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Wirtschaft und Demokratie

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Die griechischen Wähler hätten den Sparkurs der Troika abgewählt, wird die neue Regierung aus Links- und Rechtspopulisten nicht müde zu betonen. Dass die Wähler das dürfen, ist unbestritten. Ob die Politik es auch umsetzen kann und überhaupt können soll, ist die entscheidende Frage.

Die Frage führt zum Kern der Diskussion: dem Verhältnis von Demokratie und Wirtschaft.

Bisher beruhte dieses Verhältnis auf einer pragmatischen Trennung beider Sphären, nun ist die Rollenteilung gleich von zwei Seiten unter Druck: von der Sehnsucht der Griechen und ihrer Verbündeten, für die vor allem zählt, was das Volk per Mehrheitsentscheid will; und von China und Co, deren autoritäre Regime ihren Untertanen Wohlstand bei Verzicht auf Mitsprache versprechen.

Chinas Weg erklärte der kanadische Philosoph Daniel A. Bell (nicht zu verwechseln mit dem US-Soziologen Daniel Bell) einmal so: "Ich glaube nicht länger daran, dass Demokratie in der Form ,Eine Person - eine Stimme‘ der beste Weg ist, um ein politisches System zu organisieren." Seine Argumente sind dabei so alt wie die Kritik an der liberalen Demokratie: mangelnde Bildung der Einzelnen und kurzfristig orientierte Politiker; aus Europas Süden kommt die Warnung vor einer marktkonformen Demokratie, die nur noch wirtschaftlichen Sachzwängen folge.

Konsequent zu Ende gedacht zielt die Forderung, die Politik zur letzten Autorität in Sachen Wirtschaft zu erheben, auf die Stellung der Notenbanken. Deren Aufgabe besteht in der Sicherstellung so heterogener Ziele wie Geldwertstabilität, Vollbeschäftigung, Wachstum. Einschlägige historische Erfahrungen negativer Natur haben dabei zur Einsicht geführt, dass diese Ziele nur dann langfristig erreichbar sind, wenn die Währungspolitik in einer gewissen Unabhängigkeit von der Politik erfolgt, die mal größer (EZB) und mal geringer (wie bei der Fed) ausfallen.

Dennoch bleibt: Die Akzeptanz dieser Rollenteilung beruht auf der Selbstbeschränkung der Politik - und die Forderung nach einer durch und durch demokratisch organisierten Wirtschaft ist damit unvereinbar.

Die acht Jahre seit Ausbruch der Finanzkrise haben ausgereicht, den vagen Misstrauensvorbehalt gegenüber einer Allmacht von Politik in eine ebenso unbestimmte Allkompetenzzumutung für Politiker umzuwandeln.