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Wirbel um gefeuerte US-Bundesanwälte

Von Gabriele Chwallek

Politik

Justizminister entließ acht Anwälte. | Kongress leitete Untersuchungen ein. | Washington. (dpa) Waren sie zu links, nicht regierungstreu genug oder waren sie einfach unfähig? In den USA wächst der Wirbel um eine Massenentlassung von Bundesanwälten - gefeuert vom Justizministerium. Gleich acht auf einmal- und damit fast jeder zehnte - wurden an die Luft gesetzt, dem Ministerium zufolge, weil ihre professionelle Arbeit zu wünschen ließ. Die Demokraten sprechen von einem Justizskandal, werfen der Regierung einen verfassungswidrigen, politisch motivierten Eingriff in die Rechtsprechung vor. Auch viele Juristen finden die Entlassungen mehr als dubios.


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Justizminister Alberto Gonzalez räumte inzwischen Fehler ein, schloss aber einen von demokratischen Politikern verlangten Rücktritt aus.

93 Bundesanwälte gibt es in den USA. Sie sind die Chefankläger in Verfahren, in denen es um Verstöße gegen Bundesgesetze geht. Das Justizministerium nominiert sie, und der Senat muss sie bestätigen. Allerdings hat das Ministerium das Recht, sie zu entlassen. Und: Es kann frei werdende Posten mit "Übergangsanwälten" besetzen, ohne den Senat einschalten zu müssen. Das sieht ein kleiner, zunächst unbeachtet gebliebener Zusatz zu den Anti-Terror-Gesetzen vor, der im März 2006 im Zuge der Verlängerung der Gesetze eingefügt wurde.

Seitdem sind 13 der 93 Anwälte durch neue ersetzt worden, alle als "Übergangslösung" am Senat vorbei. Einer der Neulinge ist ein guter alter Freund von Präsident George W. Bushs engstem Berater Karl Rove.

Beeinflussungsversuche von Republikanern

Acht der Anwälte erhielten ihr Kündigungsschreiben Ende des Jahres - und diese geballten Entlassungen ließen schließlich die Alarmglocken schrillen. Auch die Gefeuerten selbst traten an die Öffentlichkeit. Wie mehrere von ihnen bei jüngsten Kongressanhörungen im Zuge von eingeleiteten Untersuchungen mitteilten, gingen ihrer Entlassung wiederholte Versuche republikanischer Politiker voraus, ihre Arbeit zu beeinflussen.

In einem Fall soll ein Senator in New Mexico gleich vier Mal beim zuständigen - später gefeuerten - Bundesanwalt angerufen haben, um beschleunigte Ermittlungen gegen Demokraten wegen mutmaßlicher Korruption zu erreichen. Ob eine Anklage noch vor der Kongresswahl (im November 2006) erhoben werden könne, fragte der seinerzeit selbst zur Wahl stehende und politisch bedrängte Senator Pete Domenici den Schilderungen des Entlassenen zufolge. Abschlägig beschieden, habe der Republikaner vor Wut den Hörer aufgelegt.

Der Stabschef im Justizministerium, Kyle Sampson, nahm inzwischen seinen Hut, aber aufgebrachten Liberalen wie Senator Charles Schumer reicht das nicht. Minister Roberto Gonzales selbst müsse gehen, forderte Schumer am Dienstag. Er sprach von einem "himmelschreienden Machtmissbrauch" und wittert auch, dass das Weiße Haus stärker die Hände mit im Spiel hatte als es bisher eingeräumt habe.

Wasser auf die Mühlen sind dabei erst jetzt bekannt gewordene Dokumente, die dem US-Kongress im Zuge seiner Untersuchungen übergeben wurden.

Bush-Beraterin wollte alle Anwälte entlassen

Danach empfahl die seinerzeitige Rechtsberaterin des Weißen Hauses, Helen Miers, 2005 dem Justizministerium, alle 93 Bundesanwälte im Land zu entlassen, um dem gerade wiedergewählten Präsidenten George W. Bush einen "frischen Start" zu geben. Gonzales, der den Vorgang inzwischen bestätigte, hielt das aber für keine gute Idee: Das schaffe zu große Unruhe.

Am Ende flogen dann "nur" 13 Anwälte. Namen der meisten von ihnen standen nach Medienberichten auf einer von Stabschef Sampson verfassten Abschussliste, die Miers zugeleitet wurde. Daneben erhielt sie auch Benotungen aller 93 Bundesanwälte, eingeteilt in mehrere Kategorien. Darunter: "Loyal" gegenüber der Regierung, "gegen Regierungsinitiativen eingestellt" und "uneffektiv".