Gastkommentar: Bleibt Österreichs größtes börsenotiertes Unternehmen eigenständig oder wird es zu einer Zweigstelle russischer Interessen?
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Im Hintergrund der sportlichen Rivalität zwischen Österreich und Norwegen auf Piste und Schanze spielt sich gerade ein wirtschaftliches Drama ersten Ranges ab, bei dem Norwegen entscheidend bestimmen kann, ob die OMV, Österreichs größtes börsenotiertes Unternehmen ein eigenständiges Unternehmen bleibt oder de facto zu einer Zweigstelle der russischen Gazprom wird. Die "Wiener Zeitung" und andere haben in den vergangenen 18 Monaten mehrmals über das immer enger werdende Nahverhältnis zwischen Gazprom und OMV berichtet, besonders über den Urengoy-Asset-Swap und die Nord-Stream-2-Gaspipeline.
Während die OMV-Spitze die erhofften Vorteile der drastisch verstärkten Beziehungen mit Gazprom hochjubelt und die Bundesregierung da offenbar willig und begeistert mitzieht, haben andere, so auch ich in der "Wiener Zeitung" und in der "Presse", vor den Nachteilen des Deals gewarnt. Am 14. Dezember 2016 wurde nun in Wien in Anwesenheit von österreichischen Regierungsmitgliedern eine bindende Grundvereinbarung zum Urengoy Swap unterzeichnet (siehe dazu Leban in der "Wiener Zeitung" vom 14. Dezember vorigen Jahres). Vor der breiten Öffentlichkeit, also auch mir, werden wichtige Details dieser Vereinbarung geheimgehalten, dennoch ist es möglich, aus verschiedenen Meldungen von OMV und Gazprom das Puzzle zusammenzufügen.
Das sich ergebende Bild ist wunderschön für Gazprom, weniger so für die OMV. Hier einige "Höhepunkte": Die OMV wird mit 24,98 Prozent in tiefliegenden und technisch riskanten Teilen des Urengoy-Feldes in Sibirien einsteigen dürfen, die Gazprom wird sich dafür 38,5 Prozent der OMV Norge aneignen. Darüber hinaus verpflichtet sich die OMV, bis 2035 mindestens 900 Millionen Euro in Urengoy zu investieren. Die tatsächlichen OMV-Investitionen in Urengoy werden aber, meiner Meinung nach, diesen Betrag substanziell überschreiten.
Die OMV wird bezahlen, hat aber de jure bei den Partnern Gazprom und BASF/Wintershall, deren jeweilige Anteile mit 50,01 Prozent bzw. 25,01 Prozent über der Sperrminorität liegen, wenig mitzureden. Außerdem meldet die OMV auf ihrer Homepage: "Die Swap-Transaktion soll nach derzeitigem Stand, abgesehen von möglichen Anpassungszahlungen bei Closing, ohne Barmittelab- bzw. -zuflüsse erfolgen." Das ist ein Schlüsselsatz, der andeutet, dass da möglicherweise doch noch größere Geldforderungen oder andere ausgleichende Forderungen an die OMV gestellt werden könnten.
Die OMV wird eine bedeutende langfristige und verlässliche Geldquelle für Gazprom und damit Russland. Gemäß der bekannten Vertragsbedingungen wird die OMV - wegen des Pipelinemonopols Russlands - das durch ihre Investitionen in Urengoy produzierte Gas zuerst zu einem niedrigen Preis (zum Beispiel russischer Inlandsgaspreis) erst an Gazprom verkaufen und dann, um exportieren zu können, von Gazprom zu einem höheren Preis zurückkaufen müssen. Eine Ausnahme scheint für Kondensat zu bestehen, für das OMV annähernd Weltmarktpreis bekommen sollte. Kondensat stellt aber nur einen geringen Teil der der OMV zustehenden 560 Millionen Barrel Öläquivalent dar.
Faire Behandlung vor russischen Gerichten fraglich
Fraglich ist auch, ob die OMV bei Konflikten mit Gazprom vor russischen Gerichten eine faire Behandlung erwarten kann. OMV wird zum Bezahler von gewaltigen Steuern und Abgaben in Russland. Die Gesamtheit der Urengoy-Vertragsbedingungen können die vom OMV-Chef Seele oft gepriesenen niedrigen Produktionskosten (an denen ich sowieso zweifle) im finanziellen Endergebnis auslöschen. Die OMV wird auch zahlreiche Arbeitsplätze für russische Staatsbürger schaffen, aber zugleich weiterhin Arbeitsplätze in Österreich und anderswo abbauen. Die OMV wird langfristig (bis mindestens 2035) ein schwer von Russland abhängiger Kunde für russisches Gas und Öl.
