Zum Hauptinhalt springen

Wirtschaft sieht Wahlausgang gelassen

Von Holger Schmale

Politik

Während die amerikanische Politik seit Wochen dem Wahlergebnis entgegenfiebert, hat die US-Wirtschaft den Kampf um Weißes Haus und Kongress eher gelassen verfolgt.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 24 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Gleich, ob die Amerikaner am Mittwoch mit George Bush oder mit Al Gore als künftigem Präsidenten aufwachen, niemand erwartet an der Wall Street dramatische Reaktionen in die eine oder die andere Richtung. Denn der Garant des US-Wirtschaftswachstums, Notenbankpräsident Alan Greenspan, bleibt noch über drei Jahre im Amt.

"Wirtschaft wird in der Wirtschaft gemacht", lautete ein Lieblingsmotto des früheren deutschen Wirtschaftsministers Günter Rexrodt und meinte, der Staat solle möglichst wenig in ökonomische Prozesse eingreifen. Dies ist eine sehr amerikanische Sicht der Dinge, auch wenn Bill Clinton mit der Erkenntnis "Es geht um die Wirtschaft, Dummkopf", vor acht Jahren die Grundlage für seinen ersten Wahlsieg gelegt hat. Seine Politik der Einsparungen, der Haushaltsdisziplin und der Marktöffnung hat dann mit die Rahmenbedingungen für den grandiosen Aufschwung der amerikanischen Wirtschaft seither gesetzt.

Clinton hatte dabei in Greenspan einen mächtigen Verbündeten. Mit einer klugen Zinspolitik hielt der noch von Ronald Reagan berufene Chef der Federal Reserve dem Präsidenten den Rücken frei und half, der Welt größte Volkswirtschaft schadlos durch die Klippen der Asienkrise vor zwei Jahren zu steuern. Nichts deutet darauf hin, dass dies bei einem Präsidenten Gore oder Bush anders wäre. Das heißt auch eine Fortsetzung der Politik des starken Dollar. Dabei gilt Gore aber auf Grund der bisherigen Erfahrungen einer aktiven Wechselkurspolitik eher zugeneigt als Bush. Mit dem Republikaner im Weißen Haus wären nach dieser Lesart Interventionen zu Gunsten des Euro schwerer zu verabreden.

Das Interesse der Marktbeobachter richtet sich also eher auf die Folgen, die ein Politikwechsel im Weißen Haus für einzelne Branchen haben könnte. Würde eine republikanische Regierung den Kartellprozess gegen Microsoft schnell beilegen? Würde die drohende Klage gegen die Tabakindustrie nicht weiter verfolgt? Würden Pharmakonzerne und Krankenkassen von Washington in Ruhe gelassen? Die Tradition der Republikaner und aktuelle Äußerungen ihres Kandidaten Bush lassen auf weniger Regulierungsneigung als bei Gore schließen. Doch gibt es andererseits keine konkreten Aussagen zu den genannten Themen.

Das tatsächliche Handeln jeder Regierung wird stark von den Mehrheitsverhältnissen im Kongress abhängen, und die sind selbst noch am Wahltag ebenso schwer vorherzusagen wie das Ergebnis der Präsidentenwahl. Eine negative Reaktion der Märkte wird nur für den unwahrscheinlichen Fall erwartet, dass eine Partei das Weiße Haus und beide Kammern des Kongresses erobert. Einen Ausfall des Systems der "Checks and Balances" an der Spitze des Staates würde auch eine auf ihre Eigenständigkeit bedachte Wirtschaft vermutlich irritiert aufnehmen.

Eine Analyse der Wahlprogramme beider Präsidentschaftskandidaten durch die deutsche HypoVereinsbank kommt übrigens zu einem wesentlich negativeren Ergebnis als US-Analysten. Überhitzung der Wirtschaft, steigende Zinsen, fallende Kurse würden die Ergebnisse ihres freigiebigen Umgangs mit dem Haushaltsüberschuss sein.