Zum Hauptinhalt springen

Wirbel um Kinsky-Vermögen

Von Wolfgang Libal

Politik

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 21 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Der tschechische Staatsbürger Franz Ulrich Graf Kinsky, aus einer zweiten Linie dieses alten böhmischen Adelsgeschlechtes, derzeit mit dem Wohnsitz in Argentinien, möchte sein 1945 auf der Basis der Benes-Dekrete konfisziertes Vermögen zurück haben. Er hat deshalb bei den verschiedensten Gerichten der Tschechischen Republik insgesamt an die 150 Klagen eingereicht. Eine davon ist bereits positiv entschieden worden in dem Sinne, dass dem Kläger 1,5 ha Land in Ost-Böhmen zurückzugeben seien.

Das hat die staatlichen Instanzen alarmiert, denn die Palais, Schlösser, Wälder und Burgen im Werte von rund 1,3 Milliarden Euro, auf die Graf Kinsky Anspruch erhebt, befinden sich seit 1945 in staatlichen Händen. Sollten sie dem Kläger aufgrund gerichtlicher Urteile zurück erstattet werden, so sehen die tschechischen Stellen darin gefährliche Präzedenzfälle. Es könnten dann, so behaupten sie, die vertriebenen Sudetendeutschen ihr seinerzeit beschlagnahmtes Vermögen zurück verlangen. Sprecher dieser demagogischen Interpretation des Falles Kinsky machte sich vor allem Kultur-Minister Pavel Dostal, der darin einen Angriff auf die Benes-Dekrete sieht. Aber auch Ministerpräsident Vladimir Spidla war für einen Eingriff in richterliche Entscheidungen in dem Sinne, dass das Oberste Gericht auf Druck der Regierung den Gerichten Richtlinien für einheitliche Entscheidungen in Restitutionsfällen erteilt.

Restitutionsfälle einheitlich entscheiden

Dabei geht es in der Causa Kinsky gar nicht um die Benes-Dekrete als solche. Der Kläger macht nur ihre juristisch fehlerhafte Anwendung geltend.

Graf Franz Ulrich Kinsky hatte seinen Besitz im Alter von sechs Jahren von seinem Großvater geerbt; er war 1945 außerhalb des Landes und neun Jahre alt, als die Besitztümer auf der Basis der Benes-Dekrete konfisziert wurden. Er sei damals weder Deutscher und schon gar nicht ein Nazi gewesen, argumentiert die Verteidigung.

Um dem aufgeregten und widersprüchlichen Hin und Her auf staatlicher Seite ein Ende zu sehen, rief Staatspräsident Vaclav Klaus vergangene Woche eine Sitzung der wichtigsten Verfassungsfaktoren ein, an der außer ihm und Spidla auch die Vorsitzenden der Nationalversammlung Lubomir Zaoralek und des Senats, Petr Pithart teilnahmen. Heraus kam ein Kommuniqué, das so verklausuliert ist, dass der normale Bürger kaum etwas damit anfangen kann. Wichtig darin ist aber, dass die Politiker, ohne dass der Fall Kinsky erwähnt wird, aufgefordert werden, "sich mit überflüssigen, nervösen und oft unangemessenen Reaktionen auf einzelne Äußerungen im In- und Ausland und einzelne Justizfälle zurückzuhalten". Das kann so interpretiert werde, dass die Causa Kinsky nicht zu einem innerpolitischen Hick-Hack benützt werden soll. Ansonsten soll der "gesellschaftliche und politische Konsens der neunziger Jahre" in Fragen der Vergangenheit nicht in Frage gestellt werden, was sich nur auf eine einheitliche Haltung auch in der Restitutionsfrage beziehen kann. Hält man sich an die Interpretation, die Pithart nachträglich dem Treffen beim Staatspräsidenten gegeben hat, so sei es hauptsächlich darum gegangen, eine Beruhigung in der Gesellschaft herbeizuführen.

Gerichte sollen entscheiden

Dazu wäre zu sagen, dass es mit dem Fall Kinsky eine Unruhe nur unter den Politikern gegeben hat und dass die "Gesellschaft", also die Öffentlichkeit einschließlich der Medien, auf die Geschichte mit Gelassenheit reagiert und betont hat, es sollten die Gerichte, unabhängig und unbeeinflusst, entscheiden.

Der Politologe und frühere Berater Präsident Havels, Jiri Pecha, meinte, die Regierung solle endlich die Benes-Dekrete als undemokratische Maßnahme zur Verwirklichung der kollektiven Schuldzuweisung bezeichnen und sie aus der rechtlichen Ordnung des Landes beseitigen.