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Gehaltsvorrückungen für Zeiten außerhalb des Betriebs würden den Faktor Arbeit verteuern.
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Wien. Kinderkarenz ist Arbeit. Rund um die Uhr, ohne Urlaub und ohne die Möglichkeit, in Krankenstand zu gehen. Bei der Anrechnung von Karenzzeiten auf Gehaltsvorrückungen, Urlaubsanspruch, Kündigungsfristen oder Abfertigung wurden in der Vergangenheit in vielen Kollektivverträgen bereits wichtige Verbesserungen erreicht. Doch Karenz wird noch nicht flächendeckend wie Arbeitszeit bewertet.
Für mehr soziale Gerechtigkeit sollte dies aber für alle Berufe gelten, fordert ÖVP-Klubchef August Wöginger, und zwar im Ausmaß von bis zu 24 Monaten. Wer sich für Familie und Kinder entscheidet, soll keinen Nachteil haben, betont Wöginger, der auch Obmann des Österreichischen Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerbundes (ÖAAB) ist. Sollte die Anrechnung der Karenzzeiten über die Kollektivvertragsverhandlungen nicht funktionieren, dann will er eine gesetzliche Neuregelung. Dies würde besonders Frauen zugutekommen, da meist sie es sind, die in Karenz gehen.
Wöginger rennt mit seiner Forderung bei der Opposition offene Türen ein. "Die ÖVP kann das sofort mit uns gemeinsam, auch gegen den Koalitionspartner, beschließen", bietet SPÖ-Frauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek an. Wöginger solle nicht lange zögern und einen entsprechenden Vorschlag im Parlament einbringen, sagt Barbara Teiber, Vorsitzende der Angestelltengewerkschaft GPA-djp, die die volle Anrechnung der Karenzzeiten schon seit Jahren fordert. Teiber: "Mit großen Worten wird Frauen im Berufsleben nicht geholfen."
Bruno Rossmann, Budgetsprecher und Klubobmann der Liste Pilz, begrüßt den von Wöginger präsentierten Vorstoß, schränkt aber ein, dass es sich dabei nur um einen von vielen notwendigen Schritten handelt, um die Gehaltsschere zwischen Männern und Frauen in Österreich zu schließen. Dringend erforderlich seien auch der Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen und der Ganztagsschulen.
Rolf Gleißner, stellvertretender Leiter der Abteilung für Sozialpolitik und Gesundheit in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), ist nicht so begeistert von Wögingers Forderung. "Gehaltsvorrückungen gelten ab, dass Arbeitnehmer durch die betriebliche Erfahrung auch leistungsfähiger werden. Das ist der Grundgedanke hinter Gehaltsvorrückungen", so Gleißner. Eine umfassende Anrechnung von Karenzzeiten würde bedeuten, dass Zeiten im Betrieb und Zeiten außerhalb des Betriebs gleich zu behandeln seien. "Das widerspricht dem Prinzip von Gehaltsvorrückungen und würde die Arbeit verteuern", sagt Gleißner.
Auch der ÖVP-Wirtschaftsflügel bremst bei der Anrechnung der Karenzzeiten bei den Vorrückungen im Gehaltsschema. Diese sollten wie bisher Kernkompetenz der Sozialpartner bleiben, so Wirtschaftsbund-Generalsekretär Rene Tritscher. In einigen Kollektivverträgen wie jener für Angestellte in der Metallbranche oder der für die Handelsangestellten werden die Karenzzeiten bei den Gehaltssprüngen bereits angerechnet.
Karenz für Männer attraktiver machen
Alfred Trendl, Präsident des Katholischen Familienverbands, meint: "Biennalsprünge sind keine Leistungsprämien, sondern werden ausschließlich aufgrund der Dauer der Betriebszugehörigkeit in den Kollektivverträgen gewährt." Die Karenzzeiten anzurechnen, sei eine Frage der Gerechtigkeit. Das sieht auch Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl so. Die Maßnahme würde dazu beitragen, dass die Gehaltsschere zwischen Männern und Frauen ein wenig kleiner werde und dass Frauen höhere Pensionen erhalten, betont sie. Und auch für Männer sei die Anrechnung wichtig. Anderl: "Sie macht die Karenz deutlich attraktiver."
Würden die Karenzzeiten flächendeckend wie Arbeitszeiten bewertet, würden vor allem Beschäftigte im Tourismus profitieren, heißt es aus der Dienstleistungsgewerkschaft vida. Und: Wenn schon ein entsprechendes Gesetz komme, dann sollte man auch die Pflegekarenz mit hineinnehmen.