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Wird Schüssel Vizekanzler?

Von Brigitte Pechar

Analysen

Gerüchte in der ÖVP, dass Schüssel in Regierung geht. | Ziel könnte EU-Kommission sein. | Wien. 34,33 Prozent für die ÖVP, 35,34 Prozent für die SPÖ. Fast sieben Wochen sind seit der Nationalratswahl vergangen. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel wurde von den Medien schon abgeschrieben, die ÖVP zierte sich, überhaupt in Verhandlungen mit der SPÖ zu gehen. Zu tief saß nach dem fix in der Tasche geglaubten Sieg die Ernüchterung nach der Wahlnacht.


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Landwirtschaftsminister Josef Pröll wurde schon als neuer Strahlemann der ÖVP gefeiert. Jetzt leitet er zwar die Arbeitsgruppe zur Zukunft der Partei, es ist aber sehr viel ruhiger um ihn geworden. Weil die Öffentlichkeit nicht glauben wollte, dass Schüssel hinter einem Bundeskanzler Alfred Gusenbauer die Nummer zwei abgeben werde, wurde sogar der Lieblingsschwiegersohn der Nation, Finanzminister Karl-Heinz Grasser die Führung der Schwarzen zugetraut.

Eine Variante, die für viele in der ÖVP sicherlich nur schwer verdaulich wäre. Grasser verfügt über gar keine Hausmacht. Auch Schüssel wurde am Anfang seiner Obmannschaft (4. Mai 1995) nur von seinem Wirtschaftsbund getragen. Im Laufe der Jahre und vor allem nach dem spektakulären Wahlsieg 2002 wurde der Obmann parteiintern nahezu unantastbar.

Sollte die ÖVP nicht doch noch einen guten Grund für das Platzenlassen der Koalitionsverhandlungen - mit klarer Schuldzuweisung an die SPÖ - finden, wird am 11. Jänner zum ersten Mal seit 1996 wieder eine rot-schwarze Regierung angelobt. Damals war Schüssel Vizekanzler und Außenminister. Beide Funktionen hatte er fünf Jahre (1995 bis 2000) lang gemeinsam wahrgenommen.

Nach der siebenten Verhandlungsrunde mit der SPÖ und der Gewöhnung an den zweiten Platz scheint Schüssel nicht abgeneigt zu sein, diese schon bekannten Arbeitsbereiche wieder aufzunehmen. Auch ÖVP-intern gilt diese Variante bereits als sehr wahrscheinlich. Seine Anwesenheit in der Regierung würde der ÖVP nicht nur garantieren, dass sie taktisch gegenüber der SPÖ reüssieren kann, sie hätte möglicherweise sogar ganz persönliche Vorteile für Schüssel selbst. Als Außenminister hätte er weiterhin intensiven Kontakt vor allem zu den europäischen Regierungschefs. Und genau das wäre für seinen Wunschkarriereverlauf notwendig. Denn als Politpensionist wird man in der Weltpolitik höchstens gefragt, wenn es um die Leitung internationaler Kommissionen geht, Angebote für Spitzenpositionen kommen dagegen selten.

Jose Emanuel Barroso ist Ende 2004 als EU-Kommissionspräsident angetreten. Das bedeutet, dass dieses Amt 2009 neu zu vergeben ist. Schon beim letzten Mal war Schüssel dafür im Gespräch. Es könnte gut sein, dass er in zweieinhalb Jahren bessere Chancen hat.

Bis dahin wäre ein Nachfolger in der ÖVP auch leicht aufzubauen. Pröll hätte genügend Zeit, die Volkspartei langsam nach seinen Vorstellungen neu zu orientieren.