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Die Mid-Term-Wahlen in den USA vom 7. November haben vor allem bei den Republikanern die Gewichte verschoben. Plötzlich haben Bush-Kritiker wieder eine politische Zukunft. | Dass der republikanische Senator Chuck Hagel aus Nebraska jemals einen ernsthaften Anlauf in Richtung Präsidentenamt nehmen könnte, galt noch vor einem Monat als undenkbar. Der Weg war für ihn, der Präsident Bush für seine Irakpolitik und andere Entscheidungen immer wieder offen kritisiert, verbaut. Wie enorm viel die Mid-Term-Wahlen in den USA Anfang November verändert haben, zeigt sich nun daran, dass das Undenkbare denkbar wird: Hagel überlegt, sich um eine Nominierung in der republikanischen Partei zu bemühen. Die endgültige Entscheidung will er in den nächsten Wochen treffen.
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Der Ausgang der Wahl spiegle den Zusammenbruch des Vertrauens der Wähler in den jetzigen Regierungsstil, sagte Hagel: Das eröffne neue Möglichkeiten, zum Beispiel für den "offensten Präsidentschaftswahlkampf seit 1952".
Was eine Kandidatur Hagels besonders interessant machen würde, ist die Tatsache, dass sich seine Einschätzung des Irakkriegs und anderer Entscheidungen der letzten Jahre heute als sehr klug herausstellt. Seine Analysen erweisen sich aber nicht nur im Nachhinein als auffallend weise, sondern Hagel machte sie meist auch sehr viel früher als alle anderen Politiker, egal ob Republikaner oder Demokraten.
Hagel, ein Vietnamveteran und ein scharfsichtiger Beobachter, ganz besonders, was die Sicherheit betrifft, hatte gleich zu Beginn Bedenken gegenüber der Irakpolitik Bushs. Und er hatte, was noch sehr viel wichtiger ist, auch den Mut, Zweifel und Kritik prompt klar und deutlich auszusprechen, zu einer Zeit, als die anderen Politiker es vorzogen zu schweigen.
Schon am 20. Februar 2003 warnte Hagel davor, im Irak einzumarschieren. In einer Rede in Kansas stellte er damals fest, dass die USA ziemlich allein dastünden mit ihrer Forderung nach Militärgewalt, um den Irak zu entwaffnen. Hagel warnte ausdrücklich davor, sich vorschnell in einen Krieg zu stürzen.
Einige von Hagels Vorahnungen muten heute fast unheimlich an: Was kommt nach Saddam Hussein?, fragte er. Er mahnte zur Umsicht und immer wieder, die Notwendigkeit von Koalitionen einzusehen, also auf Alleingänge zu verzichten. Die Bush-Regierung drängte er, sofort nach Kriegsende die Überwachung der UNO zu überlassen und nicht darauf zu hoffen, dass sich die Demokratie im Irak plötzlich wie von selbst einstellen würde.
Hagel war auch einer der Ersten, der die Wichtigkeit eines Dialogs mit dem Iran erkannte. Heute ist es selbstverständlich, vor einigen Jahren hingegen brauchte man viel Mut, das zu sagen. Bereits am 10. Juli 2003 sagte Hagel in einer Rede im Senat, dass Gespräche zwischen Washington und Teheran über das iranische Atomprogramm nötig werden könnten. Und in einer Rede vor dem Rat für Auswärtige Angelegenheiten betonte er am 15. November 2005: Die beiden Regierungen könnten oder wollten sich offenbar nicht zusammensetzen, um ihre Sichtweisen auszutauschen: Das müsse sich ändern.
Natürlich hat sich Hagel mit seiner offenen Kritik an der Politik der Bush-Regierung innerhalb der eigenen Partei nicht unbedingt viele Freunde gemacht - aber nur bis zum Tag der Wahl. Seither ist alles anders. Alles, außer Hagels Kritik.
Nach der Wahl sagte er über Bushs außenpolitische Vorstellungen: Niemand könne vernünftige Außenpolitik auf der Grundlage göttlicher Mission aufbauen. "Das haben wir schon im Mittelalter versucht, bei den Kreuzzügen."
Schwer vorstellbar, dass die Republikaner unter der Führung Bushs und Karl Roves Hagel wirklich schätzen lernen könnten, aber wer weiß: Wir leben, wie Hagel das nennt, in einer Zeit der "Transformationspolitik".
Übersetzung: Hilde Weiss