Natürlich braucht Österreich russisches Gas. Es ist aber nicht nötig, sich jetzt, zu einer Zeit, da in vielen Produktionsgebieten, die ja der OMV offenstehen, ein gewaltiges und für lange Zeit anhaltendes Überangebot von billigem Öl und Gas besteht, und wenn erneuerbare Energiequellen verfuegbar sind, ganz stark von einem Lieferanten abhängig zu machen. Gazprom-Chef Miller hat in der Pressekonferenz am 14. Dezember 2016 in Wien ganz deutlich gemacht, dass er im Urengoy-Swap "Synergien bei Logistik, Trading und Marketing" von Gas sieht (siehe Leban in der "Wiener Zeitung"). Das heißt für mich, dass unter den "Eckpunkten sowie nächsten Schritten" des unterzeichneten bindenden Vorvertrages die OMV der Gazprom weitgehende Mitsprache in OMVs Gastrading, Gasmarketing und im Gastransport gibt. Dass die OMV der Gazprom schon Sondergenehmigungen im Gas-Speicherbereich gegeben hat, ist ja seit langem bekannt, auch dass die Gazprom alle RAG-Gasspeicher in Österreich mehrheitlich besitzt. Durch den bargeldlosen Swap erreicht Gazprom also den weiteren Ausbau ihrer dominierenden Position in Europas Gasmärkten entlang der ganzen Gas-Wertkette von der Produktion bis zum Marketing.
Diese, alle EU-Direktiven missachtende, monopolistische Dominanz der Gazprom wird noch deutlicher, wenn man den OMV-Beitrag im Zusammenhang mit den Gas-Geschäftsbereichen sieht, die von BASF/Wintershall als Eintrittskarte für deren 25,01 Prozent Anteil an denselben Teilen des Urengoy-Feldes bargeldlos eingebracht wurden.
Gazprom gewinnt Zugang zu und Besitz von Öl- und Gasreserven in Norwegen; damit verbunden Zugang zu und Einsichten in das Gasgeschäft Norwegens, einem direkten Konkurrenten Russlands. Gazprom wird durch den Einstieg in die norwegischen untermeerischen Vertragsgebiete der OMV endlich Zugriff auf wertvolle westliche Technologien erhalten. Das wurde von Alexei Miller auch am 14. Dezember in Wien in der Pressekonferenz als für Gazprom besonders wichtig hervorgehoben, da Gazprom, im Gegensatz zur OMV, bisher nur am Land bohrt.
Ein Gazprom-OMV-Technologie-Kooperationsabkommen, das auch mit dem Urengoy-Swap zusammenhängt, sieht die Einrichtung eines gemeinsamen Masterprogrammes in Petroleum-Engineering zwischen der russischen staatlichen Gubkin-Universität und der Montanuniversität in Leoben vor. Das einst beliebte gemeinsame Petroleum-Engineering-Studium zwischen Leoben und der Colorado School of Mines ist inzwischen auf ein einsemestriges Austauschprogramm geschrumpft. Es ist inzwischen auch klar, dass der Einstieg der OMV als williger Promoter und Milliardeninvestor in die zu 100 Prozent der Gazprom gehörenden umstrittenen Nord-Stream-2-Gasleitung eine Vorbedingung zum Urengoy-Swap ist.
Wer weiß, wer dannim Kreml sitzen wird?
Gazprom erreicht das alles in einem bargeldlosen Swap, also ohne auch nur einen Cent bezahlen zu müssen, unmittelbar wenn der endgültige Vertrag unterschrieben ist. Die OMV hingegen wird erst in vielen Jahren positiven Cashflow von Urengoy sehen (wenn überhaupt jemals; wer weiß, wer dann im Kreml sitzen wird?). Ein solches, für Gazprom glänzendes Ergebnis ist ein ganz beachtlicher Erfolg der russischen Unterhändler, besonders zu einer Zeit, in der Russland durch Sanktionen und niedrige Öl- und Gaspreise behindert ist. Noch nie in meiner fast 50-jährigen Tätigkeit in der Öl- und Gasindustrie habe ich jemals ein Abkommen gesehen, das eine Seite so eklatant bevorzugt!
Obwohl wichtige Details noch ausgehandelt werden müssen und die nötigen Genehmigungen in Norwegen und Russland noch ausstehen, ist das Grundsatzabkommen mit 1. Jänner 2017 in Kraft getreten. Da Russland einem endgültigen Vertrag zweifellos zustimmen wird, hängt jetzt sehr viel an der Haltung Norwegens. OMV und Gazprom wollen nun im Jänner 2017 mit Norwegen über den für das Zustandekommen des Swap nach jetzigem Stand unbedingt notwendigen Einstieg der Gazprom in norwegische Vertragsgebiete der OMV verhandeln. Es ist zu hoffen, dass Norwegen, trotz der sportlichen Rivalität, als wahrer Freund Österreichs, aber auch im eigenen Interesse und im Interesse eines friedlichen, freien und demokratischen Europas, dem Monopolzuschlag Russlands Einhalt gebietet und den Deal doch noch platzen lässt.
Zum Autor
Wolfgang E.
Schollnberger
war mehrere Jahrzehnte lang als Manager für OMV, Shell, Amoco und BP in mehr als 50 Ländern tätig und auch Vorsitzender der International Association of Oil and Gas Producers (IOGP) in London sowie Honorarprofessor an der Montanuniversität in Leoben. Derzeit lebt er in den USA.