Wifo und IHS sehen einen kräftigen Aufschwung. Industrie und Privatkonsum beflügeln die heimische Konjunktur.
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In der Regel ist es nicht nur beim Wetter so, sondern auch in der Wirtschaft: Auf Regen folgt Sonnenschein. Mit den Fortschritten beim Impfen und den behördlichen Lockerungen hat sich die Corona-Situation seit März jedenfalls spürbar entspannt. Zugute kommt das auch der heimischen Konjunktur, die nun - nach ihrem massiven Einbruch von 6,3 Prozent im vergangenen Jahr - wieder kräftig anzieht. "Der Aufschwung geht sogar schneller als erwartet", wie Wifo-Chef Christoph Badelt am Donnerstag wissen ließ. "Dem Patienten ‚Österreichische Volkswirtschaft‘ geht es merklich besser als noch vor ein paar Monaten", sagte der Ökonom bei der zusammen mit dem IHS abgehaltenen Präsentation der neuesten Konjunkturprognosen.
Getragen wird die Erholung zu einem guten Teil von der Industrie, deren Warenexporte dank positiver Impulse des Welthandels schon im März auf Vorkrisen-Niveau war. Zudem sind zumindest die großen Industriebetriebe wieder dabei zu investieren. Ebenfalls ein Pluspunkt für die österreichische Konjunktur: Der durch die Lockdowns bedingte massive Rückstau beim Privatkonsum beginnt sich aufzulösen. Vom Tourismus kämen indes noch keine besonderen Impulse - erst 2022, wie vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) und dem Institut für Höhere Studien (IHS) zu hören war.
Rezession zu Jahresbeginn
Noch im ersten Quartal ist Österreichs geschrumpft - um 1,1 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Für das zweite und dritte Vierteljahr rechnet Badelt jedoch mit hohen Wachstumsraten. Für das Gesamtjahr macht ihn das wesentlich zuversichtlicher als noch drei Monate zuvor. Für 2021 rechnet der im Herbst scheidende Wifo-Leiter nun mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 4,0 Prozent. Selbst negative Auswirkungen der Delta-Variante des Coronavirus würden diese Prognose nicht mehr gefährden, wie er dazu anmerkte. Für 2022 prognostiziert Badelt mit Blick auf den stärker werdenden Tourismus ein beschleunigtes Wirtschaftswachstum von 5,0 Prozent.
Das IHS ist etwas vorsichtiger in seiner Einschätzung der künftigen Entwicklung. Seine Experten gehen für das laufende Jahr von einem BIP-Plus von 3,4 Prozent aus. Vor allem aufgrund des ausgefallenen Wintertourismus dürfte Österreichs Wachstumstempo geringer als im Euroraum (plus 4,4 Prozent) ausfallen.
Erst 2022 über Euro-Schnitt
Im Folgejahr sollte die heimische Wirtschaft aus Sicht des IHS um 4,5 Prozent zulegen. Gegenüber der Eurozone hätte Österreich erst dann ein um einen Viertel Prozentpunkt höheres Wachstum.
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Dass der Aufschwung so rasch gekommen sei, begründete IHS-Ökonom Helmut Hofer damit, dass sich die gesundheitliche Lage in der Pandemie deutlich verbessert habe, dass es positive Einflüsse von Weltkonjunktur und Industrie gebe und Österreichs Wirtschaft auf die Restriktionen im dritten Lockdown viel besser eingestellt gewesen sei als auf jene des ersten und zweiten. "Die Leute sind schneller in die Geschäfte zurückgekehrt", so Badelt. Das habe für enorme Dynamik gesorgt.
Arbeitslosigkeit bleibt hoch
Die Arbeitslosenrate, die im Corona-Jahr 2020 bei 9,9 Prozent lag, wird unterdessen trotz des jetzigen Aufschwungs nur langsam zurückgehen - auf rund acht Prozent bis 2022, was weiterhin sehr hoch sei und das Niveau vor der Krise übertreffe. "Da haben wir wirklich massiven Handlungsbedarf", sagte Badelt mit Hinweis auf die zuletzt stark angestiegenen Zahlen bei Langzeitarbeitslosen. Er und Hofer betonten dabei die Dringlichkeit von Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen.
Relativ gelassen sehen die beiden Ökonomen die jüngste Entwicklung der Inflation, die im Mai vor allem wegen der deutlich gestiegenen Treibstoffpreise auf 2,8 Prozent gesprungen ist. "Wir glauben nicht, dass die jetzige Steigerung der Beginn einer Aufwärtsspirale ist", so Badelt. Die Preisanstiege seien "eher temporär". Ein, zwei Jahre mehr Inflation seien nicht wirklich ein Problem.
Für die Zeit nach der Viruskrise empfahl Badelt die "Rückkehr zu einer regulären Finanzpolitik", bei der die Frage im Fokus stehen sollte, wie viel Schulden man sich leisten könne. Jetzt einmal sollte es um einen gut getimten Exit aus den Corona-Hilfen gehen. Für unabdingbar hält der neue Chef des Fiskalrates auch Strukturreformen - etwa in den Bereichen Gesundheit, Pensionen und Steuern.