Wien/Berlin/Paris - Die EU-Verfassung, an der der Reformkonvent derzeit fieberhaft arbeitet, sieht auch einen äußerst einflussreichen Posten vor: Den eines EU-Außenministers. In den letzten Tagen verdichten sich die Hinweise, dass Deutschlands Joschka Fischer diese Funktion sowohl anstreben, als auch tatsächlich erhalten könnte.
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Erst im April dieses Jahres, auf dem Erweiterungsgipfel in Athen, haben sich die EU-Staats- und Regierungschefs auf die Schaffung eines EU-Außenministeramtes geeinigt. Dass ein solcher Posten in den nächsten Jahren eingeführt wird, scheint - ganz im Gegensatz zu dem heftigst umstrittenen Projekt "EU-Präsident" - gesichert. Als aussichtsreichster Kandidat wird der deutsche Außenminister gehandelt. So empfahl etwa Kanzler Gerhard Schröder seinen Grünen Vize mit den Worten, dieser wäre "eine glänzende Besetzung". Er, Schröder, werde sich einem derartigen Schritt seines Außenministers nicht in den Weg stellen.
Prominente Unterstützung
Unterstützung erhält Fischer auch von Seiten der französischen Regierung. Die hat gestern den Deutschen ebenfalls für den begehrten Posten vorgeschlagen. "Er wird ein ausgezeichneter Außenminister für Europa sein", machte sich der französische Chefdiplomat Dominique de Villepin für seinen Amtskollegen stark. Auch Frankreichs Europaministerin Noelle Lenoir streut Fischer Rosen: Dieser sei ein "hervorragender Bundesaußenminister" so Lenoir gegenüber der Tageszeitung "Die Welt". Sollte der Konvent das Amt eines EU-Außenministers schaffen, "dann brauchen wir dafür eine Person, die wie Fischer über viel internationale Erfahrung und exzellente Kenntnisse der EU verfügt". "Die Welt" berichtet in ihrer gestrigen Ausgabe allerdings ergänzend, bei mehreren kleineren Ländern wachse der Unmut über eine solche Kandidatur. "Es ist dafür noch viel zu früh", habe etwa der griechische Außenminister Georgios Papandreou erklärt. Ähnlich hätten sich die Außenministerien Polens und Tschechiens geäußert, heißt es. Eine Kandidatur Fischers soll aber von Polen, Italien und Schweden unterstützt werden.
Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel verhält sich vorerst abwartend: Vor der Nennung eines Namens für einen künftigen EU-Außenminister müsse "der Inhalt stimmen", so Schüssel in einem Interview mit dem deutschen Nachrichtensender N24. Der Deutsche sei zwar "ein guter Außerminister", doch zuerst müsse man sich über eine einheitliche außenpolitische Linie innerhalb der Union klar werden, meinte der Bundeskanzler in Hinblick auf die jüngsten, desaströsen Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg.
Zusätzliche Kompetenzen
Glaubt man verschiedenen Medienberichten, ist es Joschka Fischer mit seinen EU-Ambitionen durchaus Ernst: Die "Neue Zürcher Zeitung" schreibt in ihrer gestrigen Ausgabe, dass Fischer in dem neuen Amt nicht nur die Agenden des derzeitigen EU-Kommissars für Außenbeziehungen, Chris Patten und die des EU-Außenbeauftragten, Javier Solana, aufgehen lassen will. Angeblich will der ambitionierte Grünpolitiker zusätzliche Agenden aus anderen EU-Bereichen unter seinem Kommando vereinen.
Unterdessen hat Kommissionschef Romano Prodi ausgeschlossen, dass er den "umgekehrten Weg" - den aus der EU in die nationale Politik - einschlagen könnte. Er wolle sich nicht in einem italienischen Wahlkampf als Gegenkandidat zu Berlusconi aufstellen lassen, sollte dieser wegen seiner Probleme mit der Justiz Neuwahlen ausschreiben, ließ Prodi ausrichten.