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"Wir zeigen, was passieren kann"

Von Christine Zeiner

Wirtschaft

Die Hauptbibliothek am Urban-Loritz-Platz war gestern genauso mit Absperrbändern versehen wie das Hanuschkrankenhaus und der Westbahnhof: Unter dem Motto "GATS bedrohte Zonen" veranstalteten Vertreter der Stopp-GATS-Kampagne an über 280 Orten in Österreich einen Aktionstag, um auf mögliche Folgen des Dienstleistungsabkommens der Welthandelsorganisation WTO aufmerksam zu machen.


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"All jene Menschen, die tagtäglich wichtige Arbeit im Dienste der Gesellschaft - etwa in Spitälern, Pflegeeinrichtungen, Schulen und Kindergärten, E-Werken, bei der Eisenbahn und Müllabfuhr oder in Wasserwerken - verrichten, werden die negativen Auswirkungen der Liberalisierung dieser Einrichtungen spüren", verkündete ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch vor dem Parlament. Veronika Litschel von der Armutskonferenz sagte im Gespräch mit der "Wiener Zeitung": "Auch wenn die WTO-Konferenz in Cancún gescheitert ist, gehen die GATS-Verhandlungen in Genf weiter. De Verhandlungsrunde dauert bis 2005. Das GATS ist schwer zu vermitteln und hochkompliziert. Am Aktionstag gehen wir an die Öffentlichkeit und zeigen, was passieren kann." So seien etwa Armutsgefährdete und von Armut akut Betroffene doppelt so häufig krank wie der nicht in diese Gruppe fallende Bevölkerungsteil. Würden Gesundheitsleistungen privatisiert, anstelle der Pflichtversicherung beispielsweise eine Versicherungspflicht vorgeschrieben sein, würden bestimmte Gruppen wie chronisch Kranke und Arbeitslose höhere Beiträge zu zahlen haben. "Zwar wird der Staat eine Minimalversorgung bereitstellen, die Qualität wird aber schlechter, weil einfach weniger Menschen in den staatlichen Gesamttopf einzahlen. Wenn ich privat versichert bin, weshalb soll ich auch für einen staatlichen Topf zahlen?" spricht sie eine mögliche Auswirkung von GATS an. Ähnliches gelte für Privatschulen. "Bildung ist ein Menschenrecht, das grundsätzlich allen offenstehen sollte. Aber durch GATS wird Bildung zu einem reinen Dienstleistungsprodukt degradiert", ist ÖH-Bundesvorsitzender Ralf Schallmeiner überzeugt. Doch kann durch den Aktionstag eine "aufmerksam gemachte Öffentlichkeit" tatsächlich Einfluss auf die WTO-Politik nehmen? Litschel: "Ich glaube, dass die Öffentlichkeit und die Zivilgesellschaft auf politischer Ebene sehr viel bewirken können."

Stichwort GATS

Das "Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen" (General Agreement on Trade in Services) ist eine der zentralen Säulen der WTO. 1995 haben die Verhandlungen über eine Dienstleistungsliberalisierung begonnen, Verhandlungsende soll der 1.1.2005 sein. Bis zum Juni 2000 mussten die WTO-Mitglieder die anderen dazu auffordern, bestimmte Dienstleistungsbereiche für nicht heimische Mitbieter zu öffnen. Bis zum März 2003 hatten die WTO-Mitglieder nationale Verpflichtungslisten zu erstellen, in denen jene Sektoren genannt sind, die die Länder jeweils selbst zur Liberalisierung frei geben. Für die EU ist Handelskommissar Pascal Lamy Chefverhandler.