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Absatz japanischer Produkte bricht ein, China droht mit Sanktionen.
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Peking. Begonnen hatte der Konflikt relativ harmlos: Im Jahr 2010 hatte die japanische Küstenwache den Kapitän eines chinesischen Fischerboots wegen einer Kollision mit zwei japanischen Patrouillenschiffen nahe der umstrittenen Senkaku-Diaoyu Inseln festgenommen. Daraufhin war es zu einer drastischen Verschlechterung der Beziehungen beider Länder gekommen.
Und mittlerweile hat auch die Wirtschaft unter dem eskalierenden Streit zu leiden: Der Elektronikkonzern Canon hat am Montag angekündigt, die Produktion in seinen drei chinesischen Fabriken wegen der anhaltenden anti-japanischen Proteste einzustellen. Die Produktion werde am Montag und Dienstag in Zhuhai, Zhongshan und Suzhou stillstehen, berichteten japanische Medien. Canon ist nicht die einzige Firma, die aus den teils gewalttätigen Demonstrationen Konsequenzen zieht: So hat auch Panasonic seine zwei Fabriken in Qingdao und Zhuhai vorübergehend stillgelegt. Sony teilte mit, man habe Mitarbeitern geraten, vorerst nur noch dringende Reisen nach China zu unternehmen.
Japanischen Medienberichten zufolge wurden ein Dutzend Fabriken japanischer Konzerne im Osten der Volksrepublik angegriffen, darunter auch die Werke von Panasonic. Canon hingegen hatte mit dem Problem zu kämpfen, dass chinesische Arbeiter aus Protest nicht zur Arbeit erschienen sind. Der Elektronikkonzern zählt zu den wichtigsten japanischen Unternehmen in China und erwirtschaftet mit Digitalkameras und Tintenstrahldruckern einen größeren Umsatz als in Japan.
Doch auch andere Branchen sind von der Krise betroffen, allen voran die Autoindustrie. Ein Vertreter von Nissan musste beispielsweise einräumen, dass es im Zuge des Konflikts "erhebliche Einbrüche bei den Absatzzahlen" gäbe. Japanische Autohäuser waren in den vergangenen Tagen wiederholt zu Zielen von Angriffen geworden, mehrere Vertriebsstellen von Toyota wurden dabei in Brand gesetzt. Schwer betroffen ist auch der Tourismus, Reisebüros in beiden Ländern berichten jeweils von massenhaften Stornierungen gebuchter Reisen.
Viele japanische Schulen im ganzen Land, darunter in den Großstädten Peking und Shanghai, sollten die ganze Woche geschlossen bleiben.
Teilweise driften die Auswirkungen des Konflikts auch ins Skurrile ab: So wurde der seit 1996 jährlich in Shanghai stattfindende Marathon umbenannt, da der japanische Sponsor im Namen aufgrund der anhaltenden Krise "nicht länger tragbar" sei, so der Veranstalter.
Ernst zu nehmen sind hingegen die Warnungen der "Renmin Ribao" (Volkszeitung), dem Zentralorgan der Kommunistischen Partei Chinas, das offen mit Wirtschaftssanktionen droht. Japan könne eine "verlorene Dekade" erleben, wichtige Bereiche wie Produktion, Finanzen, Exporte nach China, Importe "strategisch wichtiger Materialen" oder japanisch investierte Unternehmen in der Volksrepublik China könnten Zielscheibe der Strafmaßnahmen werden. Dieses Szenario wäre nicht nur für die direkt betroffenen Länder schlecht: Sollte die Wirtschaft im asiatisch-pazifischen Raum krisenbedingt lahmen, wird man das auch in Europa zu spüren bekommen.
Streit um Ressourcen
Dabei verbergen sich hinter dem Streit um die Senkaku-Diaoyu Inseln an sich schon handfeste wirtschaftliche Interessen. Neben dem reichen Vorkommen an Fisch werden in den umgebenden Gewässern vor allem ergiebige Öl- und Gasvorkommen vermutet. Da China und Japan auf ihren Maximal-Forderungen beharren, dürfte ein Ausweg aus der Krise schwierig werden, auch wenn Taiwan zuletzt vorgeschlagen hatte, die vermuteten Ressourcen sollten gemeinsam ausgebeutet werden. "Aber wenn Japan weiter provoziert und die territoriale Souveränität verletzt, wird China den Kampf aufnehmen", erteilte die internationale Ausgabe der Parteizeitung "People’s Daily" diesem Vorschlag bereits eine Absage. Die japanische Botschaft in Peking hat indessen auf ihrer Webseite eine Reisewarnung für japanische Geschäftsleute in China ausgegeben. Darin rät sie ihren Landsleuten gegenwärtig davon ab, in der Öffentlichkeit laut japanisch zu sprechen oder alleine ein Taxi zu benutzen. Fast prophetisch klingen in diesem Zusammenhang die Worte des Canon-Chefs in China Hideki Ozawa, der bei seinem Amtsantritt vor sieben Jahren gefragt hatte: "Wie können wir unsere Produkte auf einem Markt verkaufen, der Japan nicht mag?"
Streit mit langer Vorgeschichte:
Eigentlich geht es nur um eine Handvoll unbewohnter Felseninseln im Ostchinesischen Meer - doch der Streit hat eine lange Geschichte. Die von den Japanern Senkaku und von den Chinesen Diaoyu genannten Inseln liegen 200 Kilometer nordöstlich von Taiwan.
Seit Chinas Niederlage im chinesisch-japanischen Krieg 1895 standen sie unter der Kontrolle Tokios. Nach dem Zweiten Weltkrieg von den Vereinigten Staaten von Amerika verwaltet, gingen sie mit der Rückgabe der Souveränität Okinawas 1972 wieder an Japan.
Da China jedoch alte Ansprüche auf das Territorium geltend macht, kommt es immer wieder zu Konflikten. Denn aus Sicht Pekings waren die USA aus historischen Gründen gar nicht berechtigt, die Inselgruppe an Japan zurückzugeben.
Peking verweist auf Karten aus der Ming-Zeit (1368-1644), die nachwiesen, dass die Inselgruppe seit langem zu China gehöre. Angesichts großer Fischbestände und vermuteter Gas- und Ölvorkommen sind die Inseln auch von strategischer Bedeutung.
Mehrmals versuchten Aktivisten aus Taiwan und Hongkong, dort an Land zu gehen. In China selbst sind die nur von ein paar Ziegen "bewohnten" Inseln auch Teil immer wieder aufflammender japanfeindlicher Proteste. 2010 brachte die japanische Küstenwache in dem Seegebiet ein chinesisches Fischerboot auf. Nach einer Kollision wurde der Kapitän vorübergehend festgenommen. Der Vorfall belastete die bilateralen Beziehungen wie seit Jahren nicht mehr.
Vier der fünf Inseln sind bisher in japanischem Privatbesitz, eine gehört der Stadt Tokio. Die japanische Regierung beschloss in der vergangenen Woche den Kauf von drei Inseln.
Im Südchinesischen Meer gehen die Konflikte weiter: Denn auch dort macht Peking Besitzansprüche geltend. Teile des Seegebietes, vor allem die Spratly- sowie die Paracel-Inseln, werden aber ebenso von den Asean-Mitgliedern Vietnam, Brunei, Malaysia und den Philippinen beansprucht. Auch dort gibt es reiche Öl- und Gasvorkommen. Das Südchinesische Meer ist eine der meistbefahrenen Schifffahrtswege.