissenschaftlicher Geschäftsführer des AIT in Seibersdorf. Foto: Andreas Pessenlehner

Schwerpunktsetzung soll heimischer Forschung Konturen verleihen. | Grundlagen für Industrie-Produkte: "Volle Auftragsbücher." |
§§"Wiener Zeitung": Vor einem Jahr wurden die Austrian Research Centers (ARC) und das ehemalige Forschungszentrum Seibersdorf unter neuer Geschäftsführung als AIT (Austrian Institute of Technology) neu aufgestellt. Ziel ist eine Fokussierung der ehemals zersplitterten Forschungsaktivitäten, einige Bereiche wurden aufgelöst. Was wird jetzt im AIT geforscht? * | Wolfgang Knoll: Unsere Eigentümer sind die Republik Österreich mit 50,46 Prozent, vertreten durch das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BmVit), und die Industriellenvereinigung mit 49,54 Prozent der Anteile.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Unser Auftrag ist Technologieentwicklung in den fünf Kernthemen der Infrastruktur - Energie, Mobilität, Umwelt und Gesundheit sowie Sicherheit im Sinne des sicheren Übertragens, Speicherns und Findens von Daten. Dazu kommt "Foresight and Policy Development", ein Think Tank für künftige Maßnahmen der staatlichen Förderstrategie. Mit dem Fokus auf unsere Kernthemen erreichen wir die kritische Masse, die notwendig ist, um international wahrnehmbar zu sein. Wir wollen eine Art Radar sein für strategisch wichtige Technologie-Veränderungen.

Was ist Ihr aktuell spannendstes Forschungsprojekt?

Im Bereich Energie etwa konzentrieren wir uns auf "Smart Cities": Es geht um energieeffizientes Bauen im Sinn eines effizienteren Managements der eingesetzten Primär-Energie. Gebäude haben ein Optimierungspotenzial von bis zu 30 Prozent beim Heizen, Kühlen, im Luft-Management und bei der Befeuchtung.

Ein Ziel des AIT ist, Erkenntnisse der Grundlagenforschung zu Geschäftsbereichen werden zu lassen. Wie soll man sich das vorstellen?

Unternehmen, mit denen wir kooperieren, machen neue Produkte aus den Grundlagen, die wir gemeinsam mit universitären Instituten erforschen. Wir gehen Bereiche an, in denen es noch keine Grundlagenforschung oder technischen Lösungen gibt. Das AIT entwickelt Methoden, um zukunftsweisende Lösungen für die Industrie anbieten zu können. Etwa Simulationsprogramme, mit denen Städteplaner auf dem Computer durchspielen können, welche Gebäude welche Energie-Sparpotenziale haben, wie Wärmetauscher-Pumpen im Gesamtsystem reagieren, wenn Energie über Windkraftanlagen ins Netz gespeist wird oder wie Ladestellen für Elektroautos als Strom-Zwischenspeicher fungieren.

Sie wollen das AIT zu einem internationalen Zentrum für exzellente Wissenschaft entwickeln. Wie weit sind Sie bisher gekommen?

Nun, vielleicht werden wir es nie erreichen. Aber wir werden uns zunehmend daran annähern, ein Spieler in Europas Champions League zu werden. Vor der Umstrukturierung wusste nicht nur die Welt nicht, was die Varianten von Seibersdorf oder ARC machten, sondern auch die ARC wussten nicht, was die ARC machten. Aber es ist etwas anderes, mit dem AIT zu sprechen. Man hat uns eine zwei- bis dreijährige Übergangsphase eingeräumt, denn wir konnten nichts so nehmen, wie wir es vorfanden.

Laut Rechnungshof verdienten die beiden ehemaligen Geschäftsführer mit je 308.660 Euro im Jahr mehr als der Bundeskanzler. Zudem wurde ein aufgeblähter Verwaltungsapparat kritisiert. Was konnten Sie daran ändern?

Wir absolvieren derzeit den größten Veränderungsprozess in der Geschichte des Unternehmens. Wir haben ein Strategiedokument, das von den Mitarbeitern mitformuliert wurde. Nun müssen wir diese neue Strategie in den Köpfen aller rund 1000 Mitarbeiter verankern. Sie erlebten jahrzehntelang eine Aufstellung in die Breite, die in der Profillosigkeit der ARC gemündet hat. Hier verdiente ein Technologieunternehmen Geld, indem es Labordienstleistungen und sogar Kameras verkauft hat. Das ist nicht die Mission des AIT. Aber erklären Sie mal jemandem, dass Sie ein Geschäft abdrehen wollen, das jährlich eine Million Euro Gewinn macht, besonders wenn Sie gleichzeitig in Zukunft 30 Prozent des Budgets selbst aus der Industrie lukrieren müssen.

Weiters sollen künftig Wissenschafter nicht bei uns anheuern und dann bis zur Pensionierung bleiben, sondern im Austausch mit der Welt stehen. Wissenschafter-Verträge werden auf fünf Jahre ausgestellt, und Bezahlung richtet sich nicht nur nach dem Senioritätsprinzip, sondern auch nach dem Markt und nach Leistung.

Haben Sie genug Geld? Tut der Bund genug?

Wir bekommen rund 40 Millionen Euro pro Jahr vom Bund für die nächsten vier Jahre. Weitere 30 Millionen kommen aus Forschungskooperationen und weitere 30 Millionen lukrieren wir eben aus der Industrie. Wir sind zudem weniger krisenanfällig als andere Institute aufgrund unserer Fokussierung in Bereichen, die uns noch eine Weile bleiben werden und politisch leicht vermittelbar sind. Wie sehen keine Delle und haben volle Auftragsbücher.

Was darf in der nationalen Forschungsstrategie, die im August präsentiert wird, nicht fehlen?

Ein kleines Land wie Österreich muss sich fragen, wie viel auf Entdeckungen abzielende Forschung es sich leisten kann. Ich wünsche mir eine Ausgewogenheit zwischen Grundlagen- und angewandter Forschung. Alles, was wir fördern, muss sich in irgend einer Weise mittel- bis langfristig amortisieren, und wir müssen uns kritisch überlegen, wer was macht, um eine profillose Forschungslandschaft zu vermeiden. Auch im universitären Bereich wäre eine Strategie, die die richtigen Schwerpunkte setzt, hilfreich. Die steuerliche Forschungsförderung ist bis zu einem gewissen Grad Luxus, da sie hohe Mitnahmeeffekte bringt. Sich nicht alles leisten zu wollen, wäre ein sinnvoller Ansatz für das gesamte Land.